Politik | Landtag

Pöders Gesicht

Der Landtagsabgeordnete der Bürger-Union Andreas Pöder fordert in einem Beschlussantrag im Landtag ein Verschleierungs-Verbot in Südtirol. Populismus pur.

Das Datum auf dem Beschlussantrag kann kein Zufall sein: 16. Februar 2015. Mitten im Fasching hat Andreas Pöder im Südtiroler Landtag einen Beschlussantrag eingebracht, der an Populismus wohl kaum zu überbieten ist.
Just am Rosenmontag beschenkt der Landtagsabgeordnete der Bürgerunion Südtirols Frauen mit einen besonders emanzipatorischen Vorstoß.
Unter dem Titel „Verbot der Verschleierung moslemischer Frauen und Auftrag an die Antidiskriminierungsstelle“ hat Andreas Pöder einen Beschlussantrag eingebracht, der für Aufregung sorgen dürfte.
Der zeitweiligen Volkstumspolitiker fordert, dass der Südtiroler Landtag folgendes beschließt:

  1. Der Südtiroler Landtag spricht sich grundsätzlich aus Gründen der Achtung der Menschenwürde, der Gleichstellung zwischen Frau und Mann und des Verbotes der Diskriminierung wegen des Geschlechts für das Verbot der Verschleierung moslemischer Frauen aus.

  2. Der Südtiroler Landtag verpflichtet die Landesregierung, dieses Verbot im Zuständigkeitsbereich des Landes umzusetzen.

  3. Der Südtiroler Landtag verpflichtet die beim Landtag angesiedelte Antidiskriminierungsstelle mit geeigneten Maßnahmen, auch rechtlicher Natur, gegen die frauendiskriminierende Verschleierung moslemischer Frauen vorzugehen.

  4. Der Südtiroler Landtag fordert die mit der Gleichstellung zwischen Frau und Mann betrauten öffentlichen Stellen des Landes auf, mit geeigneten Maßnahmen gegen die frauendiskriminierende Verschleierung moslemischer Frauen vorzugehen.

Europäische Realität

Es gibt in Europa zwei Länder in denen es ein solches Verschleierungsverbot gibt. 2010 führte Frankreich ein Gesetz ein, mit dem das Verhüllen des Gesichts im öffentlichen Raum verboten wurde. Verboten wurde sowohl die Niqab, die noch einen Schlitz für die Augen offen lässt, wie auch die Burka, bei der die Augen durch ein Gitter aus Stoff verdeckt werden.
Frauen, die gegen dieses Verbot verstoßen werden mit 150 Euro bestraft. Zwingt eine Person eine andere zur Verschleierung wird eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und eine Geldstrafe in Höhe von 60.000 Euro angewandt. Ist die Frau minderjährig, wird das Strafmaß verdoppelt.
In der Praxis hat sich das Verbot kaum bewährt. Kritiker bezweifeln vor allem die Durchsetzbarkeit. In Frankreich hat die Polizei – nach offiziellen Daten – von 2011 bis 2013 nur 432 Frauen kontrolliert und 661 Verwarnungen ausgesprochen. Weil es im Pariser Vorort Trappes im Juli 2013 wegen einer solchen Verwarnung zu mehrtägigen Unruhen kam, verzichtet man in bestimmten Banlieues längst auf die Kontrollen.
Es gibt nur ein weiteres europäisches Land das dem Vorbild Frankreichs gefolgt ist. Im Juli 2013 wurde ein ähnliches Gesetz in Belgien eingeführt.

Gescheitertes Verbot

In Italien hat es bereits mehrere Anläufe gegeben ein solches Verhüllungsverbot einzuführen. Sie sind bisher aber alle gescheitet.
Am weitesten hat es ein Gesetzesvorschlag von der PDL-Abgeordneten Souad Sbai, Präsidentin des Verbandes Marokkanischer Frauen gebracht. Der Vorschlag wurden vom Verfassungsausschuss der Kammer im Sommer 2011 mit einer Stimme genehmigt. Vorgesehen ist ein generelles Verhüllungsverbot an öffentlichen Orten. Wer dagegen verstößt, soll mit 500 Euro Bußgeld und bei Wiederholung mit Haft bestraft werden. Wer Frauen zum Burka-Tragen zwingt soll bis zu 30.000 Euro Strafe zahlen müssen.
Der Gesetzesvorschlag kam letztlich aber nie in die Aula. Auch weil das Problem in der Realität kaum existiert. Es gibt eine Handvoll Fälle in Italien, wo es zu Beanstandungen gekommen ist.
Aber auch hier haben die Gerichte deutlich anders entschieden, wie es die Prohibitionisten wollten. Im Juni 2012 zeigt ein Bürger aus Chivasso bei Turin ein Frau ägyptischer Herkunft an, weil sei in der Öffentlichkeit verschleiert war. Der Turiner Staatsanwalt Paolo Borgna fordert die Archivierung der Anzeige. Borgna über die Burka und die rechtliche Relevanz:

„La donna lo indossa in ossequio, secondo un’interpretazione diffusa, ai principi della religione islamica; in osservanza dei diritti costituzionali di manifestare in qualsiasi forma, anche attraverso la propria immagine esteriore, la propria fede e la propria appartenenza religiosa, non può essere vietato.“

Das Gericht gibt dem Staatsanwalt recht. Auch in dem sich die Richter auf ein Urteil des Staatsrates vom Juni 2008 berufen. Dort heißt es unmissverständlich:

“Il nostro ordinamento consente che una persona indossi il velo per motivi religiosi o culturali; le esigenze di pubblica sicurezza sono soddisfatte dal divieto di utilizzo in occasione di manifestazioni e dall’obbligo per tali persone di sottoporsi all’identificazione e alla rimozione del velo, ove necessario”.

Bei diesem Beschlussantrag geht es nicht um Politik, sondern ausschließlich um populistische Stimmungsmache.

Gescheitertes Verbot

Obwohl Andreas Pöders politische Bewegung Bürgerunion heißt, dürfte der Südtiroler Landtagsabgeordnete in seiner Schulzeit im Fach Bürgerkunde nicht all zu aufmerksam gewesen sein.
Denn der Landtag kann – wie von Pöder gewollt – in Südtirol kein Verschleierungsverbot einführen. Ein solches Verbot berührt drei Kompetenzbereiche : Die öffentliche Sicherheit, die Grund- und Menschenrechte und die Religionsfreiheit. Auf allen drei Gebieten hat Südtirol keine primäre Gesetzgebungsbefugnis. Demnach kann weder der Landtag noch die Landesregierung ein solches Gesetz erlassen.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund und der Tatsache, dass es das Problem der verschleierten Frauen in der Südtiroler Realität praktisch nicht gibt, muss sich Andreas Pöder in diesem Fall eine Vorwurf gefallen lassen:
Bei diesem Beschlussantrag geht es nicht um Politik, sondern ausschließlich um populistische Stimmungsmache.