Kultur | Salto Afternoon

Einmal Ötzi, hin- und zurück

Bozen denkt an ein mögliches Museumsquartier auf dem Virgl. Ein poetischer Ausflug zwischen Renderings, einer Gletscherleiche und architektonischen Erfolgsmodellen.
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Foto: Foto Salto.bz

„Und Bozen hat die Virglbahn und da schaut man hinunter - und Berlin hat nichts, von wo man hinunterschauen kann, es sei denn die Untergrundbahn…“
Diesen ironischen Vergleich zwischen Bozner Talkessel und der Weltstadt Berlin hatte die Dadaistin und Künstlerin Hannah Höch 1920 in ihr Tagebuch geschrieben. Knapp 100 Jahre später wurde gestern im Palais der alten Kaufmannsfamilie Menz in Bozen das Projekt für ein großes Museumsquartier am kleinen Virglhügel vorgestellt. Mumienstar Ötzi soll neben der Architektur als Anziehungspunkt dienen, begraben in einem (architektonisch betrachtet) umgefallenen Menhir. Auch das Stadtmuseum soll am Virgl untergebracht werden.

...das neue Museum schlüpft unter die Haut des Berges.

„La decisione sarà della Provincia. Quando avrà fatto una scelta ne parleremo, inutile rompersi la testa prima”, kommentierte Bürgermeister Renzo Caramaschi auf seiner gestrigen Pressekonferenz den möglichen Umzug des Eismannes aus der Altstadt auf den Bozner Hausberg - und fügte hinzu: „Il progetto mi sembra bello, affascinante. Bisogna però vedere quanto costa e quanto chiederanno per i privati il museo civico che spetta al Comune.”

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts finden sich in der lokalen Tagespresse vermehrt Hinweise auf eine Erschließung des Virgls mit Bahn (ähnlich der sogenannten Gütschbahn in Luzern), die Stadt und Aussichtshügel verbinden soll, um „den Virgl, der unbestritten schönste Aussichtspunkt in Bozens nächster Umgebung, den einheimischen und fremden Besuchern bequemer als bisher zugänglich zu machen“. Nach einer ersten sanften Bebauung mauserte sich der kleine Hausberg zu einer attraktiven Naherholungszone. Die Drahtseilbahn nach Schweizer Vorbild wurde im Jahr 1957 durch eine Seilbahn ersetzt, die allerdings nicht einmal 20 Jahre später den Betrieb einstellte. Der Virgl war out.

Nachdem das Virgl-Plateau in den vergangenen Jahrzehnten einen schleichenden Niedergang erlebte, soll es nun wieder bergauf gehen, mit Geldflüssen aus Innsbruck und einem Projekt von Snøhetta, welches aus einem besonderen Blickwinkel der Skisprungschanze der 2016 verstorbenen Architektin Zaha Hadid am Bergisel in Innsbruck nicht unähnlich sieht. 

Die Renderings des Architekturbüros Snøhetta hatten sich 2015 gegen die Projektideen von Zaha Hadid und Coop Himmelb(l)au durchsetzen können. Erst später reifte der Gedanke der Signa-Stadtgestalter den Hügel als Museumsquartier erschließen zu wollen.

Gemeinsam mit Snøhetta wurde ein Vorschlag entwickelt, „der am 12. Oktober 2018 abgegeben wurde und nun bei den zuständigen Kommissionen und politischen Entscheidungsträgern evaluiert werden wird“ erklärte Heinz Peter Hager, Bozensprecher des Innsbrucker Investors (und Intimus von Sebastian Kurz) René Benko.

Der Architekt Kjetil Thorsen von Snøhetta hatte bei der anschließenden Präsentation des Kulturtempels mehrere Asse im Ärmel, zeigte etwa das von Snøhetta gestaltete Opernhaus in Oslo, oder passend zu Ötzi, das 2016 realisierte Besucherzentrum samt Nachbau der berühmten Höhle von Lascaux in Frankreich.

Das Architekturbüro Snøhetta ist nicht nur international breit aufgestellt (Büros in Oslo, New York, San Francisco, Paris, Hongkong, Adelaide und Innsbruck) sondern arbeitet mit einem spannenden interdisziplinären Ansatz. Dabei werden Fachbereiche immer wieder abgetauscht, um somit Vorurteile zu Architektur oder anderen Fachbereichen abzubauen – ein unternehmerisches Erfolgsmodell.

Die moderne Neuausrichtung des Virgl-Areals mit Bahn, Erlebniszonen, Stadtmuseum und dem Hero vom Hauslabjoch ist vor allem für viele Kaufleute in Bozens Altstadt ein Dorn im Auge. Doch der momentane Ötzi-Standort platzt aus allen Nähten, das Stadtmuseum gibt es nicht wirklich. Die einst von lokalen Architekten angedachte grüne Achse entlang der Talfer mit dem Museion als prächtigen Kulturbau im Zentrum, hätte die beiden Bozner Stadthälften verbinden sollen. Dies ist bis heute nicht gelungen. Aus verschiedensten Gründen, vor allem wegen mangelndem Willen.

„Über der Stadt und in der Stadt“, erklärte der norwegische Baumeister und beendete seinen Vortrag poetisch: „Durch das Museumquartiert entsteht eine Grenzsituation zwischen Stadt und Berg in idealer Lage mit dem öffentlichen Raum. Zugleich ist das Projekt eine Verlängerung der Stadt, direkt und indirekt mit der Natur, denn das neue Museum schlüpft unter die Haut des Berges.“