Politik | Gemeindewahl Brixen

„Unsere Kandidaten ticken anders“

„Wir sind die progressivste Partei Brixens“, sagt Renate Prader. Die Bürgermeisterkandidatin des PD tritt an, um einen Rechtsruck der SVP zu verhindern.
Renate Prader
Foto: Privat
  • SALTO: Frau Prader, der PD hat mit 38 Kandidaten mehr als alle anderen für die Gemeindewahlen aufgeboten. Warum eine derart große Mannschaft?

    Renate Prader: Wir sind der Auffassung, dass wir eine breite Vertretung aller Brixner Bürger und Bürgerinnen brauchen. Es sind alle Altersgruppen vertreten und auch die verschiedenen Berufsgruppen spiegeln sich in der Kandidatenliste wider. Wir haben Freiberufler, Arbeitnehmer, Vertreter der Wirtschaft wie auch Mitglieder diverser Vereine in unseren Reihen. Wir wollten ein breites Spektrum auf unserer Liste vertreten haben. Alle Kandidaten und Kandidatinnen wurden natürlich bei der Erstellung des Wahlprogramms miteinbezogen, und auch dort spiegelt sich die Vielfalt der Sichtweisen und Meinungen wider. Ein weiteres Anliegen war, Frauen gezielt anzusprechen. Obgleich es generell nicht einfach ist, Frauen für das „Politikmachen“ zu gewinnen, haben wir 13 Frauen auf unserer Liste, mit mir als Bürgermeisterkandidatin sind es sogar 14. Damit sind wir die Liste mit den meisten Frauen bei den Brixner Gemeinderatswahlen.

  • Renate Prader, Bürgermeisterkandidatin des PD: „Ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin muss Sprachgruppen übergreifend für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt da sein.“ Foto: Privat

    Der Bürgermeister-Kandidat des italienischen Mitte-Rechts-Bündnisses Antonio Bova (Fratelli d'Italia und Lega) hat Ihnen vor Kurzem vorgeworfen, dass sie als Angehörige der deutschen Sprachgruppe nicht die italienischen Bürger vertreten würden und mit der Entscheidung des PD, Sie als Bürgermeisterkandidatin zu nominieren, eine repräsentative Vertretung der Italiener im Gemeinderat nicht mehr gewährleistet würde. Was entgegnen Sie auf diesen Vorwurf?

    Ich weiß nicht, für was Herr Bova einsteht, aber ich bin Bürgermeisterkandidatin und als solche ist es meine Aufgabe, jeden und jede zu vertreten. Ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin muss Sprachgruppen übergreifend für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt da sein. Wir als PD trennen nicht, das heißt wir schließen niemanden aus oder erklären, dass wir nur diese oder jene vertreten wollen. Es geht um ein breites Politikangebot der demokratischen Mitte.

    Die Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe hat somit für Sie bzw. den PD jegliche Bedeutung verloren?

    Nein, das stimmt so nicht. Es hat nicht jegliche Bedeutung verloren, denn wir respektieren selbstverständlich die Grundlagen der Verfassung und des Autonomiestatuts. Aber ich bin beispielsweise Südtirolerin der deutschen Sprachgruppe und lebe meine Kultur, aber ich lebe in einer zweisprachigen Familie und das tun mittlerweile immer mehr. Zudem leben wir inmitten von Europa und wenn man fortschrittlich und modern denkt, dann kann die Trennung von Sprachgruppen nicht das wichtigste Thema bei der Gemeinderatswahl von Brixen sein. Wichtiger ist, dass wir in Brixen gute Lebensbedingungen für alle schaffen und sich die Bevölkerung in Brixen wohl fühlt, dass wir eine befriedigende Wohnsituation haben und weiterhin harmonisch zusammen leben. Vor allem den sozialen Themen müssen wir mehr Aufmerksamkeit schenken, denn viele Familien, Junge wie Ältere tun sich schwer, bis zum Monatsende zu kommen. Da müssen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten auf kommunaler Ebene für den Erhalt des sozialen Friedens sorgen.

     

    „Warum spricht niemand vom Thema Frau in der Politik?“

     

    Warum spricht niemand vom Thema Frau in der Politik? Mir wäre nicht aufgefallen, dass besonders viele Frauen für die Mitte-Rechts-Parteien antreten. Wir brauchen mehr Frauen, die auch mehr Frauen-Themen zur Sprache bringen. Von sieben Bürgermeisterkandidaten, die in Brixen antreten, sind nur zwei Frauen. Wieso? Danach sollte man fragen. Weiters, wenn man schon das Thema Sprachgruppe aufgreift, so ist der PD die mit Abstand ausgewogenste Fraktion. Die einzige interethnische Partei, die dieses Wort auch wirklich verdient, sind wir. Ich glaube schon, dass dieser Aspekt einen Mehrwert darstellt.

    Somit die progressivste Partei Brixens?

    Ja, die progressivste Partei, die zudem bereit ist, politische Verantwortung zu übernehmen. Wenn Parteien zwar vorgeben, interethnisch zu sein, aber nur einen Vertreter der jeweiligen anderen Sprachgruppe in ihren Reihen haben, dieser vielleicht sogar noch aus Opportunismus die Sprachgruppe wechselt, dann hat das für uns nichts mit sprachgruppenübergreifend zu tun. Für uns war es sehr wichtig, unsere Liste mit deutschen Kandidaten zu bereichern, genügend aufzustellen und eine ausgewogene Liste im Hinblick auf alle Altersstufen und Gesellschaftsschichten den Wählerinnen und Wählern anzubieten.

  • Renate Prader: „Die SVP scheint auf Landesebene dem Druck ihrer rechten Koalitionspartner nicht standgehalten zu haben.“ Foto: Privat

    Sollte es Ihrer Meinung nach zukünftig in ebendiese Richtung gehen? So dass es in 20 oder 30 Jahren vielleicht völlig normal sein wird?

    Das wäre für mich wünschenswert. Als Lehrerin bin ich immer wieder mit dem Thema Mehrsprachigkeit konfrontiert, sprich ob italienischsprachige Kinder sich in deutsche Kindergärten einschreiben dürfen. Das ist ein drängendes Thema und es ist bedauerlich, dass man es immer wieder aufgreifen muss. Brixen beweist, dass wir in Südtirol gut und harmonisch zusammenleben können und diesen Weg weiterverfolgen wollen. Ein Zurückdrehen der Geschichte, wo jeder nur für die Interessen der eigenen Sprachgruppe kämpft, wäre der falsche Weg. Denkt jemand, der sich italienisch erklärt anders als jener, der sich deutsch erklärt. Diese Unterscheidung sollten wir in Südtirol gemeinsam überwinden können und unsere Mehrsprachigkeit als Mehrwert anerkennen.

    Somit wollen Sie nicht in erster Linie nur die italienischen Wähler ansprechen, sondern gleichermaßen auch die deutschen?

    Ja, sicher. Alle Bürgerinnen und Bürger Brixens. 

    Nachdem Andreas Jungmann, Bürgermeisterkandidat der SVP, angekündigt hat, dass der PD sein Wunsch-Koalitionspartner ist, warum sollte beispielsweise ein SVP-Wähler sich für den PD entscheiden, wenn ohnehin bereits feststeht, dass es eine Zusammenarbeit geben wird?

    Wie wir am Beispiel der Bildung der Landesregierung gesehen haben, ist die SVP hier deutlich nach rechts gerückt. Sie scheint auf Landesebene dem Druck ihrer rechten Koalitionspartner nicht standgehalten zu haben. Daher brauchen wir eine starke demokratische Mitte, gerade für so eine ausgeglichene und tolerante Kultur- und Bildungsstadt wie Brixen. Gerade dafür steht der PD ein, ein Korrektiv für die SVP, damit sie sich nicht weiter nach rechts treiben lässt.   

     

    „Gerade dafür steht der PD ein, ein Korrektiv für die SVP, damit sie sich nicht weiter nach rechts treiben lässt.“

     

    Im Sinne von Mitspracherecht?

    Natürlich. Es ist ein Unterschied, ob wir zwei Mandate erreichen oder vier. Unsere Kandidaten ticken nun einmal etwas anders als jene der SVP, wir sind klar sozialdemokratisch ausgerichtet. Daher sind wir für all jene, denen soziale Themen sowie Bildung, Kultur am Herzen liegen, die richtige Wahl. Wer hätte sich vorstellen können, dass die SVP auf Landesebene zuerst im Jahr 2018 eine Koalition mit der Lega und jetzt mit Fratelli d‘Italia eingeht? Wir müssen es in Brixen schaffen, die Mitte-Links Koalition aufrechtzuerhalten. Nach der Wahl ist es zu spät, um auf die Straße zu gehen und zu protestieren. Diese Entscheidung muss an der Wahlurne getroffen werden.

    Mitte-Rechts haben sich sehr viele vorstellen können, angefangen bei den SVP-Ortsgruppen bis hin zu Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder, der vor Kurzem im Interview mit Salto erklärt hat, dass – will man den Willen der italienischen Bevölkerung respektieren, die Entscheidung für Mitte-Rechts die richtige gewesen ist. Auf Regional-Ebene haben wir Mitte-Rechts auf römischer Ebene ebenso, und in dieser Situation hätte man sich für Mitte-Links entscheiden sollen?

    Je stärker wir als PD sind, desto schwerer wird sich die SVP tun, uns abzulehnen. Zwei Mandate wollen wir unbedingt erreichen, mit größerer Entschiedenheit können wir natürlich mit mit drei oder gar vier Mandaten arbeiten.

  • André Hellers Vision vom Brixner Hofburggarten: Wie die Grünen und das Team K setzt sich auch der PD für mehr Partizipation ein. Foto: André Heller

    Vor Kurzem haben Sie in Ihrer Pressemitteilung erklärt, dass beim Thema Hofburggarten eine stärkere Partizipation der Bürger und Bürgerinnen gewollt ist. Ich dachte, die Gemeindeverwaltung, der Sie auch angehören, hätte längst die Weichen gestellt?

    Wir möchten die Bevölkerung stärker miteinbeziehen. Wir möchten ausloten, wie man der Brixner Bevölkerung noch weiter entgegen kommen kann und dass der Garten von den Bürgern und Bürgerinnen gut angenommen wird. Sodass sie zum Schluss sagen können: Es ist ein tolles Projekt.

    Bereits in der Regierung Peter Brunner wurde beschlossen, dass der Garten eine Zugangsbeschränkungen bekommen soll und auch an der Auftragsvergabe an den Multimedia-Künstler Andrè Heller wird nicht gerüttelt. Wo wäre also noch Spielraum für Partizipation?

    Zu klären ist die Frage, wie man den Garten insgesamt aufwerten kann. Und es gibt immer einen Spielraum für Partizipation. Gibt es beispielsweise Bereiche, die man Vereinen für ihre Tätigkeiten zur Verfügung stellen kann? Es ist uns wichtig, dass dieser Garten von allen angenommen wird und den alle besuchen möchten. Es soll ein Garten für alle sein.

    Auch zum Thema Tourismus hat der PD Position bezogen und plädiert für einen „Kongresstourismus“.

    Brixen mit seinen Sehenswürdigkeiten ist dafür prädestiniert, insbesondere jene Touristen anzusprechen, die sich für die Kultur und die Geschichte dieser Stadt interessieren. Wir haben sehr viele kulturelle Initiativen, zudem die unibz und weitere Hochschuleinrichtungen und wir sehen auch, dass Nachfrage danach besteht. Damit können wir unsere Stadt in ihrem historischen und kulturellen Wert sichtbar machen. Mehr in den qualitativ hochwertigen Tourismus investieren und weniger in den Massentourismus.

    Sie sprechen auch soziale Themen an, eines der größten ist die Wohnungsnot. SVP-Bürgermeisterkandidat Jungmann hat dazu bereist einige Zahlen auf den Tisch gelegt – was möchte der PD beisteuern?

    Unabhängig von den Wobi- und Sozialwohnungen und natürlich Mittelstandswohnungen, die in den ehemaligen Militärarealen geplant sind, wollen wir verstärkt die Wohnbaugenossenschaften fördern. Sobald wir einen Grund für den geförderten Wohnbau ausweisen, melden sich sofort mehrere interessierte Wohnbaugenossenschaften. Wir setzen uns dafür ein, gerade für den geförderten Wohnbau mehr Baugründe auszuweisen.

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Franz Pattis Mo., 19.02.2024 - 13:00

Vermisse bei Frau Prader eine Stellungnahme zu Umweltfragen bzw. zur Klimakrise. Man kann heutzutage dieses sehr wichtige Thema im Wahlprogramm doch nicht einfach ignorieren wie es die Brixner PD-Partei tut?!
Eine Frage noch an Frau Prader: wie stehen Sie zur gewaltigen Bodenversiegelung die es unter Bürgermeister Peter Brunner gegeben hat? Und wie wollen Sie diesem Flächenverbrauch entgegen wirken bzw. wie stehen Sie zur geplanten Auwaldrodung in der Brixner Industriezone für ein 3D-BETON Drucker Gebäude der Firma PROGRESS?

Mo., 19.02.2024 - 13:00 Permalink
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Cicero Mo., 19.02.2024 - 13:33

Antwort auf von Franz Pattis

Erwarten Sie sich wirklich eine Antwort von Frau Prader auf Ihren Kommentar bzw. warum haben Sie diese Frage nicht allen BM Kandidaten bei der Podiumsdiskussion in der Cusanus Akademie gestellt? Da hätte jeder der glorreichen 7 auf offener Bühne zu diesem Thema Farbe bekennen müssen.

Mo., 19.02.2024 - 13:33 Permalink
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opa1950 Mo., 19.02.2024 - 16:30

Pd mit Frau Prader an der Spitze wäre die letzte Partei welche ich wählen würde. Eine Partei ohne Interessante Argumente für Brixen.

Mo., 19.02.2024 - 16:30 Permalink