Politik | Teststrategie

Millionen bis zum Ende

Südtirol hamstert Nasenflügeltests. Dabei dürften deren Tage in naher Zukunft gezählt sein. Der Sanitätsbetrieb beteuert: Es braucht die Millionen-Bestellungen.
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Foto: LPA/Fabio Brucculeri

Seit Mitte März gehören sie zum Schulalltag, seit einem knappen Monat sind sie auch für den Restaurant-, Kino- oder Theaterbesuch notwendig, gültig sind sie nur in Südtirol: die Nasenflügeltests. Mit dem nahenden Ende der Schule Mitte und des CoronaPasses für die Innenräume der Gastlokale am 1. Juni scheinen auch die Tage der Nasenflügeltests gezählt. Zugleich schreitet die Coronaschutzimpfung zügig voran. “Es war immer klar, dass mit zunehmender Impfung weniger Bedarf besteht”, erklärt Zivilschutzlandesrat Arnold Schuler auf die Frage der Dolomiten, ob der Nasentest nun zum Auslaufmodell werde. Auf die Praxis schlägt sich das allerdings nicht nieder: Südtirol erwartet Millionen-Lieferungen an Nasenflügeltests. Und der Sanitätsbetrieb bestellt weiter. Warum?

 

Millionen (für) Tests

 

In Südtirol – und nur hier – sind die Nasenflügeltests eine Möglichkeit, um an einen (zeitweiligen) CoronaPass zu gelangen. Dieser gewährt Genesenen, Geimpften und Getesteten Zutritt zu bestimmten Strukturen oder Bereichen – den so genannten “CoronaPass-Areas”. Seit zwei Monaten machen auch 40.000 Schüler zwei Mal wöchentlich diesen “Nasenbohrertest”.

Der erste Millionenkauf erfolgte zwischen März und April: Für knapp 8 Millionen Euro erwarb der Sanitätsbetrieb (Sabes) 2,4 Millionen Nasenflügeltests. Anfang Mai wurde ein weiteres Verfahren für die Lieferung ausgeschrieben. Dieses wurde inzwischen zugeschlagen: Für 21,85 Millionen Euro – gut fünf Millionen Euro weniger als vom Sanitätsbetrieb veranschlagt – sollen dieselben fünf Hersteller zwischen Mai und Oktober 6 Millionen Tests liefern. Anfang der Woche hat die Sabes-Führungsspitze nun einen erneuten Beschluss in Sachen Nasenflügeltests gefasst: Bis November will man sich weitere 6 Millionen Tests sichern. Die dafür veranschlagte Summe: 22,8 Millionen Euro.

Unterm Strich werden also – Stand heute – rund 50 Millionen Euro allein für 15 Millionen Nasenflügeltests bereitgestellt. Zum Vergleich: Im gesamten Pandemie-Jahr 2020 wurden PCR-, Antigen- und Antikörpertests im Wert von gut 12 Millionen Euro angekauft.

 

CoronaPass à la Südtirol

 

Nur: Wozu all die Nasenflügeltests? Die bisherigen zentralen Einsatzorte Schule und Gastronomie fallen in Kürze weg. Auch zum Check-in für Hotelgäste soll kein Test verlangt werden. Denn im restlichen Italien ist das nicht vorgesehen – mit einer Testpflicht nur in Südtirol würde man sich selbst in den Finger schneiden.

In bestimmten Bereichen will die Landesregierung hingegen am CoronaPass festhalten. Vor allem dort, wo sich größere Menschenansammlungen bilden (könnten): Veranstaltungen oder Hochzeitsfeiern etwa. In diesen Tagen sammeln die einzelnen Landesräte Vorschläge, wo der CoronaPass weiter zum Einsatz kommen könnte. Am morgigen Freitag sollen die Details dazu in eine Verordnung einfließen. So denkt etwa Philipp Achammer als Landesrat für deutsche Kultur darüber nach, die Passpflicht für Kino- und Theaterbesuche aufrecht zu erhalten – dafür aber Vollbelegung zu ermöglichen. In Südtirol darf man seit ihrer Wiederöffnung am 26. April nur mit CoronaPass in Kultureinrichtungen. Im restlichen Italien und auch im Trentino ist dazu kein Test-, Impf- oder Genesungsnachweis nötig.

“Die Nasenflügeltests kommen weiterhin sehr breitflächig zum Einsatz”, heißt es auf Nachfrage von salto.bz zu den Millionen-Bestellungen aus dem Sanitätsbetrieb, “in den Gemeinden, wo derzeit über 100 Teststationen aktiv sind, und zum Beispiel auch in der Teststation am Silvius-Magnago-Platz in Bozen. Weiters wird der Einsatz in den Schulen und in Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsverbänden fortgesetzt”. Im Sanitätsbetriebs verweist man auf die Konvention mit dem Hoteliers- und Gastwirteverband HGV, die kürzlich unterzeichnet wurde: Der Sanitätsbetrieb stellt den Beherbergungsbetrieben kostenlos Tests für Mitarbeiter und Gäste zur Verfügung. Eine ähnliche Vereinbarung soll auch mit dem Handels- und Dienstleisterverband hds getroffen werden.

Doch der Nasenflügeltest ist nur ein Weg, um in Südtirol an den CoronaPass zu gelangen. Und der wird immer schmaler.

 

Impfung verdrängt Tests

 

Die Impfungen hierzulande laufen auf Hochtouren – und werden aufgrund des jüngsten Gesetzesdekrets aus Rom immer attraktiver: Das Impfzertifikat wird nun bereits am 15. Tag nach Erhalt der ersten Impfdosis für den CoronaPass anerkannt und behält nach der zweiten Dosis seine Gültigkeit für neun Monate. Da der CoronaPass vor allem für Reisen im In- und Ausland und damit den nahenden Sommerurlaub benötigt wird, stellt die Impfung für viele einen Anreiz dar.

Mehr als ein Drittel der Südtiroler sind bereits zumindest einmal geimpft. Zudem sind die rund 4.800 Termine der “Open Vax Day & Night”-Initiative, bei der alle ab 18 die Möglichkeit haben, sich in Bozen, Lana, Schlanders, Brixen, Sterzing und Bruneck mit AstraZeneca impfen zu lassen, so gut wie ausgebucht. Es wurden Zusatztermine organisiert.

Immer mehr Menschen in Südtirol werden in naher Zukunft also den (für Monate geltenden) CoronaPass erhalten und keinen Bedarf mehr an regelmäßigen Nasenflügeltests haben. Für Touristen besteht bislang genauso wenig Grund, sich solchen zu unterziehen – auch, weil für die Rückreise in viele Herkunftsländer oder -regionen ein zertifizierter Antigen- oder PCR-Test notwendig ist. Nichtsdestotrotz: Laut Auskunft des Sanitätsbetriebs ist geplant, die Nasenflügeltests “bis zum Ende der Pandemie” einzusetzen. Bis dahin lässt man sich bzw. den Steuerzahler die Hamsterkäufe Millionen kosten.