Politik | Gastkommentar

Die Eier legende Wollmilchsau

Das neue „Landesgesetz Raum & Landschaft“ kennt keinen Vorrang für den Landschaftsschutz.
Hausbau
Foto: Pixabay

Am 1. Juli 2020 tritt es nun in Kraft, das Landesgesetz Nr. 9 vom 10. Juli 2018, dessen erster Artikel verkündet: „Dieses Gesetz regelt den Schutz und die Aufwertung der Landschaft, die Raumentwicklung und die Einschränkung des Bodenverbrauchs“. 

Doch weder der Landschaftsschutz noch die „Eindämmung des Flächenverbrauchs“ wird in diesem Reformentwurf ernst genommen. Stattdessen erscheint dieses Werk wie die berühmte bayerische „eierlegende Wollmilchsau“, die jedem etwas bringt  und keine Prioritäten setzt. 

Ungeachtet des anspruchsvollen Titels, hat der Landschaftsschutz in diesem Gesetz keine Priorität. Der „Schutz und Aufwertung der Landschaft“ konkurriert mit 12 weiteren, gleichwertigen, zum guten Teil auch kontrastierenden grundsätzlichen Zielen! Dies ist das Problem bei diesem Gesetz – und dies könnte noch zu einem autonomierechtlichen Problem werden, denn von allen 13 Grundsatz-Zielen des Gesetzes hat einzig der Landschaftsschutz Verfassungsrang  (Art.9, Abs.2 der Verfassung) – und sollte daher im Grundsatzartikel Priorität haben. 

 

Beispiele:

So steht etwa das Ziel „Schutz und Aufwertung der Landschaft“ gleichwertig neben den Zielen „Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit aller Sektoren“. 

Oder das Ziel „Einschränkung des Verbrauchs von Boden und Energie“ gleichwertig neben „Deckung des Mobilitäts-und Kommunikationsbedarf der Bevölkerung“.  

Oder Art. 17, der den „Grundsatz der Einschränkung des Bodenverbrauchs“ nochmals unterstreicht, im gleichen Atemzug jedoch die landwirtschaftliche Produktion davon ausnimmt, nach der Strategie der „Aufwertung der Land- und Forstwirtschaft“ – im konventionellen Sinn, versteht sich.  

Oder das Konzept „Siedlungsgrenze“: Was als zentrales, raumwirksames Regelungsinstrument des Gesetzes gepriesen wird, ist in Wirklichkeit eine urbanistische „Zeitbombe“: Da das Gesetz die Initiative zur Abgrenzung des Siedlungsgebietes den einzelnen Gemeinden überlässt, sind Konflikte zwischen den Gemeinde über die Grenzziehungen im einzelnen Fall vorprogrammiert: Man denke nur an das zukünftige Wert-Gefälle zwischen Flächen in und außerhalb des „Siedlungsgebietes“.... 

 

Und in diesem Sammelsurium von gleichwertigen Entwicklungszielen  ohne klare gesetzliche Prioritäten entscheidet im Konfliktfall natürlich die Exekutive über den Vorrang einzelner Maßnahmen – unsere Landesregierung.  Und diese wird von mächtigen Lobbys belagert, die genau wissen, wie man sogar eine „eierlegende Wollmilchsau“ melkt....



 

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Daniel Kofler Mo., 22.06.2020 - 01:34

Das war zu erwarten - es ist unrealistisch, dass man gerade in Südtirol dem Trend des unkontrollierten Bauens widerstehen kann. Überall in Europa stagnieren die Bevölkerungszahlen, aber der Mensch braucht mehr Platz, und den holt er sich, ohne groß darüber nachzudenken. Dies ist aus ökologischer Sicht äußerst bedenklich - mit jedem verbauten Quadratmeter verlieren wir wertvollen Boden und Arten, die Jahrtausende zur Entwicklung brauchen. Wer sich z.B. vor Augen hält, was "Erde", meistens lediglich als Dreck betrachtet, eigentlich darstellt und wie kostbar sie für den Menschen ist, müsste sich eigentlich die Haare raufen. Aber den meisten Menschen fällt nicht auf, dass dieses kopflose Landverbrauchen kein gutes Ende haben wird - warum sollte es dann gerade den Politikern wichtig sein, wenn die Mehrheit kein Problem damit hat?

Mutige Politik in diesem Bereich müsste es mit Landwirten, Grundbesitzern, Gemeinderäten, die durch großzügige Flächenausweisungen Unternehmen anziehen wollen, aufnehmen, aber auch mit Durchschnittsbürgern, die ein Stück vom Kuchen haben wollen - scheinbar hat ja ein jeder Recht auf das Einfamilienhaus im Grünen. So eine mutige Politik wird es in Südtirol nicht geben - aber hier ist das Land nicht alleine, nirgendwo wird dieses Thema mit dem Ernst behandelt, den es verdient.

Ich hoffe nicht, dass wir unseren Kindern und Enkeln eine verbaute, zerschnittene, malträtierte und kraftlose, kurz: ruinierte Natur hinterlassen. Aber da die Leute, die auf solche Missstände hinweisen, als Alarmisten und Spaßverderber, kurz: Spinner gesehen werden, wird dies die Zukunft sein. Schade.

Mo., 22.06.2020 - 01:34 Permalink
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m s Mo., 22.06.2020 - 20:02

Der Landschafts- und Umweltschutz ist unserer Politik (und wahrscheinlich großen Teilen der Bevölkerung) nicht einen Pfifferling wert! Man braucht sich nur anschauen wie heruntergewirtschaftet die beiden Bereiche in Südtirol sind. Für Sonntagreden und (unverbindlichen) Präambeln eignet sich der Begriff aber hervorragend.

Mo., 22.06.2020 - 20:02 Permalink