Gesellschaft | Hunger
Im Kampf ums Überleben

Foto: Caritas Diözese Bozen-Brixen
Die rasant steigenden Preise für Lebensmittel infolge des Ukraine-Krieges verschlimmern den Hunger in Afrika. Viele Menschen sind in den vergangenen Jahren im Zuge der Corona-Pandemie in die Armut abgerutscht. Dürren und Überschwemmungen, bedingt durch den Klimawandel, bedrohen zudem die jetzt dringend notwendigen Ernten.
Die Eltern müssen zusehen, wie ihre Söhne und Töchter zunehmend schwächer werden - Anthony Kibira
Am schlimmsten ist die Situation am Horn von Afrika: Dort leidet fast ein Drittel der Bevölkerung an Hunger, 10 Millionen davon sind Kinder. „Hunger ist eine stille Tragödie“, sagt Caritas-Direktor Franz Kripp zum Auftakt der Kampagne „Hunger macht keine Ferien“ und bittet die Bevölkerung um Unterstützung. Pfarreien in Südtirol und Österreich unterstützen die Kampagne auch heuer, indem sie die Glocken am Freitag, den 29. Juli, lauter und länger läuten lassen.
Explodierende Lebensmittelpreise und Missernten
Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Getreide, Reis, Hirse, Bohnen und Mais sind in den afrikanischen Ländern bereits im vergangenen Jahr um bis zu 40 Prozent angestiegen. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges gehen sie fast ungebremst immer weiter nach oben. „Das bricht den Familien das Genick. Die Eltern müssen zusehen, wie ihre Söhne und Töchter zunehmend schwächer werden. Das wirkt sich verheerend auf ihre körperliche Entwicklung aus. Viele können auch nicht mehr die Schule besuchen, weil sie arbeiten müssen“, berichtet Pater Anthony Kibira, der längere Zeit hier in Südtirol tätig war, aus seiner Heimat Uganda.
Dazu kommen noch die Folgen des Klimawandels, die in Afrika noch extremer sind als hierzulande. „In vielen Gebieten herrscht Dürre. Vielerorts vertrocknet das Getreide auf dem Feld, bevor es reifen kann. Nutztiere verenden, weil die Wasserstellen austrocknen. Und wenn es doch einmal regnet, kann die ausgetrocknete, harte Erde das Wasser nicht schnell genug aufnehmen. Es wird zur zerstörerischen Flut, die noch intakte Felder überschwemmt und ganze Ernten zunichtemacht – auch das Saatgut für das nächste Jahr. Das entzieht den Bauern die Lebensgrundlage und lässt die Preise noch weiter ansteigen“, so der Pater.
„Es ist wichtig, diese stille Tragödie nicht zu vergessen und darüber zu sprechen“, erklärt Sandra D’Onofrio, die Leiterin des Caritas-Dienstes Globale Verantwortung. Durch die Thematisierung bleibe das Problem in der Öffentlichkeit präsent und animiere Bürger:innen sowie die Politik zum Handeln. „Menschen kämpfen in anderen Teilen der Welt ums Überleben, während wir achtlos Lebensmittel verschwenden“, sagt D’Onofrio. Es seien Konsumentscheidungen zu hinterfragen, die ein System der Ausbeutung unterstützen.
Caritas-Einsätze ausgeweitet
Um die Menschen in dieser Situation aufzufangen, hat die Caritas ihren Einsatz in Äthiopien, Eritrea, Kenia, Mosambik, Uganda, Senegal, Madagaskar und der Demokratischen Republik Kongo gemeinsam mit langjährigen Partnern ausgeweitet. Viele Familien werden mit Lebensmitteln versorgt; in den Schulen erhalten die Kinder zumindest einmal am Tag eine ausgewogene Mahlzeit sowie sauberes Wasser. Gleichzeitig setzt die Caritas auch weiterhin auf Projekte, welche die Menschen unabhängiger von den Wetterverhältnissen machen, wie den Ausbau der Wasserversorgung und nachhaltiger landwirtschaftlicher Methoden, Schulungen und Kleinkredite für Mütter und Bauersfamilien, sowie die Förderung von Bauernvereinigungen und Spargruppen, die Rückhalt in Krisenzeiten sichern.
Es gibt bereits Klimaflüchtlinge, die vom Land in die Stadt oder in einen Nachbarstaat gehen - Sandra D'Onofrio
„Schon in den vergangenen Jahren haben diese Projekte viel Leid abgefedert. Die Kleinbauern etwa haben in eigenen Schulungen gelernt, dürreresistente Sorten einzusetzen, den Wasserverbrauch zu optimieren und guten Kompost herzustellen, der die Erde fruchtbar hält. Sie können ihre Ernten sicher einlagern, ihre Produkte gemeinsam besser vermarkten und Rücklagen bilden. Die Solidarität in der Gruppe macht sie unabhängig von externer Hilfe“, berichtet D’Onofrio. Der Bau von neuen Brunnen und Regenwasser-Rückhaltebecken ermöglicht auch in Dürreperioden den Zugang zu sauberem Wasser zum Trinken, für die Körperhygiene, die Nutztiere und die Hausgärten.
Ursachen und Flucht
Die Ursachen für den steigenden Hunger in Afrika sind vielfältig und verstärken sich gegenseitig: Am Horn von Afrika sind die Menschen vor allem in Äthiopien und Eritrea mit den Folgen des Klimawandels und fehlender staatlicher Unterstützung konfrontiert. Der Krieg in Tigray (Äthiopien) verschärft die Situation, in der Region herrscht einer der schlimmsten Dürren seit vielen Jahren.
Schon heute zwingt die globale Erderwärmung Menschen zur Flucht: „Es gibt bereits Klimaflüchtlinge, die vom Land in die Stadt oder in einen Nachbarstaat gehen. Meistens haben sie aber nicht die Möglichkeiten, zehntausende Kilometer zurückzulegen“, sagt D’Onofrio. Die Fluchtbewegungen fänden nur minimal in Europa statt, sondern vor allem in Afrika und Lateinamerika.
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