Gesellschaft | Sanität

Ärzte in Aufruhr

Keine Ruhe in Südtirols Sanität. Vor allem die Belegschaft der Kleinkrankenhäuser warnte am Wochenende vor gravierenden Folgen der aktuellen Gesundheitspolitik.

Es sind Meldungen wie diese, die Wasser auf den Mühlen von Südtirols Kleinkrankenhäusern sind: „Gebärende brauchte zwei Stunden ins LKH: Baby tot“, betitelte der ORF Steiermark vergangenes Jahr einen Bericht über einen Todesfall, der möglicherweise vermieden hätte werden können, wenn die nächstgelegene Geburtenstation im steirischen Voitsberg nicht geschlossen hätte. „Ein Artikel, der nachdenklich macht. Auch unsere Zukunft?“, wurde an diesem Wochenende von der Facebook-Gruppe „Freunde des Schlanderer Krankenhauses“ gefragt, die die Meldung noch einmal verbreitete.

An diesem Wochenende wurde vieles noch einmal aufgegriffen, was die sogenannte Peripherie in Zusammenhang mit der Sanitätsreform beunruhigt. Noch bevor Landesrätin Martha Stocker am heutigen Vormittag den Gesundheitsbericht des Landes vorstellt, sind die Zeitungen voll von Negativ-Meldungen aus den Krankenhäusern und Arztpraxen des Landes. „Piccoli ospedali, medici in fuga“ warnt die italienische Tageszeitung Alto Adige groß auf ihrer Titelseite. „Wir brauchen keine amputierten Spitäler“, heißt es auch in den Dolomiten. Anlass für die Berichte gab eine Tagung der Initiativgruppe der Kleinkrankenhäuser am Samstag in Brixen. „Wenn die Reform durchgeht, werden viele von uns woanders hingehen - und Schlanders, Sterzing und Innichen wird ohne Spezialisten bleiben“, warnten dort bekannte Ärzte wie der Sterzinger Primar Robert Pfitscher. „Die Ankündigung der Landespolitiker in den vergangenen Jahren, dass alle sieben Krankenhäuser erhalten bleiben, sind bloße Lippenbekenntnisse geblieben“, polterte der ärztliche Leiter des Krankenhaus Schlanders Anton Theiner. Die Perspektivenlosigkeit in den Kleinkrankenhäusern würde sich bereits jetzt bei der Betreuungsqualität der Patienten spürbar machen, erklärten auch junge Ärztinnen und Ärzte. Der zunehmende personelle Aderlass führe darüber hinaus zu einer Mehrbelastung des verbleibenden Personals.

300 unterschiedliche Programme

Weniger hitzig ging es zeitgleich beim Südtiroler Ärztetag zu. Denn bei der Ärztekammer sieht man in der Reform weniger eine Bedrohung, als die Chance endlich ein besseres Zusammenspiel zwischen Haus- und Spitalsärzten zu ermöglichen, wie Präsident Michele Comberlato unterstrich. Vor allem die überfüllte Notaufnahme im Krankenhaus Bozen wurde in dem Zusammenhang erneut zum Thema. Angeprangert wurde einmal mehr das Informatik-Chaos in Südtirols Sanität. Derzeit gäbe es 300 unterschiedliche Computerprogramme, die nicht miteinander kommunizieren. „Wenn wir Patientenakte aufrufen, können wir nie sicher sein, was wir zu sehen bekommen und was nicht“, unterlegten die Ärztinnen und Ärzte ihre Forderung nach einem einheitlichen EDV-System.

Auch politisch wird das Thema vor allem auf lokaler Ebene weiterhin ausgeschlachtet. „Anscheinend haben die Regierenden noch nicht begriffen, dass die Bevölkerung die unendlichen, unverständlichen Diskussionen und Aussprachen satt hat?“, schreibt Benjamin Pixner, Landesjugendsprecher der Südtiroler Freiheit. Ohne den Aktionismus der betroffenen Bevölkerung und den daraus entstehenden Druck wäre das Schicksal einiger Bezirkskrankenhäuser schon heute besiegelt. Auch deshalb geht der Aktionismus nun weiter: Am 28. Oktober ist in Schlanders um 20 Uhr erneut eine Mahnwache angesetzt. Denn wie auch Pixner aufruft: „Lassen wir uns von Rom und den romtreuen Politikern nicht alles vorschreiben!“