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JOKER

Der Gewinner des Goldenen Löwen von Venedig erreicht unsere Kinos. Ein Ereignis, das man nicht verpassen sollte.
Joker
Foto: Warner Brothers

Selbst wer in Sachen Comics und Superhelden nicht bewandert ist, kennt doch Batmans bekanntesten Gegenspieler, den Joker. Der psychopathische Wahnsinnige mordet sich bereits seit 1940 durch diverse Geschichten, und das in den unterschiedlichsten Inkarnationen. Es sollte nicht lange dauern, bis der Joker auch Teil des filmischen Erbes wurde. Zu den bekanntesten Darstellern des Oberschurken zählen wohl Jack Nicholson in Tim Burtons „Batman“ von 1989 und Heath Ledger in „The Dark Knight“ von Christopher Nolan. Beide gaben der Figur ihre eigene Note. Während Nicholson einen sehr humorvollen, comic-haften Joker abgab, wählte Ledger gemäß Nolans Stil einen realistischeren Zugang. Es sind also große Fußstapfen, in die Charakterdarsteller Joaquin Phoenix nun tritt. Anders als bisher erzählt „Joker“ aber keine Superheldengeschichte. Batman kommt darin nur als der kleine Junge Bruce Wayne vor. Heldentaten werden also schon mal keine vollbracht, und das ist wunderbar erfrischend. „Joker“ erzählt von einem gebrochenen Mann. Er siedelt die Handlung vor der eigentlichen kriminellen Karriere des Jokers an. Dann heißt er noch Arthur Fleck, arbeitet als Clown auf den Straßen Gotham Citys und träumt von der großen Karriere als Stand-Up Comedian. Was ihn von einer erfolgreichen Karriere abhält: Er ist schlicht und einfach nicht witzig genug. Noch dazu leidet Arthur an Psychosen und beginnt immer wieder, manisch zu lachen. Was von seinen Mitmenschen als seltsame Auffassung von Humor empfunden wird, ist alles andere als das. In diesen Momenten leidet Arthur am meisten. Unter dem Spott, den ihm seine Clown-Kollegen entgegenbringen, unter den Schikanen, die ihn auf dem rauen Pflaster der Stadt erwarten, und nicht zuletzt unter den Mühen, die ihm seine hilfsbedürftige Mutter abverlangt. Arthur wohnt mit ihr zusammen in einer kleinen Wohnung.

JOKER - Teaser Trailer - Now Playing In Theaters

Mehr sollte man über die Geschichte des Films auch gar nicht wissen. Die stellt sich im ersten Moment auch sehr in den Hintergrund. Die Hauptfigur steht voll und ganz im Fokus und wird von seinem Schauspieler auf erschreckend authentische Art und Weise verkörpert. Wie er spricht, wie blickt, wie er geht, wie er leidet – all das kauft man Joaquin Phoenix jederzeit ab. Er scheint gar durch die Leinwand zu atmen und macht das Schicksal seiner Figur greifbar nahe. Thematisch scheint er eine Symbiose aus Travis Bickle („Taxi Driver) und Rupert Pupkin („King of Comedy“) zu sein. Generell macht Regisseur Todd Phillips keinen Hehl daraus, welchem Vorbild er hier folgt. Die New Hollywood-Filme von Martin Scorsese stehen Pate für „Joker“. Die schmutzige Fassade New Yorks aus „Taxi Driver“ gleicht sich wunderbar mit Gotham City ab. Im Hintergrund brodelt der Zorn der einfachen Bevölkerung auf die etablierte Oberschicht. Revolutionäre Töne machen sich breit, und Arthur Fleck ist als scheinbar Unbeteiligter mittendrin. „Joker“ spielt zwar irgendwann in den 1970er Jahren, erzählt aber dennoch vom Amerika des Jahres 2019. Das dürfte auch der Grund für die anhaltende Kontroverse sein, die vor allem in den USA herrscht. Dem Film wird Gewaltverherrlichung vorgeworfen und soll zum brutalen Aufstand gegen das Establishment aufrufen. Wer den Film versteht, wird sehen, dass das gelungene Drehbuch eine klare Antwort auf diese Vorwürfe parat hält. Der Joker ist nicht der Anführer eines Bürgerkriegs, sondern das Produkt desselben. Eine Analogie zu den Gewaltausbrüchen Einzelner, die weltweit regelmäßig für schockierte Gesichter sorgen, liegt nahe. Die Gesellschaft prägt ebenso wie das Umfeld und das Miteinander.

„Joker“ schafft es, neben dem politischen Unterton, auch den Bezug zum Batman-Universum nicht zu verlieren. Da taucht etwa die Familie Wayne auf und der Film schlägt am Ende einen nachvollziehbaren und zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt wirkenden Haken zu allzu bekannten Ereignissen aus Batmans Historie. Ein kostümierter Superheld taucht jedoch nicht auf, und er würde in dem auf Realismus bedachten Szenario auch arg deplatziert wirken. Da darf man es als Glück bezeichnen, dass „Joker“ unabhängig von DCs „Justice League“ steht und es keine weiteren Filme mit Phoenix in der Rolle des Jokers geben wird.

Regisseur Todd Phillips führt mit großer Sicherheit durch die Inszenierung, die stets nahe an seiner Hauptfigur bleibt. Er lässt seine Regie-Desaster aus „Hangover“-Zeiten vergessen und beeindruckt durch eine mitreißende, bedrohliche Atmosphäre, die auch durch die sehr präsente Musik von Hildur Guðnadóttir entsteht. Am Ende entsteht aus dieser Zusammenarbeit ein hervorragend gefilmter und gespielter Film, der sicherlich zu den Highlights des Kinojahres 2019 zählen wird. Bedrückend und stilsicher unterhält "Joker" für zwei grandiose Stunden. Joaquin Phoenix löst seine Vorgänger souverän ab und beweist einmal mehr, dass er der wichtigste Charakterdarsteller des zeitgenössischen Kinos ist. Nichts desto trotz könnte es durchaus passieren, dass er bei der nächsten Oscar-Verleihung den Preis für den Besten Hauptdarsteller NICHT erhält. Das wäre tragisch. Oder, wie es der Joker selbst formulieren würde: Es wäre lachhaft.