Was sind Lehrer wert?
Ende Juni wurde die Petition “Lehrerwunderland Südtirol?” ins Leben gerufen. Dahinter stehen Pädagogen aus dem ganzen Land, die stellvertretend für ihre Berufskategorie vier Forderungen an die Politik richten: eine bessere Entlohnung; eine rückwirkende Pauschalvergütung für die persönliche Ausstattung mit digitalen Medien; die dienstrechtliche und ökonomische Gleichstellung der Lehrpersonen staatlicher Schulen und jener im Landesdienst; die Anpassung der Zweisprachigkeitszulage; die vorzeitige Möglichkeit, auf die Beträge aus der Abfertigung zuzugreifen. Die Petition sei “die Reaktion der Lehrberufe auf den schon länger spürbaren Stillstand in der Bildungspolitik” hieß es im September, als die Unterzeichnungsfrist beendet war. 3.018 Unterschriften sind am Ende zusammengekommen. Und nun hat es das Treffen gegeben, auf das die Initiatoren gepocht hatten. Die Reaktionen darauf könnten unterschiedlicher nicht ausfallen.
“Keine Brücken in den Himmel, aber ernsthafte Verhandlungen”
Am Freitag (16. Oktober) war eine Delegation der “LehrerInneninitiative Südtirol” im Palais Widmann. Die Petition entgegen nahm Landeshauptmann Arno Kompatscher, der sich anschließend mit dem Generaldirektor des Landes Alexander Steiner die Anliegen der Pädagogen anhörte. Im Anschluss verschickte die Landespresseagentur eine Mitteilung, aus der hervorgeht, dass das Land für 2020 10 Millionen Euro für die laufenden Verhandlungen zum Kollektivvertrag für die 7.600 Lehrpersonen der Schulen staatlicher Art zur Verfügung stellt – “trotz der Corona-bedingt schwierigen Finanzsituation”, betont Generaldirektor Steiner. Für 2021 und 2022 sollen es je 15 Millionen Euro sein. “Obwohl uns – ohne die Investitionsbeiträge zu berücksichtigten – bei der Haushaltsplanung für das kommende Jahr 750 Millionen Euro fehlen, haben wir zusätzliche Mittel für das öffentliche Personal vorgesehen”, wollte der Landeshauptmann festgehalten wissen. Und versprach: “Wir werden keine Brücken in den Himmel bauen, wir werden aber die Vertragsverhandlungen ernsthaft führen.”
Thema der Anhörung war auch die Informationstechnik und die technologische Ausstattung der Schulen, die den Anforderungen des coronabedingten Fernunterrichts nicht entsprächen. Man sei sich des IT-Aufholbedarfs in Südtirols Schulwelt bewusst, so Kompatscher, “daher haben die drei Bildungsdirektionen im Rahmen des gesamtstaatlichen Recovery Fund einen gemeinsamen der Projektantrag eingereicht. Das Investitionsvolumen des Digitalisierungsprojekts beläuft sich auf 58 Millionen Euro.”
Was die persönliche IT-Ausstattung der Lehrpersonen angeht, verwies die Lehrerdelegation darauf, dass Südtirols Lehrerschaft kein Anrecht auf den jährlichen 500-Euro-Bonus der “Carta del docente” habe, wie es auf dem restlichen Staatsgebiet der Fall sei. Zwei entsprechende Beschlussanträge der Opposition wurden Anfang Oktober im Landtag abgelehnt. Dennoch soll es einen einmaligen Informatik-Gutschein geben.
“Andere Interessengruppen bleiben bevorzugt”
Damit wollen sich die Lehrer aber nicht abspeisen lassen. Das geht aus einer Aussendung hervor, die Markus Klammer und Florian Leimgruber in Vertretung der “LehrerInneninitiative Südtirol” am Sonntag Abend verschicken. Sie kritisieren zunächst als “völlig inakzeptabel”, dass Bildungslandesrat Philipp Achammer und die deutsche Bildungsdirektion an der Aussprache am Freitag nicht teilgenommen haben.
Den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung seien “die zentralen Defizite im gegenwärtigen Bildungsbetrieb” – konkret nennen Klammer und Leimgruber die Gehälter der Lehrkräfte, die “inadäquaten materiellen und digitalen Arbeitsbedingungen in der Schule und im Fernunterricht”, die “obrigkeitlichen Strukturen” und “die drei ethnisch getrennten Schulverwaltungen samt Didaktik und Lehrpersonal” – nicht bewusst, so die weitere Kritik. Beleg dafür sei, “dass es in Südtirol eine Petition braucht, um auf die akuten Fragen von Bildung und Schule hinzuweisen”.
Und schließlich konfrontieren Klammer und Leimgruber den Landeshauptmann mit Grundsatzfragen. In der Aussendung heißt es über das Treffen am Freitag:
“Es war ein Auftritt, den Landeshauptmann Arno Kompatscher exzellent beherrscht: sich in ein schmeichelhaftes Wohlwollen kleiden, um dahinter die Verantwortung der Politik zu verschleiern. Aber Empathie und persönliche Zugewandtheit zu zeigen, kostet keine Millionen aus dem Landeshaushalt, diese bleiben weiterhin für andere Interessengruppen reserviert. (…)
Ob die Betroffenheit des Landeshauptmannes sich auf die hausgemachten Ursachen der Defizite im Bildungsbetrieb bezog, lässt sich indes bezweifeln. Das Lenkrad für alles liegt nämlich in der sehr einseitig ausgerichteten Haushaltspolitik, die Löhne und Gehälter vorwiegend für einen Kostenfaktor hält, anstatt sie als Werkzeug für Innovation und gesellschaftliche Entwicklung zu nutzen. Und das alles steht unter dem Regime einer ungerechten Verteilung des Steueraufkommens, das Unternehmen mit jährlich 100 Millionen belohnt, während die Steuern auf Löhne und Gehälter dem Landeshaushalt ansteigende Einnahmen bescheren. Das rechtfertigt es, die Wirtschaftspolitik in Südtirol für eine Sakralisierung des Unternehmertums und eine Bereicherungswirtschaft zu halten.
Für die Schule kündigte Landeshauptmann Kompatscher heuer 10 Millionen Euro mit einem einmaligen Betrag von 500 Euro (netto 350) pro Kopf für die technische Ausstattung der Lehrkräfte an. Dem stehen aber Sonderbeträge aus dem Nachtragshaushalt von 30 Millionen für das Tourismusmarketing Re-Start der IDM, 20 Millionen für Straßenbau, 10 Millionen für Kompensation der Tourismusabgaben, 20 Millionen für die Landwirtschaft, 12,5 Millionen für die Infranet AG, 35.000 für den Pferderennplatz usw. gegenüber.”
Die Abwesenheit des
Die Abwesenheit des Landesrates Achammer, der zumindest auf dem Papier für die Bildung zuständig ist, zeigt wieder mal sein Desinteresse und die Gleichgültigkeit gegenüber dem südtiroler Bildungssystem. Wie gut eine Schule ist, hängt hauptsächlich von der Kompetenz und vom Einsatz der Lehrpersonen ab. Leider gibt es diesbezüglich einige negative Beispiele, welche den Ruf der Berufsgruppe ruiniert haben und ihr Gehalt nicht verdienen. Der überwiegende Anteil der Lehrer und Lehrerinnen ist sehr gut ausgebildet, engagiert und eindeutig unterbezahlt. Die Bezahlung bei vergleichbarer Ausbildung ist in der Privatwirtschaft deutlich besser, Aufstiegschancen inklusive. Auch im Vergleich zu den Nachbarländern ist das Gehalt sehr niedrig. Es ist nicht zu verwundern, dass dieser Beruf laufend an Attraktivität verliert. Lange Ausbildungszeiten, schlechte Entlohnung, geringe Anerkennung seitens der Gesellschaft und der Politik. Dies wiegen die langen Urlaubszeiten wohl auch nicht mehr auf. Leidtragend ist unsere Jugend, die es uns allemal wert sein sollte!
Wie wahr Florian Hinteregger!
Wie wahr Florian Hinteregger! Bei Landesrat Achammer ist der Drahtseilakt zwischen Wirtschaft und Bildung längst zugunsten der Wirtschaft gerissen. Die Bildung scheint ihm im Grunde ein lästiges Anhängsel zu sein. Ja, die engagierten Lehrer sind unterbezahlt, gehaltsmäßig sind sie, wenn man vielleicht Griechenland ausklammert, die Letzten in Europa. Die gesellschaftliche Anerkennung fehlt gänzlich, auch die finanzielle; auch dies ist LR Achammer und der Bildungsdirektion anzukreiden, die keinerlei Initiative ergreifen, um dies zu ändern. Das wird noch Folgen haben, leider zuungunsten unserer Jugend. So schafft man es den Lehrberuf gänzlich unattraktiv zu machen. Das wird sich in der Zukunft noch bitter rächen.