Kultur | Buchvorstellung

18/18

Der Kulturverein „La Fabbrica del Tempo / Die Zeitfabrik“ hat ein besonderes Geschichte(n)buch vorgelegt. Am Mittwoch (27.3.) wird es in Meran vorgestellt
zeit_cover.jpg
Foto: Zeitfabrik

Für Südtirol bedeutet das Jahr 1918 einen einschneidenden Wendepunkt seiner Geschichte. Zwar vollzog sich die konkrete Einverleibung der Gebiete südlich des Brenners in das Königreich Italien erst in den unmittelbar darauf folgenden Jahren, doch das symbolträchtige Datum dieser historischen Zäsur ist und bleibt das Ende des Ersten Weltkrieges, das ein neues und teilweise unerwartetes Kapitel in der Landesgeschichte aufschlug. Anlässlich des Gedenkjahres 2018 war es dem Kulturverein La Fabbrica del Tempo/Die Zeitfabrik ein Anliegen, einige Überlegungen zur regionalen Zeitgeschichte anzustellen und ein Buch zu veröffentlichen, das die Beiträge verschiedener Autorinnen und Autoren sammelt.

Der nicht sehr glücklich gewählte Spruch von der strikten ethnischen Trennung („Je klarer wir trennen, desto besser verstehen wir uns“), der frühere Jahrzehnte kennzeichnete, sollte heute durch eine bessere Alternative ersetzt werden...

Der Bogen spannt sich über die ersten Jahre des Zivilkommissariats unter dem Königreich Italien, die nachfolgende, traumatische Zeit des Faschismus und die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges mit der nicht minder traumatischen Zeit der nationalsozialistischen Besatzung. In der nunmehr über siebzigjährigen Zugehörigkeit Südtirols zur Republik Italien war hingegen Raum für den zwar steinigen Weg zur Autonomie, der aber letztlich, trotz Widerstände und Einsprüche, die Voraussetzungen für die Befriedung und eine zukunftsfähige Entwicklung des Landes schuf.

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte erlebte Südtirol historische Ereignisse von großer Tragweite: Zu bewältigen war die Zeit des Faschismus mit der unseligen Italianisierungspolitik, die Option riss tiefe Gräben durch die gesamte Gesellschaft, dazu kam die rassistische Diskriminierung der jüdischen Gemeinde und das düstere Kapitel der Deportationen. In diesen hundert Jahren gab es wirtschaftliche Krisen und dann wieder Zeiten friedlichen Fortschritts. In den letzten Jahren nahm die Entwicklung der Tourismusindustrie stürmisch Fahrt auf, was vor allem dem ländlichen Raum neue Chancen eröffnete; zugleich ist ein rasantes Wachstum der Städte zu beobachten. Die Stimmung in der Bevölkerung schwankte immer wieder zwischen Hoffnung und enttäuschter Erwartung, bis heute: Wir müssen uns ehrlich eingestehen, dass es – bei aller positiven Bilanz – nicht an Defiziten mangelt. Immer wieder gibt es Missverständnisse zwischen den Sprachgruppen, einmal werden Empfindlichkeiten unterschätzt, ein anderes Mal sind es handfeste Verletzungen, die man einander zufügt, oft lediglich aus fehlender oder falscher Kommunikation. Das weckt, zumindest bei einigen Teilen der Bevölkerung, immer wieder Ängste und altes Misstrauen. In diesen letzten hundert Jahren hatten einige den Mut, den Blick weit zu öffnen, andere fanden diesen Mut nicht, oder nicht immer. Auch darüber sollten wir heute nachdenken, im Licht des unzweifelhaft Errungenen im Laufe eines für alle schwierigen und teils schmerzlich historischen Lernprozesses.

Patrick Rina, Ulrike Kindl und Tiziano Rosani – die Herausgeber der Publikation – haben sich in vielen Bereichen umgesehen, von der Politik über Literatur, Musik und Kunst bis hin zu den Veränderungen in den kulinarischen Gepflogenheiten: In all diesen Bereichen war unser Land – sofern es den Rückzug in die ethnische Wagenburg verweigert hat – offen und aufnahmefähig für Neues, ein Ort der Begegnung. Bei diesem zeitgeschichtlichen Rundblick in Buchform geht es um eine möglichst breite Palette unterschiedlicher Meinungen und Standpunkte.

Meran, Urania
Mi 27.3. 20 Uhr