Politik | Autonomie

Boccias Versprecher

Das Treffen zwischen Regionenminister Francesco Boccia und Landeshauptmann Arno Kompatscher war ein voller Erfolg. Doch dann sagte der Minister zwei Sätze zu viel.
Kompatscher, Boccia
Foto: LPA/Peter Daldoss
Es waren zwei Sätze in einer langen Rede.
Zwei Aussagen, die – je nach Anschauung – die Großwetterlage völlig verändern. Aus eitlem Sonnenschein, der am Samstag am Südtiroler Polithimmel hing, kann so eine gefährlich, aufziehende Gewitterfront gemacht werden.
Ich will nichts mehr von Mailänder Abkommen und vom Pakt von 2014 hören, die sich auf Streitigkeiten der Vergangenheit beziehen“, erklärte Francesco Boccia am Samstag auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Landeshauptmann Arno Kompatscher. Und weiter: „Der Sicherungspakt von 2014 läuft 2022 aus und wir müssen deshalb einen neuen Pakt aushandeln“.
Diese Aussagen des Regionenministers werden jetzt als direkten Angriff auf die Südtiroler Finanzautonomie gewertet. Und medial auch entsprechend ausgeschlachtet.
Dabei sind es nur leise Misstöne in einem Wunschkonzert, das die SVP-Kapelle unter Stardirigent Francesco Boccia diesem Samstag abgeliefert hat. „Es war ein erster wichtiger Schritt, um gemeinsamen und auf konstruktive Art und Weise unsere Autonomie weiterzuentwickeln und an die aktuellen Erfordernisse anzupassen“, resümierte Landeshauptmann Arno Kompatscher nach dem Treffen.
 

Die Wiederherstellung

 
Es war der erste offizielle Besuch des Regionenministers in Südtirol seit der Ernennung der neuen italienischen Regierung im September 2019. Dementsprechend lang war die Liste der Gesprächsthemen, die vom Gesundheitswesen über die Finanzbeziehungen bis hin zur Zuständigkeit in Sachen Umwelt und Personal reichte.
Ganz oben auf der Liste der Gesprächsthemen stand dabei die Wiederherstellung der Zuständigkeiten des Landes nach der Verfassungsreform 2001. „Seither sind unsere Kompetenzen in einigen Bereichen eingeschränkt worden, was an verschiedenen Interpretationen der Regierungen in Rom ebenso wie jenen des Verfassungsgerichtshofs lag“, unterstreicht der Landeshauptmann.
Da diese Kompetenzen Voraussetzung für die Streitbeilegung 1992 waren, unterstützt auch Österreich ihre Wiederherstellung und die Forderung fand auch Eingang in den Koalitionsvertrag der neuen österreichischen Bundesregierung.
Vor dem Hintergrund, dass Österreich hier seine Schutzfunktion wahrnimmt, möchten wir mit der italienischen Regierung eine gemeinsame Vorgangsweise finden, die unsere primären Zuständigkeiten in Bereichen wie Personal, Handel, Raumordnung und Fürsorge wiederherstellt", erklärt Kompatscher.
 
 
Francesco Boccia lenkte hier absolut auf die SVP-Linie ein. „Südtirol muss besser arbeiten können als 1992. Wenn Kompetenzen eingebüßt wurden, werden sie wiederhergestellt. Herr, Landeshauptmann, geben Sie das nach Wien weiter“, erklärte der PD-Minister am Samstag unmissverständlich.
 

Das Sonderverzeichnis

 
Auch im zweiten Knackpunkt des Treffens kann Südtirol aufatmen. Es geht um die Streitfrage der Eintrag von Ärzten, die kein Italienisch sprechen, in die Berufkammer. Diese Regelung wurde vom Ministerrat vor dem Verfassungsgerichtshof beanstandet. Erst vor kurzem hat die Landesregierung beschlossen, das eigene Gesetz vor dem Verfassungsgericht zu verteidigen.
Wir zielen auf eine Durchführungsbestimmung ab, die von Rom mitgetragen wird und die das Prinzip der Gleichstellung der beiden Landessprachen anerkennt – und zwar auch, was die Eintragung in die Berufskammern betrifft. Auf diese Weise kann die Ausübung wichtiger Dienste für die Bevölkerung sichergestellt werden“, meinte Kompatscher nach dem Treffen.
Auch hier lenkte Francesco Boccia ein. Dabei denkt man konkret über eine pragmatische Lösung nach: Ein Art Sonderverzeichnis, das nur für Südtirol gilt.
 

Das Gefängnis


Bei dem Treffen im Palais Widmann wurde aber auch ein drängendes Infrastrukturproblem angesprochen: Das neue Bozner Gefängnis.
Das Unternehmen Condotte SPA hat bereits vor Jahren die Ausschreibung für den Bau und für die Führung des neuen Bozner Gefängnisses in Bozen Süd gewonnen. Danach tauchten aber gleich zwei Probleme auf. Zum einen befindet sich der römische Bauriese seit eineinhalb Jahren in einem gerichtlichen Ausgleichverfahren und die Zukunft des Unternehmens ist völlig ungewiss. Zum anderen erklärte das Finanzministerium inzwischen, dass das Geld für den Neubau und die Führung, obwohl bereits vor Jahren zugewiesen, jetzt nicht mehr vorhanden sei.
Auch hier signalisierte Boccia durchaus Entgegenkommen. „Die Bedingungen in der derzeitigen Haftanstalt sind schon seit geraumer Zeit nicht mehr annehmbar. Wir müssen so rasch wie möglich die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Vereinbarung von 2010 zur Errichtung eines neuen Gefängnisses in Form eines Public-Private-Partnership (PPP) umgesetzt wird“, so Landeshauptmann Arno Kompatscher.
Francesco Boccia gab die Zusicherung, dass die Probleme bis zum Herbst und zur Verabschiedung des neuen Haushaltsgesetzes geregelt sein sollen.
Im Anschluss an das Treffen gab es am Samstag noch ein gemeinsames Arbeitsmittagessen an dem auch die in Südtirol gewählten Parlamentarier und die Mitglieder der Sechser-Kommission teilnahmen.