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Äpfel für Indien

Die Auswirkungen des Konfliktes im Nahen Osten sind auch in Südtirol spürbar. Ein Grund zur Panik besteht allerdings nicht.
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Foto: suedtirolfoto.com
  • Vor Kurzem ist in der Tageszeitung La Repubblica ein Artikel über die Folgen der aktuellen Suez-Krise für die wirtschaftliche Situation in Italien erschienen. In diesem Zusammenhang wurde auch der Verband der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse VIP erwähnt, für den die anhaltenden Angriffe der jemenitischen Huthi-Miliz auf Handelsschiffe im Roten Meer Export-Nachteile bedeuten. Einige Reedereien weigern sich, diesen Seeweg weiterhin zu benützen und weichen über das Kap der Guten Hoffnung aus. „Das heißt für uns, dass unsere Äpfel rund zwei Wochen länger unterwegs sind“, sagt Martin Pinzger, Direktor der VIP, und erklärt, dass dies natürlich auch eine Steigerung der Kosten zur Folge habe. 

  • Martin Pinzger, Direktor der VIP: „Im Nahen und fernen Osten präsentiert sich der Markt für die heurige Ernte sehr schwierig.“ Foto: VIP/JLD

    Insbesondere der indische Markt, der ebenfalls über die Suez-Route bedient wird, spiele in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Die Hauptsaison für den Verkauf und Export nach Indien spielt sich in den Monaten Jänner bis Mai ab. Die Kämpfe hätten also zu keiner ungünstigeren Zeit kommen können, auch vor dem Hintergrund, dass man im vergangenen Jahr eine gute Ernte eingefahren habe und nach Möglichkeit, die bestehenden Märkte auch bedienen möchte. „Die aktuelle Situation bedeutet einen Nachteil für unsere Äpfel“, beschreibt Pinzger die Situation mit Verweis auf den direkten Konkurrenten: die Amerikaner. Bis vor rund einem Jahr waren die USA noch durch einen Strafzoll ausgebremst, nach der Streitbeilegung können sie nun wieder vermehrt auf diesem Markt tätig werden. Zudem befindet sich die größte amerikanische Anbaufläche für Äpfel an der Westküste im Staat Washington. Die Waren können somit ohne Einschränkungen über den Pazifik nach Asien und Indien transport werden. „Damit haben sie einen klaren Wettbewerbsvorteil“, so der Direktor der VIP. 

  • Auf die Größenordnung angesprochen erklärt Pinzger, dass die Einschränkungen auf dem Seeweg zwar keinen dramatischen Absatzeinbruch bedeuten, aber man zurzeit auf einem Markt operieren müsse, der weltweit von Konflikten geprägt sei. Auch in Israel, in das die VIP ebenfalls exportiert, stehe man seit Kriegsbeginn vor einer gänzlich anderen Situation, wie auch in Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Ägypten, das sich in einer Wirtschaftskrise befindet, sei der Absatz ebenfalls zurückgegangen. „Im Nahen und fernen Osten präsentiert sich der Markt für die heurige Ernte sehr schwierig“, fasst Pinzger die Situation zusammen und beziffert den Anteil der Äpfel, die in diese Regionen exportiert werden, auf rund fünf Prozent. Wenn eine Tür zugeschlagen wird, öffnet sich manchmal jedoch eine neue, und die liegt für die VIP in Mittel- und Südamerika. „Wir haben seit Saisons-Beginn mehr Äpfel in diese Region geliefert als jemals zuvor“, so Pinzger. Seit September habe man sehr aktiv die Chancen auf diesen Märkten genutzt. „Dadurch haben wir uns bei gewissen Sorten einen Vorsprung verschafft und den Druck minimieren können“, so der Direktor der VIP. Wohl auch deshalb blicke man mit mehr Gelassenheit auf die angespannte Lage.

  • Import stärker betroffen

    Laut Recherche von „La Repubblica“ sind seit Beginn der Angriffe auf Handelsschiffe im November des vergangenen Jahres die Transportkosten merklich gestiegen. So betrug der Preis für den Transport eines Standard-Containers von Shanghai nach Genua vor Beginn der Krise 1.600 Dollar, zwei Monate und unzählige Angriffe später kletterte er auf 5.200 Dollar. 40 Prozent der italienischen Importe und Exporte nehmen die Route über den Suez-Kanal, allein der Lebensmittelsektor setzt auf diesem Wege 3,8 Milliarden Euro um, rund eine halbe Milliarde im Bereich Obst und Gemüse.

    Wie Georg Lun, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo der Handelskammer Bozen, auf Nachfrage von SALTO erklärt, wirken sich die längeren Transportwege und die damit verbundenen höheren Kosten stärker auf den Import als den Export aus. „Nachdem der Großteil der Güter in das benachbarte Deutschland und andere europäische Länder exportiert wird, sollten die negativen Auswirkungen für den Export überschaubar sein“, so Lun. Was jedoch die Importe betrifft, so wirke sich hier die Krise deutlich stärker aus, insbesondere was die Automobilzulieferer betrifft, die auf ein weltweites Wertschöpfungsnetzwerk und Lieferketten zurückgreifen. Bereits vor zwei Jahren hatte die sechstägige Blockade des Suezkanals durch das Container-Schiff Ever Given weitreichende Folgen nach sich gezogen. Vor beiden Kanaleinfahrten stauten sich die Schiffe, andere wiederum wählten den längeren Weg um die Südspitze Afrikas. Schätzungen zufolge hat die Blockade einen Schaden in Höhe von über neun Milliarden US-Dollar verursacht. Lun warnt allerdings davor, die derzeitige Krise überzudramatisieren: „Es ist ein Risiko- und Kostenfaktor; die derzeit spürbaren Auswirkungen sind allerdings nicht gravierend.“ Krisen und Störungen führten zu Problemen und damit zu höheren Kosten, die Lösung liege jedoch nicht darin, alle Güter lokal produzieren zu wollen. Handelsbeziehungen seien nämlich immer sinnvoll und von Vorteil, so Lun.