6,3 Milliarden gegen den Klimaschutz?
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In Österreich haben die Koalitionsverhandler der FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) und ÖVP (Österreichische Volkspartei) mögliche Sparpläne vorgestellt, um ein EU-Defizitverfahren abzuwenden. Ihr Ziel: Die Einsparung von 6,3 Milliarden Euro. „Der Schuldenberg der vergangenen Jahre hat uns veranlasst, einzugreifen“, so Hubert Fuchs, FPÖ-Finanzsprecher, bei der Präsentation. ÖVP Klubobmann August Wöginger sprach von „intensiven und konstruktiven“ Verhandlungen.
Die geplanten Maßnahmen konzentrieren sich auf die Ausgabenseite, wobei alle Ministerien ihren „Stabilitätsbeitrag“ leisten sollen – vor allem durch Einsparungen bei Inseraten, Werkverträgen und Kabinetten. Allerdings liegt ein besonders starker Fokus auf dem Klimaschutz, der sozialen Absicherung und den Förderstrukturen.
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EU-Defizitverfahren gegen Österreich
Am 26. November 2024 stellte die Europäische Kommission in einem Bericht gemäß Artikel 126 Absatz 3 AEUV fest, dass Österreich das Defizitkriterium nicht erfüllt. Um ein Verfahren wegen des zu hohen Defizits zu vermeiden, legte der Bundesminister für Finanzen am 13. Januar 2025 den geplanten Maßnahmenkatalog der FPÖ und ÖVP vor. Das Programm umfasst Einsparungen und Mehreinnahmen in Höhe von insgesamt 6,39 Milliarden Euro. Am 16. Januar 2025 erklärte die Europäische Kommission, dass das vorgestellte Paket ausreiche. Somit ist ein Defizitverfahren vorerst abgewendet.
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Einsparungen und Maßnahmen
Ein zentraler Bestandteil des Sparprogramms ist die Abschaffung des allgemeinen Klimabonus, der 2022 als Ausgleich für die CO₂-Bepreisung eingeführt wurde. 2024 wurden so rund 1,96 Milliarden Euro an Österreicher:innen ausgezahlt. Von der Streichung sind nun vor allem einkommensschwache Haushalte und Regionen mit schlechter Verkehrsanbindung wie das Burgenland und Kärnten betroffen, wo der Pro-Kopf-Bonus mit 253 bzw. 240 Euro im Vorjahr am höchsten war.
Allerdings sind nicht alle Gruppen von der Abschaffung des Klimabonus betroffen. Landwirte und bestimmte Gewerbebetriebe erhalten weiterhin eine Rückvergütung, die ihre Mehrkosten durch die CO₂-Bepreisung kompensiert. Für Landwirte erfolgt diese pauschal, orientiert an der bewirtschafteten Fläche, während Unternehmen eine Antragstellung sowie den Nachweis von Emissionsvermeidungsmaßnahmen erbringen müssen. Diese Sonderregelungen kosten insgesamt 303 Millionen Euro, aufgeteilt in 53 Millionen für Landwirte und 250 Millionen für Gewerbetreibende.
„Das Klimaticket muss bleiben, wie es ist! “
Das Klimaticket, das den öffentlichen Verkehr stärken soll und für leistbare Mobilität steht, soll erhalten bleiben. Allerdings mit Einschränkungen. So soll das Gratis-Klimaticket für unter 18-Jährige wieder abgeschafft werden. Dieses war erst im Juli 2024 eingeführt worden und sollte junge Menschen an den öffentlichen Verkehr heranführen. Auch bei den ÖBB seien Einsparungen geplant. Das soll ein Potenzial von 120 Millionen Euro umfassen.
Die Grünen sehen in den geplanten Kürzungen der FPÖ und ÖVP eine Gefahr für die Demokratie, die unabhängige Justiz, soziale Leistungen sowie den Natur- und Klimaschutz. Sie haben eine Petition gestartet, um das Klimaticket in seiner derzeitigen Form zu retten. „Das Klimaticket muss bleiben, wie es ist! “, so der Aufruf der Grünen. In der Petition wird gefordert, das Klimaticket nicht nur zu erhalten, sondern auch auszubauen und mehr in klimafreundliche Mobilität zu investieren, um die Verkehrswende voranzutreiben.
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Zudem sollen noch andere Förderungen im Klimabereich reduziert oder gestrichen werden. Die Umweltförderungen sollen um 20 Prozent gekürzt werden, was Projekte zur Wärmewende und den Umstieg auf erneuerbare Energien ausbremsen könnte. Auch die Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen soll abgeschafft werden, wodurch die Umsatzsteuer auf diese Produkte wieder 20 Prozent beträgt. Förderungen für E-Mobilität, einschließlich der Anschaffung von E-Bussen, sollen ebenfalls eingeschränkt werden.
Zusätzlich plane die Koalition, Gebühren für Führerschein, Reisepass und andere staatliche Dokumente anzuheben, was weitere 65 Millionen Euro einbringen soll. Im Bereich der Pensionen setzt man auf eine schrittweise Anhebung des faktischen Antrittsalters, um 150 Millionen Euro zu sparen.
Umstritten ist auch die Abschaffung der Bildungskarenz, die bislang Berufstätigen eine geförderte Weiterbildung ermöglichte. Diese Maßnahme soll Einsparungen von 350 Millionen Euro bringen, könnte jedoch die berufliche Weiterentwicklung vieler Menschen gefährden. Das Unterrichtsministerium soll bei Sachausgaben einsparen. Hinzu kommt das Aus für ein Pilotprojekt, das administrative Unterstützung für Lehrkräfte bereitstellen sollte, womit sich die Gesamtkürzungen im Bildungsbereich auf 150 Millionen Euro summieren.
Schritt zur Stabilisierung der StaatsfinanzenDie geplanten Maßnahmen werfen Fragen zur Vereinbarkeit von Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und Haushaltskonsolidierung auf. Die Kürzungen im Klimabereich könnten nicht nur die Klimaziele gefährden, sondern auch langfristig wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen. Auch die Reduzierung der Fördermittel für Wärmewende und Elektromobilität wird sowohl von Umweltexpert:innen als auch von der Wirtschaft kritisiert.
„Eine sichere und stabile Zukunft.“
Gleichzeitig treffen die Einsparungen beim Klimabonus und der Bildungskarenz vor allem einkommensschwache Haushalte und Menschen, die sich beruflich weiterentwickeln wollen. Kritiker:innen befürchten, dass diese Einsparungen soziale Härten verschärfen könnten.
Das Sparprogramm wird von der FPÖ und ÖVP als notwendiger Schritt zur Stabilisierung der Staatsfinanzen propagiert, um eine „sichere und stabile Zukunft“ zu gewährleisten. Doch die vorgestellten Maßnahmen zeigen, dass der Preis dafür hoch ist – für Umwelt, soziale Gerechtigkeit und langfristige wirtschaftliche Stabilität.
Es wird deutlich, wo die politischen Prioritäten von FPÖ und ÖVP liegen: Während Klimaschutz und Bildung massive Kürzungen erleiden, bleiben Vergünstigungen für Landwirte und Gewerbetreibende unangetastet. Ob die geplanten Maßnahmen den gewünschten Erfolg bringen und die EU langfristig zufriedenstellen werden, bleibt abzuwarten. Eines ist jedoch klar: Viele Bürger:innen werden die Kosten zu spüren bekommen.
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