Politik | Reform der Politikerrenten

Franz Pahl: „Das ist absolute Willkür“

Klare Worte vom Präsidenten der Vereinigung der Altmandatare Franz Pahl zur nun vorliegenden Reform der Politikerrenten. Der ehemalige Regionalratspräsident spricht von einer politischen Strafaktion für eine gesamte Politikergeneration – und stellt einen jahrelangen Rechtsstreit in Aussicht.

Herr Pahl, der Gesetzesentwurf zu den Politikerpensionen liegt vor, was sagen die Altmandatare?
Franz Pahl: Wir wussten schon länger, in welche Richtung es geht und haben dagegen fundamentale Einwände. Erstens werden für die Berechnung der Lebenserwartung nun INPS-Parameter herangezogen, was an und für sich kein Problem darstellt. Das ergibt sich, da als entsprechender Abzinsungssatz nicht jener des Sozialfürsorgeinstitutes genommen wird, der bei 1,5 Prozent liegt.  Statt dessen verwendet man dafür den Zinssatz der Banca d’Italia, der mit 3,5 Prozent fast zweieinhalb Mal höher ist. Ein Zinssatz also, der nie bei Leibrenten angewandt wurde und willkürlich aus einem anderen Sektor genommen wurde.

Warum macht man so etwas ihrer Meinung nach bei einer derart heiklen Materie?
Ganz klar um eine politische Strafaktion durchzuziehen. In dieser ganzen Angelegenheit wurde zuerst von der Ebner-Presse der gesamte Pöbel der Straße aufgehetzt, und dann ist die Politik – dumm oder politisch unklug wie man war, muss ich sagen – auf dieses Ross aufgesprungen und konnte sich davon nicht mehr lösen. So kommt es jetzt zu dieser absurden Situation, dass man völlig gegensätzliche Parameter anwendet und alle Grenzen des Zumutbaren sprengt.

Ihr einziger Einwand?
Nein, mindestens ebenso schwerwiegend ist, dass der Staat Kürzungen bestehender Rentenansprüche nur dort erlaubt, wo der Rentenfonds nicht mehr zahlungsfähig ist. Doch der geschlossene Rentenfonds des Regionalrats, der einzig und allein für die Abgeordneten errichtet wurde, ist völlig liquide. Das heißt, wir haben bereits freiwillig mittels des Gesetzes von Rosa Thaler 56 Millionen Euro für die Familien bereitgestellt, also das Familienpaket für zehn Jahre liquide gemacht. Statt uns zu danken und diese Sozialleistung anzupreisen, werden wir nun wie Unmenschen behandelt, denen man eine Strafaktion aufdrängen muss.

In dieser ganzen Angelegenheit wurde zuerst von der Ebner-Presse der gesamte Pöbel der Straße aufgehetzt  und dann ist die Politik auf dieses Ross aufgesprungen und konnte sich davon nicht mehr lösen. 

Sie wehren sich also gegen eine neuerliche Kürzung?
Natürlich, denn das sprengt rechtlich alle Prinzipien und wird so nicht halten können. Man will nun ohne Zwang eine noch drastischere Kürzung vornehmen, und das ist absolute Willkür. Wenn das durchgeht, sind im Prinzip die Renten aller Staatsbürger in Gefahr.  Dann könnte jeder Gesetzgeber, ob regional oder national, Renten zu jeder Zeit willkürlich kürzen, mit oder ohne Haushaltsnotstand.

Der Gesetzentwurf ist aber immerhin von diversen rechtlichen Gutachten abgesichert. Haben die für Sie keine Geltung?
Beim Gutachten Nogler-Falcon kann ich persönlich nicht von großer Qualität sprechen. Das sind zwei Leute, die auch später noch Gutachten machen wollen und damit dem Auftraggeber wohl nicht widersprechen wollen. Anders ist dies im Fall des Gutachtens von Verfassungsrechtler Gallo, das aber von den Autoren dieißteses Gesetzesentwurfes nicht richtig gelesen wurde, wie mir scheint. Immerhin bringt Gallo bei genauerem Studium eine ganze Reihe von Gerichtsurteilen und Normen, die genau das Gegenteil davon sagen, was nun beabsichtigt wird.

Konkret müssen Leibrenten-Bezieher nun innerhalb von 60 Tagen entscheiden, ob ihre Rente um weitere 20 Prozent auf 2350 Euro gekürzt sowie die Vorschüsse um ein Drittel reduziert werden oder ob sie zum alten System vor der Reform 2012 zurückkehren wollen – ohne Vorschusszahlungen, allerdings auch mit 20 Prozent weniger Rente. Gibt es hier Präferenzen?
Ich denke, dass sich die wenigsten für die alte Option entscheiden, denn wir haben uns schließlich per unwiderruflichem Vertrag – wie dort stand – für die Abzinsung der Rente entschieden und damit auch für die Abgeltungszahlungen. Doch gerade deshalb werden wir auch geltend machen, dass diese Abgeltungen so bleiben. Es geht hier um den Grundsatz der Rechtssicherheit, also das Prinzip, dass ein abgeschlossenes Rechtsgeschäft im Nachhinein nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Das müssten eigentlich auch die Landeshauptleute verstehen, die sich in Rom zu Recht dagegen verwehren, dass das Land Südtirol zwei Mal in der gleichen Sachen zur Kasse gebeten wird.

Wenn das durchgeht, sind im Prinzip die Renten aller Staatsbürger in Gefahr.  Dann könnte jeder Gesetzgeber, ob regional oder national, Renten zu jeder Zeit willkürlich kürzen.

Das heißt, Sie wollen die Kürzung der Vorauszahlungen nicht akzetieren?
Viele haben das Geld auch schon investiert. Man musste es schließlich irgendwie anlegen,  bei den heutigen Bankzinsen wäre es der Inflation ausgeliefert. Wir haben diese Vorauszahlung nie begehrt, aber man hat sie aus politischen Gründen akzeptiert, weil wir der eigenen Partei nicht entgegenstehen wollten. Und jetzt ist es die eigene Partei, die mit der Straße heult – auch darüber wird noch ein ernstes Wort zu reden sein.

Sofern das Gesetz so durchgeht, wird es also einen jahrelangen Rechtsstreit geben?
Ich denke, es wird so durchgehen. Die beiden Landeshauptleute haben sich argumentativ so verrannt, dass sie das Gesicht verlieren würden, wenn sie jetzt einen Schritt rückwärts machen würden. Ich kann nur sagen: Man hat es so gewollt, indem man auf das populistisches Ross aufgestiegen ist und sich zum Diener des Straßenmobs gemacht hat. Jetzt wird man sehen, wie ein Rechtsstreit ausgeht.  

Wie viele Altmandatare vertritt die Vereinigung mittlerweile?
Es waren zuletzt 95 von insgesamt über 132 Altmandataren. Doch es werden jeden Tag mehr, gerade wegen dieser Sache kommt es nun laufend zu Neueinschreibungen. Vor allem auf deutscher Seite, aber auch in Trient, wo es von Beginn an mehr Eingeschrieben gab.

Das heißt also, die klare Mehrheit der Altmandatare steht hinter Ihrer Position?
Es war der Auftrag der Vollversammlung, dass wir die ganze Sache verfolgen und logistische Hilfe leisten, falls Rekurse gemacht werden – und das ist wohl unausweichlich. In dem Fall ist keine Sammelklage, sondern sind nur Individualrekurse möglich. Dabei werden wir Hilfestellung leisten, unter anderem mit Vorschlägen für qualifizierte Rechtsanwälte.

Ihre Moral der Geschichte?
Dem Ansehen der Politik hat man in jedem Fall schwer geschadet. Denn man will eine ganze Generation von Politikern, die Generation nach Magnago, praktisch öffentlich moralisch und politisch abqualifizieren. Wer das tut, muss wohl selbst Minderwertigkeitskomplexe haben.