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MERANS ZERREISSPROBE: MEHR ALS SYMBOL

Merans geringe Wahlbeteiligung alarmiert. Der Trikolore-Vorfall um Neo-BM Zeller und Vorgänger Dal Medico legt tiefere Spannungen offen, während der Ruf nach einer Politik der Ideen und des Miteinanders lauter wird.
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Dario Dal Medico, Katharina Zeller
Foto: Tgr Rai Alto Adige
  • Das lähmende Gift der Verdrossenheit

    Die geringe Wahlbeteiligung bei den jüngsten Kommunalwahlen in Meran ist ein deutliches Alarmsignal, das auf eine breitere Vertrauenskrise hindeutet. Viele Bürgerinnen und Bürger scheinen den Glauben an die Gestaltungskraft der Politik und die Verbindlichkeit von Wahlversprechen verloren zu haben. Ein oft genannter Grund ist das wiederkehrende Muster von intensiver Bürgeransprache vor den Wahlen, der dann nicht selten eine Phase der wahrgenommenen politischen Funkstille folgt. Dieses Gefühl, nach dem Urnengang wieder in den Hintergrund zu treten, nährt die Politikverdrossenheit und schwächt das Fundament demokratischer Prozesse.

    Hinzu kommen bisweilen ungünstige Rahmenbedingungen, wie ein Wahltermin, der durch Brückentage die Urlaubsplanung vieler begünstigt und somit potenziell die Wahlbeteiligung drückt. Das Fehlen moderner und flexiblerer Wahlalternativen, wie die intensiv diskutierte Einführung einer digitalen Stimmabgabe oder die Ausweitung der Briefwahlmöglichkeiten auch auf Gemeindeebene, wird zunehmend als Manko empfunden. Es geht darum, die Partizipation an die Lebensrealitäten anzupassen und Hürden abzubauen. Diese Entwicklung ist nicht auf Meran beschränkt, sondern spiegelt eine Herausforderung wider, die in unterschiedlicher Ausprägung in ganz Südtirol und darüber hinaus zu beobachten ist.

  • Die Spirale der Negativkampagnen

    Wahlkämpfe, die primär auf die Diskreditierung des politischen Mitbewerbers statt auf die klare Kommunikation eigener Inhalte und Lösungsansätze setzen, scheinen an Popularität gewonnen zu haben – erweisen sich jedoch oft als Pyrrhussieg für die politische Kultur. Sie mögen kurzfristig Aufmerksamkeit generieren, tragen aber langfristig zur Polarisierung und zum Überdruss bei. Dieses Muster manifestierte sich bereits 2022 auf nationaler Ebene, als der Partito Democratico im Wahlkampf gegen Fratelli d'Italia vorrangig auf Kritik und Warnungen setzte, statt überzeugende Antworten auf drängende Zukunftsfragen zu liefern. Das Ergebnis war eine deutliche Wahlniederlage. Ähnliches wiederholte sich 2023 in Südtirol, als das progressive Lager des Team K seinen Wahlkampf stark auf die Kritik an der SVP fokussierte. Die Botschaft, man solle Team K wählen, um die SVP zu stoppen, überschattete teils die sachpolitischen Stärken der Bewegung und resultierte in einem Ergebnis, das hinter den Erwartungen zurückblieb.

    Und 2025 in Meran? Der mitunter angriffslustig und persönlich geführte Wahlkampf des scheidenden Bürgermeisters Dario Dal Medico mündete ebenfalls nicht in den von ihm erhofften Bürgermeisterposten. Es entsteht der Eindruck, dass ein signifikanter Teil der Wählerschaft solcher Schlammschlachten überdrüssig ist und sich stattdessen eine sachlichere, konstruktivere Auseinandersetzung, klare Visionen und einen respektvolleren Umgang wünscht.

  • Der Trikolore-Eklat: Mehr als nur eine Geste?

    Der Vorfall bei der Amtsübergabe in Meran, als die neu gewählte Bürgermeisterin Katharina Zeller die ihr von ihrem Vorgänger Dario Dal Medico umgelegte Trikolore-Schärpe umgehend wieder abnahm, hat die nationalen Medien erfasst und tieferliegende Spannungen offengelegt. Das Video dieser Szene verbreitete sich rasant in der italienischen Medienlandschaft, wurde von prominenten Portalen wie La Stampa, TGCom24 und Repubblica.it aufgegriffen und löste eine Welle von Kommentaren aus, die von scharfer Kritik bis zu verständnisvollen Reaktionen reichten.

    Zeller selbst stellte in einem Interview mit Giampaolo Visetti (la Repubblica) klar: „Ich habe mir die Schärpe nicht abgenommen, um der Trikolore gegenüber respektlos zu sein. Sie steht für Italien, mein Heimatland.“ In einer späteren Pressekonferenz, gemeinsam mit Antonella Costanzo (Mutiges Merano Corraggiosa), präzisierte sie, dass der Akt des Überstülpens durch Dal Medico, begleitet von der Aussage „devi metterla!“, sich „gegen eine junge Frau richtete – in einem Moment großer Freude und Emotion – in dem sie keinen Druck verspüren wollte.”

    Zeller erklärte weiter, ihre Reaktion sei "instinktiv, menschlich und in keiner Weise politisch oder symbolisch gegen die Trikolore gerichtet" gewesen. Das Insistieren Dal Medicos, ihr die Schärpe anzulegen – abweichend von der lokalen Gepflogenheit, das Medaillon mit dem Stadtwappen als primäres Amtszeichen zu sehen – habe sie in einem bereits angespannten Moment als "Provokation" und "klaren Affront" empfunden. Sie bat um Entschuldigung, falls ihr Verhalten Sensibilitäten verletzt habe, und bekräftigte, die Schärpe bei entsprechenden institutionellen Anlässen mit höchstem Respekt zu tragen. Dal Medico wiederum sah das Tragen der Trikolore als selbstverständlichen Akt für eine Bürgermeisterin der Italienischen Republik. Der Vorfall wurde von vielen Beobachtern als unnötige Zuspitzung und Symbol für fortbestehende getrennte Denkweisen und nationalistisch gefärbte Untertöne interpretiert. 

    Die Szene selbst hinterließ jedoch bei vielen den bitteren Nachgeschmack einer gezielten Inszenierung: Wenn die Maske fällt... Der italienische Ex-Bürgermeister offenbart sein wahres Gesicht. Von Gentleman-Manier keine Spur – oder war sie je vorhanden? Ein Akt, der offenbar reiner Diffamierung und Bloßstellung diente. Womöglich nagte die Wahlniederlage noch immer an ihm. Diese Einschätzung wird durch eine gezielte Überlegung untermauert, die Katharina Zeller selbst in den Raum stellte und die viele Beobachter teilen: Hätte ein männlicher Nachfolger an ihrer Stelle eine ähnlich aufdringliche Behandlung erfahren, hätte der Bürgermeister-Vorgänger es gewagt, einen neuen männlichen Amtskollegen derart physisch anzugehen und öffentlichen Gehorsam für einen quasi Befehl einzufordern? Die Frage steht im Raum, ob hier nicht auch alte, patriarchale Muster zum Vorschein kamen, in denen die Autorität einer jungen, weiblichen Führungskraft subtil oder weniger subtil infrage gestellt wird. Zeller selbst formulierte es so: „Ich habe mich gegen eine provozierende Geste gewehrt, mit der man mich wie ein kleines, unfähiges Mädchen darstellen wollte.“ Hier liegt der Kern der Kritik, die geübt werden sollte. 

    Die Debatte um die Trikolore selbst ist eine andere, wenngleich nach meinem Dafürhalten der Respekt vor dem Symbol der Republik seitens Zellers außer Frage steht; die kritische Betrachtung gilt vielmehr dem vorausgegangenen Akt des Überstülpens. Es ist bedauerlich, wenn solche Momente von politischen Akteuren instrumentalisiert werden, wie etwa durch den AVS-Abgeordneten Angelo Bonelli, der Zellers Geste als "extrem gravierend" und "Akt der Verunglimpfung" bezeichnete und ein Eingreifen des Innenministers forderte, ohne die spezifischen Umstände und lokalen Gepflogenheiten ausreichend zu würdigen.

    Die Republik Italien wird durch ganz andere Szenen und Verhaltensweisen beschädigt: Man denke an die Regierungschefin Giorgia Meloni, die bei offiziellen Staatsbesuchen die Augen verdreht, an Minister, die den römischen Gruß zeigen und mit erklärten Neofaschisten verkehren, an die Tragödien ertrinkender Flüchtlinge und Kinder vor den italienischen Küsten oder die erschreckende Realität, dass durchschnittlich alle 72 Stunden eine Frau ermordet wird. Dies sind die eigentlichen Angriffe auf die Würde und die Werte der Republik, und definitiv nicht die Reaktion von Katharina Zeller, die eine Schärpe abnimmt, nachdem ihr Vorgänger sie ihr – entgegen ihrer Bitte, sie ihr in die Hand zu geben – übergriffig übergestülpt hatte.

    Die 38-jährige Juristin, die als erste Frau direkt in dieses Amt gewählt wurde und mit einer klaren interethnischen Botschaft antrat, unterstützt von deutsch- wie italienischsprachigen Bürger:innen, betonte wiederholt ihr Ziel, die Sprachgruppen zu vereinen. Ihre Reaktion, so erklärte sie auf der Pressekonferenz, sei ein menschlicher, nervöser Ausdruck ihres rebellischen Charakters gewesen, nachdem sie sich von Dal Medico in die Ecke gedrängt und bewusst provoziert gefühlt habe, da er ihr die Schärpe trotz mehrmaliger Bitte, sie ihr in die Hand zu legen, aufzwingen wollte und dies in einem als übergriffig empfundenen Tonfall tat. Sie entschuldigte sich für das entstandene Missverständnis und wies die Darstellung als Anti-Italienerin zurück: „Ich bin das Gegenteil dieser anti-historischen Nostalgie. Ich habe zehn Jahre lang in Rom gelebt und Verwaltungsrecht studiert und fühle mich europäisch, italienisch und südtirolerisch.“ Rückblickend räumte sie ein, emotional gehandelt zu haben („Mit kühlem Kopf würde ich es nicht noch einmal tun“), betonte aber auch, mit Entschlossenheit und Höflichkeit reagiert zu haben, indem sie die Schärpe auf den Tisch legte, nicht aus Verachtung, sondern weil das Stadtwappen in Südtirol dieselbe symbolische Funktion erfülle.

    In der Pressekonferenz verwies Zeller auf die Amtsübergabe des amtierenden Bürgermeisters von Rom, Roberto Gualtieri, die ohne derartige Symbole abgehalten wurde, um zu verdeutlichen, dass es sich bei der Zeremonie in Meran um einen rein symbolischen ersten Akt gehandelt habe. Das eigentliche Zeremoniell sei die feierliche Übergabe mit Eid auf die Verfassung und dem Tragen der Trikolore-Schärpe, Symbole, die sie als Brückenbauerin ehre. Alessandro Urzì, Regionalkoordinator der Fratelli d’Italia, betrachtete den Fall nach Zellers Entschuldigung mit einem „Schleier von Bitterkeit" als abgeschlossen, da das Prinzip des Respekts gegenüber den Symbolen wiederhergestellt sei.

    Der PD-Senator und ehemalige Bozner Bürgermeister Luigi Spagnolli meldete sich zu Wort und versuchte, die Wogen zu glätten. Er bezeichnete Zellers Handlung als "Fehler", der aus Unbedachtheit geschehen sei, ohne jedoch eine absichtliche Respektlosigkeit gegenüber der Trikolore zu unterstellen. Spagnolli erinnerte daran, dass SVP-Bürgermeister traditionell die Amtskette mit dem Gemeindewappen bevorzugten und daher weniger an die Trikolore gewöhnt seien. Er selbst habe als Bürgermeister bei offiziellen Anlässen als Vertreter der Regierung stets die Trikolore getragen, bei lokalen Festen das Medaillon und in Zweifelsfällen beides, ohne dass dies zu Polemiken geführt habe.

  • Es geht hier sicherlich nicht um irgendwelche Feindseligkeiten. Wir alle wissen, dass in Südtirol und damit auch in Meran eine gewisse Sensibilität herrscht.“ 

  • Die Südtiroler Volkspartei (SVP) ihrerseits schaltete sich in die Debatte ein und wies den Vorwurf einer despektierlichen Geste entschieden zurück. Die Parteileitung sprach von dem Versuch einiger, "eine billige Polemik zu konstruieren", und bezeichnete das Überziehen der Trikolore durch Dal Medico als "unüblichen Akt". Zellers Reaktion, die notwendigen Amtsinsignien einstweilen ‚nur‘ entgegenzunehmen, sei korrekt gewesen und werde nun von einigen bewusst als ‚Italiener-feindlicher‘ Akt missverstanden, so die Partei in einer Aussendung. SVP-Obmann Dieter Steger kommentierte die Situation als "schlechten Witz" und unterstrich: "Es geht hier sicherlich nicht um irgendwelche Feindseligkeiten. Wir alle wissen, dass in Südtirol und damit auch in Meran eine gewisse Sensibilität herrscht." Ferner, so die SVP, bestehe keine rechtliche Pflicht, im Zuge einer informalen Schlüsselübergabe die Amtsdevotionalien zu tragen, weshalb Katharina Zeller in diesem Zusammenhang nichts vorzuwerfen sei. Die Mitglieder der Parteileitung, darunter auch langjährige Bürgermeister, bekundeten Zeller geschlossen ihre Solidarität und kündigten an, sich nicht auf "billige Polemiken" einzulassen, sondern den Fokus auf die Bildung einer handlungsfähigen Regierung für Meran zu legen.

  • Gemeinsam Zukunft gestalten: Ideen statt Herkunft, Vielfalt als Stärke

    Der "Fahnenstreit" von Meran hat, wie die oft gehässigen und von Spott nicht freien Kommentare in sozialen Medien offenbarten, alte Wunden aufgerissen und nationalistische Reflexe befeuert. Dal Medicos Aktion wurde von manchen als übergriffig und provozierend wahrgenomme. Die pointierte Bemerkung von Senatorin Julia Unterberger, Dal Medico habe Zeller die Schleife umhängen wollen, "als wenn sie gerade Miss Meran(o) geworden wäre", verdeutlicht die kritische Lesart dieser Geste.

    Die Debatte wurde durch die Solidaritätsbekundung des Südtiroler Schützenbundes für Zeller weiter angereichert. Landeskommandant Christoph Schmid argumentierte, nicht das Tragen der Trikolore an sich, sondern die Art des Auferlegens durch Dal Medico habe Zellers Reaktion provoziert. Er verwies auf die Rechtslage in Südtirol (Landesgesetz vom 23. Oktober 1998, Nr. 10, Artikel 4, welcher Artikel 7 des Landesgesetzes vom 12. Juli 1984, Nr. 12/L ersetzt), wonach das Medaillon, die Amtskette, das offizielle Abzeichen des Bürgermeisters sei. Der Schützenbund appellierte, dieses Symbol der Autonomie selbstbewusst zu verwenden.

    Die teilweise extrem unsachlichen und von Unkenntnis der lokalen Gegebenheiten zeugenden Kommentare, die insbesondere in nationalen Nachrichtenportalen und diversen Online-Plattformen kursierten, ließen dabei ein besorgniserregendes Maß an Desinformation und Vorurteilen gegenüber Südtirol erkennen. Manch ein Kommentar ließ jegliche Differenzierung vermissen und driftete in stark nationalistische, teils sogar faschistoide Rhetorik ab – Tendenzen, die in einer aufgeklärten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts keinen Platz haben dürften und lediglich Hass und Spaltung schüren. Solche Reaktionen unterstreichen, wie wichtig ein fundiertes Wissen um die komplexe Geschichte und die spezifische Autonomiesituation Südtirols wäre, um Missverständnisse zu vermeiden und einen konstruktiven Dialog zu ermöglichen. Ein Politiker, der die Geschicke einer Region oder Stadt lenken will, täte generell gut daran, sich intensiv mit der lokalen Geschichte auseinandergesetzt zu haben, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft sensibel gestalten zu können.

    Diese Episode unterstreicht, wie schnell symbolische Handlungen die politische Sacharbeit überlagern und Instrumentalisierungspotenzial entfalten können. Die Herausforderung für eine reife politische Kultur liegt darin, solche Gräben nicht zu vertiefen, sondern durch sachliche Aufarbeitung und Dialog Brücken zu bauen. Katharina Zeller äußerte nach ihrem Wahlsieg die Hoffnung, "dass die ethnische Teilung in Meran kein Thema mehr ist", und sah dies durch das Wahlergebnis, das eine breite, auch italienischsprachige Unterstützung für ihr Projekt gezeigt habe, bestätigt. "Wir machen uns sofort an die Arbeit", kündigte Zeller an, und erklärte, umgehend mit Konsultationen mit allen im Gemeinderat vertretenen Kräften beginnen zu wollen, um schnell eine handlungsfähige Stadtregierung für die wichtigsten Projekte zu bilden.

  • Den BürgerInnen eine Stimme geben – dauerhaft

    Um der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken, braucht es mehr als Wahlversprechen. Eine konstante Einbindung der Bevölkerung in politische Debatten und Entscheidungsprozesse ist unerlässlich. Die Politik ist heute oft von Skandalen und negativen Schlagzeilen geprägt, von einem Opportunismus, der das Vertrauen untergräbt. Eine zentrale Herausforderung für die gelebte Demokratie besteht darin, die politische Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten und mögliche Hürden abzubauen. Faktoren wie beispielsweise Informationsdefizite über politische Prozesse, Sprachbarrieren, eine geringere Vertrautheit mit dem politischen System oder das Gefühl, von den etablierten Parteien nicht ausreichend repräsentiert zu werden, können die aktive Teilnahme am Wahlgeschehen erschweren. Dazu können auch ein mangelndes Bewusstsein für den Wert der eigenen Stimme, eine gefühlte Distanz zum politischen Geschehen oder schlichtweg Bequemlichkeit beitragen. Speziell in Italien, und somit auch in Südtirol, stellt die Notwendigkeit für EU-Bürgerinnen und -Bürger, sich für die Teilnahme an Kommunalwahlen aktiv in die Wählerlisten eintragen zu lassen, eine bekannte strukturelle Hürde dar, die erfahrungsgemäß nicht von allen Wahlberechtigten gleichermaßen wahrgenommen wird. Unabhängig von den individuellen Gründen ist es für das Funktionieren der Demokratie wesentlich, dass möglichst alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger erreicht und zur Stimmabgabe motiviert werden. Hier sind proaktive Maßnahmen zur Inklusion, Information und Erleichterung der Partizipation gefragt. Die Politik muss wieder als ein Dienst an der Gemeinschaft verstanden werden, der auf Transparenz, Glaubwürdigkeit und dem ehrlichen Bemühen um Lösungen basiert.

  • Ein Plädoyer für eine Politik der Ideen

    Die jüngsten Ereignisse und die tiefere Analyse der Politikverdrossenheit lassen einen klaren Wunsch erkennen: Es ist höchste Zeit für eine Politik, die Gräben überwindet statt sie zu vertiefen. Wir brauchen einen politischen Diskurs, in dem die Qualität einer Idee und ihr Nutzen für die gesamte Gemeinschaft im Vordergrund stehen – nicht die Sprache, die Herkunft oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Eine wahrhaft progressive Politik muss inklusiv sein und das "Wir" betonen. Sie erkennt an, dass in einer vielfältigen Gesellschaft wie der unseren die besten Lösungen oft aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Perspektiven entstehen. Klare politische Zeichen wären beispielsweise die konsequente Förderung von interkulturellen Projekten, die Stärkung von Bürgerbeteiligungsmodellen, die über Sprachgrenzen hinweg funktionieren, und eine politische Kommunikation, die auf Respekt, Sachlichkeit und dem Willen zur Verständigung basiert. Umso wichtiger erscheint es in diesen polarisierten Zeiten, sich nicht von extremen linken oder rechten Strömungen vereinnahmen zu lassen, sondern einen pragmatischen und lösungsorientierten Weg der politischen Mitte zu beschreiten, der das Wohl aller im Blick hat. Es geht darum, eine Kultur des Miteinanders zu schaffen, in der nicht gefragt wird, wer eine Idee hat, sondern was diese Idee für alle bewirken kann. Das wäre ein starkes Signal gegen die Verdrossenheit und ein echter Schritt in eine gemeinsame Zukunft.

  • Gemeinsam Zukunft gestalten: Ideen statt Herkunft

    In einer Gesellschaft, die immer bunter, gemischter, vielschichtiger und vielfältiger wird, darf die politische Auseinandersetzung nicht von Herkunft, Sprache oder ethnischen Zuschreibungen dominiert werden. Solche Fixierungen führen in Sackgassen und verhindern die gemeinsame Bewältigung drängender Zukunftsaufgaben. Südtirol steht, wie viele andere Regionen Europas, vor komplexen Herausforderungen – vom demografischen Wandel über den Klimawandel bis hin zur Sicherung des sozialen Friedens und wirtschaftlicher Prosperität.

    Es ist an der Zeit, den Fokus konsequent auf Ideen, innovative Konzepte und tragfähige Visionen zu legen, die das Land und seine Städte voranbringen. Entscheidend sollte sein: Wer hat die besten Antworten auf die Fragen der Zukunft? Wer kann Brücken zwischen unterschiedlichen Lebenswelten und Kulturen bauen? Eine progressive, zukunftsorientierte Politik muss das Gemeinsame betonen, Trennendes überwinden und den Mut haben, verkrustete Denkmuster aufzubrechen. Auch die Freiheitlichen gratulierten der neuen Bürgermeisterin und verbanden dies mit der Hoffnung auf einen politischen Stil, "der zuhört, handelt und die Bürgerinnen und Bürger von Meran wieder in den Mittelpunkt stellt."

    Nur wenn es gelingt, die vorhandene Vielfalt als Stärke zu begreifen, einen respektvollen und sachlichen Diskurs zu pflegen und alle Bürgerinnen und Bürger in ihrer Unterschiedlichkeit wertzuschätzen und einzubinden, kann Südtirol sein volles Potenzial entfalten und eine lebenswerte Zukunft für alle gestalten.

  • Foto: DO/SALTO