Kultur | Tourismus

Bedrohte Idylle

Ein Radio-Feature von „Deutschlandfunk“ zu Südtirol untersucht den Übertourismus. Eine darin gestellte Anfrage an die Landesregierung blieb leider unbeantwortet. Hoppla.
Massentourismus
Foto: Seehauserfoto
  • „Das heißt, wir kommen eigentlich dann wieder zu dem Tourismus, so wie er früher lange Zeit war – ein Ding für die Reichen“, ist das kesse und krasse Resümee der Reportage Wenn die Besucher die Idylle bedrohen. Autor David Ehl und Autorin Katharina Peetz haben ihren Audio-Streifzug für den Sender Deutschlandfunk gestaltet. Gesendet vor wenigen Tagen, ist er inzwischen als Podcast abrufbar und offenbart den Hörerinnen und Hörern des bekannten Kanals kaum fremdenverkehrsfreundliche Einblicke in das kleine Land südlich des Brenners. Tenor der Sendung: es reicht!

  • Bitte lächeln: Fototourismus am Hotspot. Tourismus um jeden Preis? Foto: salto.bz

    Peetz und Ehl machen sich zunächst auf zum Pragser Wildsee. „Doch an einem sonnigen Sommertag wie diesem ist von der Entrücktheit des Hochgebirges nichts zu spüren“, heißt es, denn „die Schönheit Südtirols ist schon lange kein Geheimtipp mehr.“ Vorgerechnet werden dann die 5,4 Millionen Touristinnen und Touristen, die mittlerweile Natur und die Menschen vor Ort zu sehr belasten, da „Autos, Wohnmobile, Motorräder und Reisebusse, auf Tal- und Passstraßen für Dauerstau, Abgase und Lärmbelastung sorgen.“ Im ersten Interview der Reportage heißt es dann auch gleich: „Ich glaube, wir sind irgendwann alle Verlierer, weil die Landschaft hier ist endlich, die Ressourcen sind endlich, und wir sind gerade dabei, unser eigenes Land komplett zu zerstören.“ 
    Die prekäre Situation am Bergsee im Pustertal, der durch den TV-Förster Terence Hill in der Serie Un passo dal cielo zunächst im italienischen Raum große Bekanntheit erlangte, ist inzwischen mehr als bekannt. Ein seit zwei Jahrzehnten tätiger Parkplatzwächter gibt Auskunft und ungeschminkten Einblick in seine Tätigkeit. Außerdem erfährt man von Touristinnen und Touristen, die (quasi) gratis mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, von einem After-Wedding-Shooting, bei dem ein Paar extra aus Niederbayern bis zum Wildsee nach Prags fährt, oder von einer Souvenir-Verkäuferin über ihren Verkaufsrenner – kleine, rundliche Zwerge, die als Türstopper funktionieren. Wo aber bleiben die Tourismus-Stopper?
     

    Seine Aussage klingt nach ordentlichem Fremdschämen: in Richtung Politik, die den Kopf – im übertragenen Sinn – nicht in den Sand, sondern direkt in den Rosengarten steckt.

  • Verkehrsberuhigte Alm: Auf ins UNESCO Welterbe, zur der größten Hochalm Europas. Die Idylle ist dahin. Foto: Seehauserfoto

    Dann geht es nach Seis, „zur Seiser Alm, der größten Hochalm Europas“ – ein „Superlativ und Magnet für viele Touristinnen und Touristen.“ Gesprächspartner ist Thomas Zelger, Präsident der Berg-, Ski- und Wanderführer. Obwohl er in der Nähe wohnt ist er nur noch selten auf der Alm unterwegs. Von verstopften Talstraßen, vollen Pässen, überfüllten Wegen oder Hütten oder touristischen Helikopter(aus)flügen hat er die Nase voll. Für ihn nehme der Tourismus in Südtirol immer problematischere Formen an. Zum Beispiel beobachte er, „dass eher die Nachfrage nach Luxus als nach Bergtouren“ steige und die „Bergsteiger eigentlich verdrängt werden.“ Das sei „praktisch wie im Klimawandel, wo gewisse Pflanzen nach oben wandern. Und die einheimischen Pflanzen, die werden dann praktisch ausgerottet.“ Der eigentliche Tourist, der eigentliche Bergsteiger, werde „an den Rand gedrängt. Es kommt eine Klientel nach, die zwar viel Geld hat, aber keine Bildung, was Berge betrifft.“
    Ausführlich erklärt Thomas Zelger den Verantwortlichen der Gestaltung der Sendung das Phänomen touristischer Ausbeutung anhand der Santnerpasshütte, die „unter großem Protest“ und nach einem mehr als denkwürdigen Grundstücksverkauf wie ein Fremdkörper auf 2700 m Höhe Besucherinnen und Besucher anlockt. Zelger habe „sich geschworen“, so merkt er in der Südtirol-Reportage an, „die Hütte niemals zu betreten.“ Er sage das auch seinen Kunden: „Ich gehe in die Hütte nicht rein. Ihr könnt von mir aus reingehen, ich warte weit davon weg.“  Seine Aussage klingt nach ordentlichem Fremdschämen: in Richtung Politik, die den Kopf – im übertragenen Sinn – nicht in den Sand, sondern direkt in den Rosengarten steckt. Um die Pseudo-Cabrio-Seilbahn zum Cyprianerhof geht es im Feature nicht. Dieses Thema hätte wohl restlos den Rahmen touristischen Irrsinns und seiner stets auf Freundlichkeit bedachten „Umgarner“ aus Südtirol gesprengt.

  • Willkommen in der neuen "Hütte": „Ich gehe in die Hütte nicht rein. Ihr könnt von mir aus reingehen“, sagt Thomas Zelger. Foto: Stefano Nicolini/Facebook
  • Die Verantwortung für die aktuelle Situation liegt bei (IDM, HGV und natürlich) der Politik. Die verweigert jedoch eine Stellungnahme. „Unsere Anfragen bei der Landesregierung bleiben unbeantwortet“, vermerken David Ehl und Katharina Peetz. Dabei ist das Land Südtirol nicht zimperlich, wenn es darum geht, viel und teure Werbung in bundesdeutschen Medien zu schalten. Für noch mehr Tourismus. Wenn dann aber einmal eine Anfrage zu einer objektiven Tourismus-Berichterstattung eintrudelt, um den Blick von außen einzufangen und innere Missstände aufzuzeigen, herrscht Schweigen im Walde. 
     

    Wie katastrophal die Situation in anderen supertouristischen Gegenden Südtirols ist, erfahren die aufmerksamen Zuhörer und Zuhörerinnen nicht


    Nicht aber bei Tourismus-Fachfrau Sara Dejakum, die für Tourismus zuständige SVP-Stadträtin von Brixen. Sie sieht den Über-Tourismus gelassener – auch wenn sie vom Deutschlandfunk mit dem Vorwurf konfrontiert wird, dass in Südtirol die Politik der Tourismuslobby gegenüber zu freundlich sei. „Finde ich jetzt eigentlich nicht“, kontert sie leicht verunsichert mit einem Allgemeinplatz: „Ich finde, die Politik hat die Chance, die Leitplanken zu setzen und hat auch die Chance, gerade in einer mehrheitlich geführten Gemeinde wie es die Brixner Gemeinde ist, auch mit dem Unternehmer in den richtigen Kontakt zu treten.“ Auch bei einem weiteren Kritikpunkt versucht die Brixnerin zu entkräften – wenn es nämlich darum geht, ob Brixen das so flotte Dolomites-Logo führen dürfe oder nicht. 
    Doch wirklich dagegenhalten kann Dejakum nicht. Auch nicht, wenn sie auf die touristische Verkehrsbelastung angesprochen wird. Vom Heller'schen Hofburggarten ist gar nicht die Rede. Besser so. Nach weiteren Stimmen und Ausflügen zu touristischen Hotspots in Südtirol belassen es Radiomacherin und Radiomacher dabei. Zu viel wäre wohl zu viel. Wie katastrophal die Situation in anderen supertouristischen Gegenden Südtirols ist, erfahren die aufmerksamen Zuhörer und Zuhörerinnen nicht – vielleicht aber in einer der nächsten Deutschlandfunk-Reportagen über Südtirol. Und dann hoffentlich mit einer einigermaßen nachvollziehbaren Stellungnahme der Landesregierung abseits von rosarotem (Sonnen)-Brillengeschwafel. Nur Mut. 

  • Zwischen Bergidyll und Bettenstopp. Wie viel Tourismus verträgt Südtirol. Hier geht es zur Deutschlandfunk-Sendung.

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Hansi Kafmann Mo., 21.07.2025 - 16:23

E ist lobenswert dass der südtiroler Präsident der Berg und Skiführer den Mut hat zu sagen wie er es sieht. Das ist in einem Land wie Südtirol welches den Stoff für die nächste Folge der "Touristen-Saga" (nicht mehr Pifke Saga) hätte nicht ganz selbstverständlich. Zu vielen Einheimischen fehlt noch der Mut zu sagen dass es langsam genug ist. Es werden aber immer mehr und das ist gut so.

Mo., 21.07.2025 - 16:23 Permalink