Flughafen, quo vadis?
135 Seiten plus Anhang ist das Strategische Entwicklungskonzept samt Businessplan stark, das für den Bozner Flughafen ausgearbeitet und am Dienstag Nachmittag dem Südtiroler Landtag präsentiert wurde. “Uns war es wichtig, von Anfang an alle Zahlen klar und transparent auf den Tisch zu legen”, erklärte Landeshauptmann Arno Kompatscher im Anschluss an die Anhörung. Und an das Versprechen hat man sich gehalten. Zahlen gibt es im Konzept zuhauf. Zu erwarteten Einnahmen, Ausgaben, Passagieraufkommen, Flugverkehr kommen jede Menge technische Details. Mit der Ausarbeitung des Businessplan beauftragt war die Wiener Beratungsagentur Airport Consulting Vienna GmbH. Deren Managing Director Johann Frank war dann auch am Nachmittag im Landtag anwesend und stand den Abgeordneten Rede und Antwort. “Insgesamt beruht mein Konzept auf sehr vorsichtigen Annahmen, sodass das Ergebnis nicht sehr attraktiv erscheint”, erklärte Frank. Nichtsdestotrotz gebe es aber realistische Varianten, die positive Entwicklungen mit einberechnen.
Auf Empfehlung ausbauen
Um diese bestmöglichst zu nutzen, gibt er den Boznern einige Empfehlungen mit auf den Weg: “Ein absolutes Muss ist die Pistenverlängerung auf 1.462 Meter”, ist eine davon. Diese sei Voraussetzung für einen funktionierenden Regionalflughafen, aus wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Gründen, so Frank. Weiters empfiehlt er, vor allem in die Vermarktung sowie die Kooperation mit SMG, Reiseveranstaltern und Airlines zu investieren. “Ein Manko bisher”, unterstrich Otmar Michaeler vom Flughafenbetreiber ABD. Auch die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz sei dringend nötig. Und nicht zuletzt sei ein intensives Lobbying mit den italienischen Luftfahrtbehörden Enac und Enav zu pflegen, um das Anflugverfahren zu verbessern und die Tarife besser regulieren zu können.
Einige Zahlen aus dem Businessplan:
- Einzugsgebiet der Region Südtirol: eine knappe Million Einwohner
- Maximal mögliche Anzahl an Flugbewegungen: 21.000 im Jahr (2014 waren es 12.000)
- Angepeilte Passagierzahl ab 2017: 170.000/Jahr (zu den “besten Zeiten” des Flughafens erreichte Passagierzahl war 80.000/Jahr)
- Passagierzahl, bei der sich ein Regionalflughafen selbst trägt: 450.000/Jahr (mittelfristig 400.000 Fluggäste “realistisches Ziel”)
- Anteil der Schadstoffbelastung an der Gesamtbelastung in Bozen: 0,5 Prozent (mit Ausnahme der Kohlenmonoxidwerte)
Mehr oder weniger gut vorbereitet stellten die Landtagsabgeordneten ihre Fragen an Kompatscher, Frank und Michaeler. Bedenken ob der Lärm- und Schadstoffbelastung (Kompatscher versprach, alle Umweltprüfungen vornehmen zu wollen) wurden ebenso angesprochen wie jene zur Sinnhaftigkeit und Rentabilität des Flughafens insgesamt. Immer wieder tauchte die Überlegung auf, ob nicht eine bessere Anbindung nach Verona und Innsbruck sinnvoller wäre als der Ausbau des hiesigen Flughafens. Doch diese Option ist keine, geht es nach Landeshauptmann und ABD-Präsident. “Wer nach Tirol will, will möglichst nahe am Ziel landen, und dasselbe gilt für Südtirol”, betonte Michaeler. “Eine zunehmend arbeitsteilige Gesellschaft verlangt nach stärkerer Vernetzung und langfristig muss man über die Binnennachfrage hinaus gehen”, so die Überzeugung von Kompatscher. “Einen funktionierenden Flughafen hat es bisher in Südtirol nicht gegeben. Und wenn in Zukunft bestimmte Ziele erreicht werden, wird der Flughafen einen Mehrwert für das Land erbringen”, unterstrich der Landeshauptmann.
Ziele und eine Bitte
Auf den Plan aufbauend hat die Landesregierung bereits einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, über den nach der Volksbefragung im kommenden Frühjahr der Landtag abstimmen soll – falls die Befragung positiv ausgeht. Der sechs Artikel umfassende Entwurf greift die Empfehlungen der Airport Consulting Vienna auf und legt zusammengefasst folgende Bestimmungen fest:
- Art. 1: Der Flughafen ist eine Einrichtung von öffentlichem Interesse.
- Art. 2: Ab 1. Jänner 2017 soll eine Mindestzahl von 170.000 Fluggästen pro Jahr erreicht werden. Der Flughafen darf die ENAC-Kategorie 2C nicht übersteigen, sprich, die Landebahn darf auf nicht mehr als 1.462 Meter verlängert werden.
- Art. 3: Ab 2017 stellt das Land jährlich 2,5 Millionen Euro, ab 2022 maximal 1,5 Millionen Euro an öffentlichen Geldern zur Verfügung.
- Art. 4: Falls die Mindestzahl von 170.000 Passagieren nicht erreicht wird, wird die öffentliche Finanzierung eingestellt.
- Art. 5: Ausgaben fallen frühestens ab dem Haushaltsjahr 2016 an.
- Art. 6: Nach positiver Überprüfung durch die Europäische Kommission tritt das Gesetz mit dem Tag der Veröffentlichung im Amtsblatt der Region Trentino-Südtirol in Kraft.
“Es wird klar festgehalten, dass es kein bedingungsloses Ja zum Flughafen geben wird”, stellte Landeshauptmann Kompatscher klar. Nur wenn auch die Bevölkerung “Ja“ sage, werde man sich an die Umsetzung des Businessplans machen. Seine Bitte an den versammelten Landtag: dazu beitragen, dass es in dieser Frage eine echte Bürgerbeteiligung gebe. Die Opposition zeigt sich erwartungsgemäß skeptisch. “Das neue Entwicklungskonzept überzeugt uns nicht”, meint etwa Paul Köllensperger von der 5 Sterne Bewegung. Er habe vor allem Zweifel an der öffentlichen Finanzierung des Flughafens. “Wir geben das Geld lieber für wichtigere Bereiche aus”, so Köllensperger. Auch Hans Heiss erinnert an die 120 Millionen Euro, die für den Flughafen bisher in den Sand gesetzt worden seien. “Die Skepsis in der Bevölkerung ist somit verständlich”, so der Grüne Landtagsvertreter. “Nein zu einer weiteren Geldverschwendung” sagt auch Andreas Pöder. Die Replik des Landeshauptmanns: “Natürlich ist ein Risiko dabei, wenn die öffentliche Hand Beiträge leistet. Aber wenn man jetzt schon aufhört, dann ist auch das bisher ausgegebene Geld weg.”
Allen worst-case–best-case-Szenarien, Businessplänen und Interessen zum Trotz betont Arno Kompatscher wiederholt, dass er neben der Offenlegung aller Zahlen ein weiteres Versprechen einlösen will: “Wir werden die Bürger fragen, ob sie diesen Flughafen wollen.” Ein Ja würde eine Zustimmung zum präsentierten Konzept und zu den im Landesgesetzentwurf festgehaltenen Bedingungen bedeuten. Ein Nein hingegen sei “als klarer Auftrag, dieses Projekt nicht weiterzuführen und logischerweise sich auch von der Flughafengesellschaft zu trennen” zu sehen, so der Landeshauptmann. Wenn diese dann keinen Käufer finde, müsse sie liquidiert werden. Somit präsentierte Kompatscher zum ersten Mal überhaupt ein konkretes Ausstiegszenario für den Flughafen. Dieses ist auch im Businessplan festgehalten. Damit die Bürger sich einen Einblick verschaffen können, wozu sie “Ja” oder “Nein” sagen, hier sämtliche Details (Gesetzentwurf, Entwicklungskonzept mit Businessplan, Investitionsplan, mögliche Flugplanentwicklung) darüber, wie man sich die Zukunft des Bozner Flughafens vorstellt: anders als die Vergangenheit.