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Kurz zu einem Südtiroler Gründungsmythos

Kurze Überlegungen zu einem Gründungsmythos des modernen Südtirol, ausgehend von der heutigen "Pro und Contra"-Sendung und einer Aussage des Historikers Hannes Obermair.
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Meiner Meinung hat Herr Felix von Wohlgemuth von den Grünen in der heutigen "Pro & Contra" - Sendung mit dem Titel "Wie sinnvoll ist Südtirols Corona - Sonderweg?" den Herrn Landesrat Arnold Schuler argumentativ weitgehend in den Schatten gestellt. Aber das ist natürlich Ansichtssache. Interessant fand ich die - bewusst oder unbewusst - sehr scharf platzierte Frage des Moderators Herr Siegfried Kollmann, welche - sinngemäß - lautete ob Von Wohlgemuth nun ein Freund der Autonomie Südtirols sei oder nicht. Die Antwort des Grünen Co-Vorsitzenden fand ich klug.

Ich möchte an diesem Punkt der Sendung anknüpfen, weil man von dort aus auf einen Mythos des modernen Südtirols zurückkommen kann (damit meine ich das Südtirol, das sich ab dem 20. Jh. entwickelt hat): die Vorstellung des "bösen Italiens" und des "guten Österreichs" (Das "gute Österreich" ich auch noch ein lebendiger Teil dieses Mythos, wenngleich es in den letzten zwei-drei Jahrzehnten eher stark an Anziehungskraft verloren hat). 

Kommen wir kurz auf Kollmanns Frage zurück, welche tiefschürfend ist - bist du, Von Wohlgemuth, der du den Südtiroler Corona-"Sonderweg" (eigene Gesetze zum Thema Corona, in Abweichung zu den Gesetzen des Italienischen Staates) kritisierst, nun auf der Seite der Autonomie bzw. Südtirols, oder etwa auf jener Italiens, dem Verüber des großen Historischen Unrechts, bzw. dem "bösen, fremden Staates"?

Ohne mich hier zu einem Historiker aufschwingen zu wollen, der ich nicht bin, ist es klar, dass Südtirol durch Italien längere Zeit viel Unrecht erlitten hat (dann jedoch zunehmend viel Gewinn daraus gezogen hat, aber das ist eine anderes Thema), begonnen vom "großen Trauma" der Aufsplitterung von Alttirol und der Eingliederung in das Italienische Staatsgebiet; ebenso stellte der Österreichische Staat ein "Sehnsuchts- und Rettungsbild" dar und war auch bei der realen Verwirklichung und Konsolidierung der Autonomie Südtirols von (großer) Hilfe. Daraus hat sich ein - gemeinschafts- und sinnstifter - Mythos vom "bösen Italien" und vom "guten Österreich" entwickelt, ein Mythos, den man - und hier bringe ich diesen kurzen Text auf den Punkt - angesichts der Präzisierung des Historikers Hannes Obermair jedoch ein wenig in Frage stellen und teilweise revidieren sollte. Obermair behauptete vor einigen Tagen - angesichts des Gedenktages zum hundertsten Jahrestag des Friedensvertrages von St. Germain - dass es ja eigentlich die Habsburger Monarchie gewesen war, die den Ersten Weltkrieg - und somit das lange nachwirkende Leid Südtirols - losgetreten hatte. Sicherlich wurde Wien durch die Ermordung ihres Thronfolgers in Sarajewo provoziert - aber hat das die Kriegserklärung gerechtfertigt?

Ich habe - in meiner geringen Erfahrung als "historischer Laie" - noch nie bzw. kaum davon gehört, dass jemand (der publiziert wurde) der alten Donaumonarchie und / oder seiner damaligen "Führungsriege" - etwas an Mitverantwortung für die negativen Aspekte des Schicksals Südtirols im bzw. ab dem 20. Jahrhundert angekreidet hätte. Klar ist: ich will hier weder die Verantwortung und die negativen Taten des damaligen Italiens relativieren oder schönreden, noch dem (wichtigen) positiven Beitrag Österreichs für die Entwicklung unseres Landes schmälern oder gar abstreiten.

Wir leben in einem schönen, reichen, modernen Land; in einem Land, dass trotz seiner Probleme und Herausforderungen (z.B. hohe Lebenshaltungskosten, Übertourismus und Überverkehr) in mehrerlei Hinsicht vorbildlich und beispielhaft ist - was z.B. seine Autonomie anbelangt, oder auch im Sport und in der Wirtschaft.

Wieso also nicht - im Sinne eines aufgeklärten, nüchternen, differenzierenden Bewusstseins - den Südtiroler Gründungsmythos vom "guten Österreich und dem schlechten Italien" - historisch gesehen - ein wenig umwandeln?