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Steuern und Steuergerechtigkeit

Die Medien und die Politiker beschreiben Italien als ein von Steuern geplagtes Land. Eine Studie von Alberto Brambilla zeigt allerdings ein anderes Bild.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Fabio Petrini

Eine Studie des Studienzentrums von Alberto Brambilla, der die Daten des MEF und der Agentur für Einnahmen über das Einkommen der Italiener im Jahr 2018 zugrunde liegen, kommt zum Schluss, dass Italien ein Land ist, in dem Schilderung und Wahrnehmung mehr zählen, als Fakten und Zahlen.

So waren 2018 in Italien von 60.359.546 Einwohner 41.372.851 steuerpflichtig. Die Steuerzahler, die mindestens 1 Euro an IRPEF verrichteten, waren hingegen 31.155.444. Dies bedeutet, dass fast die Hälfte der Italiener, 29,204 Millionen oder 48,38%, kein Einkommen haben

Italien wäre demzufolge ein armes Land und sicherlich nicht ein Mitglied der G7. Betrachtet man den Konsum und die Ausgaben für bestimmte Güter (Telefon, Alkohol, Tabak, Glücksspiel, usw.) kann man in der Tat wohl eher auf eine diffuse Steuerhinterziehung schließen, die in Italien nie effektiv bekämpft wurde.

In den letzten 5 Jahren ist die Zahl der Steuerzahler, die deklarierten Einnahmen und auch der Gesamtbetrag der bezahlten IRPEF gestiegen, obwohl sowohl das BIP-Wachstums, als auch die nationalen Steuersätze und die regionalen und kommunalen Zuschläge, fast unverändert geblieben sind. Trotzdem bleibt der Prozentsatz der Steuerzahler fast unverändert.

Darüber muss man sich natürlich im Zuge einer Steuerreform Gedanken machen. Tatsächlich zahlen 13,07% der Steuerzahler mit einem Einkommen von 35 Tausend Euro und mehr circa 58,95% der IRPEF. Dies rechtfertigt sicherlich nicht das Bild eines Volkes, das von Steuern erdrückt wird, wie Politik und Medien oftmals behaupten. Wohl aber kann von einer ungerechten Verteilung der Steuerlast gesprochen werden.

Die Zahlen lassen diesbezüglich reichlich Spielraum für eine unterschiedliche Interpretation der Sachlage.

So sind die Steuerzahler der ersten beiden Einkommensklassen (bis zu 7.500 und von 7.500 Euro bis 15.000 Euro) 18.156.997 oder ungefähr 44%. Ihr Beitrag zur gesamten IRPEF beträgt ganze 2,42% oder umgerechnet, unter Berücksichtigung der Abzüge, durchschnittlich etwa 156,7 Euro pro Jahr. Auch dürften hier weniger Sozialversicherungsbeiträge anfallen und man kann davon ausgehen, dass sie als zukünftige Rentner von der Allgemeinheit unterstützt werden müssen.

Zwischen 15.000 und 20.000 Euro an deklariertem Bruttoeinkommens bewegen sich 5,724 Millionen Steuerzahler, die eine durchschnittliche jährliche Steuer von 1.966 Euro zahlen. Statistisch reicht dieser Betrag kaum aus, um die Pro-Kopf-Kosten der Gesundheitsversorgung (etwa 1.886 Euro) abzudecken.

Die ersten 3 Einkommensgruppen zahlen beispielsweise insgesamt etwa 15,4 Milliarden, erhalten aber 50 Milliarden allein für die Gesundheitsversorgung. Die Rechnung ist natürlich grob vereinfacht, denn auch diese Personen bezahlen indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer und die Verbrauchersteuern. Natürlich müsste man aber neben der Gesundheitsversorgung auch andere Staatsausgaben in Betracht ziehen, wie die Infrastrukturen, die Bildung oder die Pflege.

Betrachtet man die IRPEF-Einnahmen abzüglich des Renzi-Bonus, die sich für 2018 auf 171,63 Milliarden Euro belaufen, aufgeteilt zwischen dem normalen IRPEF (89,93% der Gesamtsumme), den regionalen Zuschlägen (7,17% der Gesamtsumme) und den kommunalen Zuschlägen, so wird der größte Teil der Steuern von Steuerzahlern mit Einnahmen ab 35 Tausend Euro getragen.

Italienweit erklären 40.880 Personen (0,10%) mehr als 300.000 Euro und zahlen 6,05% der Gesamtsteuer, 0,14% der Steuerzahler erklären zwischen 200.000 und 300.000 Euro und zahlen 3,06% der gesamten IRPEF und 1,22% haben ein Bruttoeinkommen von über 100.000 Euro und tragen 19,80% zur Einkommenssteuer bei. Berücksichtigt man auch die Bruttoeinkommen von 55.000 bis 100.000 Euro, stellt sich heraus, dass 4,63% der Steuerzahler 37,57% der gesamten Steuer zahlen.

Weitet man die Rechnung auf die Einkommensklassen zwischen 35.000 und 55.000 aus, so sieht man, dass 13,07% der Steuerzahler 58,95% der IRPEF bezahlen. Rechnet man letztendlich auch die Einkommen ab 20 bis 35 Tausend Euro mit hinein, bezahlen 42% der Steuerzahler fast 91% der gesamten IRPEF, während die restlichen 58% nur 8,98% zahlen.

Jeder kann sich angesichts dieser Daten sein ein eigenes Urteil bilden. Es ist aber kein Geheimnis, dass ein Großteil der 42% die ihre Pflicht gesetzeskonform verrichten, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit einer Quellensteuer sind. Wer mehr als 35.000 Euro erklärt, kommt zudem meist nicht einmal in den Genuss einiger Erleichterungen bei den öffentlich erbrachten Leistungen.

Niemand will das System der Progressivität der Steuern in Frage stellen. Auch steht die Solidarität in der Gesellschaft nicht auf dem Prüfstand. Es braucht aber mehr Steuergerechtigkeit. Es ist schwer zu glauben, dass mehr als die Hälfte des Landes tatsächlich mit den angegebenen niedrigen Einkommen leben kann.

Deshalb wäre es an der Zeit, eine Steuerpolitik einzuführen, die Transparenz und mehr Gerechtigkeit garantiert, anstatt demagogischer Vorschläge zu bringen, die oft nur darauf abzielen, Wählerstimmen zu gewinnen. Dies wäre auch die beste Barriere gegen den sozialen Neid.

Heute tragen jene, die an der Quelle besteuert werden, die Hauptlast. In den anderen Bereichen gibt es eine Unmenge an Schlupflöchern, um die Steuern zu umgehen. Das Fehlen von Kontrollen und die Komplexität des Systems, das sogar die Eintreibung der hinterzogenen Steuern erschwert, bewirken eine doppelte Ungerechtigkeit: kaum Steuerabgaben und gleichzeitig Vorteile bei den staatlichen Leistungen.

Eine Steuerreform muss vorrangig der Steuerflucht mit geeigneten Mitteln den Kampf ansagen. Bereits dadurch würde sich die Berechnungsgrundlage der Steuer ausweiten. Es braucht aber auch andere Maßnahmen, wie die z.B. die Durchforstung der Abschreibungsmöglichkeiten. Systematische Kontrollen und die Gewissheit, im Falle von Hinterziehung zur Kasse gebeten zu werden.

Gemeinsam mit einer höheren Bemessungsgrundlage wären diese Maßnahmen eine Voraussetzung für eine gerechtere Umverteilung der Steuerlast. Dadurch würden die Einkommen vieler Familien, die im Vergleich zum europäischen Durchschnitt niedrig sind, steigen und deren Kaufkraft steigern. Es braucht also endlich eine echte Reform zugunsten der ehrlichen Mitbürger.

Alfred Ebner

(Daten aus itinerariprevidenziali)

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Daniel Kofler Sa., 24.10.2020 - 17:14

Sehr geehrter Herr Ebner,

danke für die Ausführungen, der erste Artikel zu Steuerthemen auf salto, den ichbis gesehen habe. Ihr Schluss ist natürlich tendenziell korrekt: ein bedenklicher Teil der Italiener, und es werden vor allem die mit geringen deklariertem Einkommen sein, führt zu wenig ab, weshalb die Steuern für die Klassen, die um eine Besteuerung nicht rum kommen (so viele Arbeiter und Angestellte) erhöht werden müssen, um den Ausfall zu kompensieren. Hier setzt aber meine Kritik an: genau dieses Bild wird in den Medien ja auch vermittelt. Nicht nur, dass in Italien die Steuern hoch sind (was sie effektiv ja auch sind, siehe MwSt.), sondern dass sie so hoch sind, weil die Steuermoral schlecht ist.

Weiter fehlt mir in einem Artikel, der einen Vergleich (mit anderen Ländern) kritisiert, der Vergleich selbst. Wie ist der Anteil der Geringverdiener an der Gesamtsteuerlast in Österreich, Frankreich oder Italien? Vielleicht ist dieser in Italien nicht mal so niedrig, und es ist in einem Sozialstaat mit progressivem Einkommenstarif "normal", dass das Verhältnis so ausschaut? Hier besteht noch Informationsbedarf. Dieser indirekte Schluss von Ihnen, dass ein geringer Anteil von Geringerverdienern an der gesamten Steuerlast darauf hindeutet, dass es viele künstliche Geringverdiener gibt, ist ein 'Indiz', das durch weitere Indizien, z.B. Vergleich mit einem Land, dessen Steuersystem als "funktionierend" gilt, gestützt werden müsste, um als 'Nachweis' zu gelten.

Außerdem, und Sie haben es selbst angesprochen: es fehlen noch MwSt usw. Da Geringverdiener tendenziell ihr gesamtes Einkommen konsumieren, während dieser Teil bei steigendem Einkommen sinkt, muss auch das berücksichtigt werden.

Sa., 24.10.2020 - 17:14 Permalink