Gesellschaft | Gastkommentar

Schüler gegen Schüler?

Zwei ehemalige Vorsitzende des Landesbeirates der Schüler üben nach einem TV-Auftritt des aktuellen Vorsitzenden Kritik: “Alex Fischer hat eine rote Linie überschritten.”
Klimastreik 15. März
Foto: salto.bz /N.Arrigoni

Hat jemand, der in Vergangenheit ein Amt bekleidet hat, das Recht, über die Arbeit seines Nachfolgers oder seiner Nachfolgerin zu urteilen, und dies sogar öffentlich? Eigentlich nicht, glauben wir. Weshalb wir heute aber genau dies tun, hat einen triftigen Grund. In der Sendung “Pro und Contra” auf Rai Südtirol (19. März 2019) hat der aktuelle Vorsitzende des Landesbeirates der SchülerInnen (LBS) Alex Fischer unserer Auffassung nach eine rote Linie überschritten.

Fischer, der auch explizit als Vorsitzender des besagten Beirates vorgestellt wurde, kritisierte vehement die Klima-Kundgebungen der Schülerinnen und Schüler.
Verblüffend, denn der Landesbeirat hat kaum einen Monat zuvor zuerst in einem internen Beschluss, sowie dann in einer Rundmail (unterschrieben von drei Mitgliedern des fünfköpfigen Vorstandes) die Schülerstreik-Bewegung gutgeheißen und dabei die Schulleitungen ersucht, die SchülerInnen an den Demonstrationen teilnehmen zu lassen.

Solidarität und Unterstützung aus den eigenen Reihen – das wäre jetzt die genuinste Aufgabe des Beirats.

Nun ist es natürlich so, dass auch ein Beirat seine Meinung ändern darf. Bloß hat er das im konkreten Fall nicht, der Beschluss wurde nicht revidiert. Somit argumentiert Herr Fischer de facto gegen das Gremium, dem er eigentlich vorsteht. Dass ihm gegenüber Ivan Gufler stand, ebenfalls ein Vorstandsmitglied, setzte dem Ganzen dann noch die Krone auf. Bedauerlich.
War es Fischer bewusst, dass er dadurch der Glaubwürdigkeit des Beirates bzw. der Institution der Schülervertretung insgesamt einen gehörigen Schaden zufügen könnte – besonders den SchülerInnen gegenüber, die sich nun zu Recht fragen können, wem der Landesbeirat dient, wessen Interessen er nun wirklich vertritt, die der SchülerInnen oder andere?

Leider ein Schlag ins Gesicht für all die SchülerInnen, die dem Gerede von der unpolitisch-naiven “Jugend von heutzutage” kräftig die Stirn bieten.

Besonders pikant: Der Auftritt Fischers im Fernsehen war nicht die erste Aktion in seiner nun fast einjährigen Amtszeit, die man mitunter als “Fehltritt” einstufen könnte. Es begann mit seiner Wahl, deren Termin Fischer als Interim-Präsident des LBS (und damaliger Kandidat der SVP-Liste) auf den 16. Oktober letzten Jahres festlegen ließ, fünf Tage vor der Landtagswahl. Medien und Parteikollegen zeigten freilich großes Interesse, was bei der konstituierenden Sitzung – diese hat einen eher technischen Charakter – bis dato alles andere als Usus war.

Alles Zufall vielleicht, dann jedenfalls ein doch sehr denkwürdiger: Böse Zungen könnten vom Missbrauch der überparteilichen LBS-Funktion für Wahlkampfzwecke sprechen. Interessant auch, dass der LBS-Vorsitzende die erst reformierte Matura als eine Art “neue Mittelschulprüfung” bezeichnete, aber nicht etwa, um zu honorieren, dass heute mehr junge Menschen maturieren als früher, nein: Sie sei zu leicht. Vielleicht freuen sich wenigstens einige wenige Lehrpersonen über eine solche Auffassung von Interessenvertretung, die, wenn, dann nur ihnen in die Hände spielt.
Doch zurück zum Klimastreik. Ob der deutsche FDP-Politiker Christian Lindner ein Vorbild für Fischer ist, mag ungewiss bleiben. Lindners geflügelte Worte “Den Klimaschutz den Experten überlassen und nicht den demonstrierenden Schülern” könnten aber auch von ihm stammen. Leider ein Schlag ins Gesicht für all die SchülerInnen, die dem Gerede von der unpolitisch-naiven “Jugend von heutzutage” kräftig die Stirn bieten, für all die, deren Engagement eh schon als Schulschwänzerei abgetan wird.

Böse Zungen könnten vom Missbrauch der überparteilichen LBS-Funktion für Wahlkampfzwecke sprechen.

Wo bleibt die Solidarität des LBS-Vorsitzenden mit denen, die seine mehrmalige Forderung nach politischer Bildung praktisch und mutig in die Tat umsetzen, die sich auf einen Prozess politischer Selbst-Erziehung einlassen? Indem sie auf die Straße gehen, lernen sie mitunter mehr als beim soundsovielten, braven Landtagsbesuch! Sie fordern politische Bildung nicht nur, sondern leben sie. Solidarität und Unterstützung aus den eigenen Reihen – das wäre jetzt die genuinste Aufgabe des Beirats. Vielleicht hängen wir aber auch nur veralteten Konzepten an.

Übrigens, ganz nebenbei: Vor einigen Jahren noch hätte niemand in diesem Amt einen solchen “Fauxpas” politisch überlebt – ein Misstrauensvotum hätte man wohl verloren.