Kultur | Salto Afternoon
Lele gewinnt
Foto: Privat
Die neuen und nicht mehr so neuen Stadtviertel in der sogenannten Peripherie sind für viele Bozner:innen ein etwas blinder Fleck. Da klingt eine frei zugängliche Quiz Show, welche seit gestern Abend und noch bis 30. (dem großen Finale) durch die öffentlichen Viertel tuckert gerade richtig. Man vermischt dabei italienisches Unterhaltungsfernsehen mit den Anekdoten und Stadtviertel-Erinnerungen einer ausgewählten Kandidat:in. Zu „gewinnen“ gab es für den Kandidaten auch etwas, für den Fall dass diese Schlusspointe mehrmals zum Einsatz kommt, verraten wir nicht was. Das Teatro Stabile hat sich jedenfalls, bei freiem Eintritt (die Reihe ist Teil des Sommerprogramms "Fuori") wenig verwunderlich, lumpen lassen. Erdacht und umgesetzt haben das Format Francesco Ferrara und Salvatore Cutrì, auf der Bühne waren letzterer, Marco Brinzi, sowie ein Tagesgast zu sehen.
Gabriele, der für Freunde - wie für Nicht-Freunde auch - einfach nur Lele heißt stellte sich als erster beim Centro Ermete Lovera in der Europaallee den Aufgaben. Bei diesen wäre es schwer, sie nicht zu lösen und einen Publikumsjoker gab’s noch dazu, womit die Veranstaltung von ca. einer Stunde mehr eine Persiflage verschiedener Fernsehformate war denn ein offenes Publikumsquiz. Bei letzterem hätte man vielleicht einige Wissenslücken geschlossen, so gab es vor allem seichte aber witzige Unterhaltung inklusive Werbepausen, gesponsert von Shanghai Giocattoli. Bei den zwei vorgestellten „Produkten“ handelte es sich dabei um den Kulturkreise überschreitenden Reif, wie auch um das uritalienische „s-cianco“, jeweils ohne Kostenaufwand aus Besenstielen oder Fahrradfelgen herzustellen. Dass man gerade in der Unterbrechung dazu lernt, ist ein amüsanter Zufall. Lele, Jahrgang ’38, konnte sich noch gut an das Spiel erinnern und klärt in groben Zügen auf.
Schön auch, dass man unterschwellig Willkommens-Kultur vermitteln möchte. Man betont mehrfach, dass im Viertel die allermeisten „immigrati“ erster, zweiter und dritter Generation seien und holt sich die Bestätigung dafür beim Publikum. Zwischen den italienischen Provinzen südlich der Salurner Klause und fernen Ländern unterscheidet man dabei nicht. Das Viertel sei ein Mosaik aus Sprachen und Dialekten, so käme es zum Beinamen Shanghai für Bozen Süd, half Lele den Moderatoren über ihre gespielte Verwirrung hinweg. Lieber stilisiert man die Unterschiede zum Zentrum hoch und ironisiert diese, sodass die Busfahrt ins Zentrum mit einer Auslandsreise verglichen wird.
Bei den verschiedenen Fragerunden kommt es - um auch ein Beispiel für den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben zu nennen und den brisantesten Scherz des Abends zu erwähnen - auch zu Multiple Choice Aufgaben. Hießen die Semirurali Gebäude ehemals Rione… a) Unisex, b) Dux, c) Autovelux oder d) Novax. Den Publikumsjoker ließ man die Antwort mehrfach wiederholen, damit der Kandidat sie auch klar und deutlich hören könne und nach der x-ten Wiederholung folgte die Frage seitens der Moderation, ob der Mann Fan des Namensgebers sei. Ein bisschen Verlegenheit und wenig Reaktion seitens des Publikums für einen Witz der dem Abend nichts brachte.
Am berührendsten zeigte sich das Format dann, wenn es aufbrach. Etwa dann, als Giusta aus Neapel, nachdem sie das Kuvert mit der Schlussaufgabe gezogen hat (zur Auswahl stand auch nur eines), gefragt wurde, ob sie sich mit der Mannschaft über den „Scudetto“ freuen würde. Die ältere Dame erwidert prompt: „Ah, credo ben.“
Lele, der auch diese letzte Aufgabe mit Leichtigkeit meistern konnte, ist kein Schauspieler (zumindest nicht mehr), war es mal, auch Sänger, wovon es mit „Chella llà“ eine Kostprobe gab. Da ist kein Profi auf der Bühne, sondern ein Mensch, der sich freut wenn er aus seinem Erinnerungsschatz erzählen kann - von den Problemen des Vaters, die dieser hatte, als er in Bozen in der Via Beluno ankam und ein Nachbar auf den „richtigen“ faschistischen Gruß bestand oder von den Erfahrungen, was es hieß mit wenig Geld auszugehen und zu tanzen. Letzteres machte Lele im Sommer in einem Woll-Sakko, da die anderen Kleidungsstücke Löcher hatten. „Si sudava una doccia.“, meinte Lele, der beim Publikum immer mehr Sympathiepunkte gesammelt hatte. Der Kontrast zwischen hochkünstlicher italienischer Gameshow und einer kurzen, aber aufrichtigen Begegnung hätte kaum größer sein können. Als erster Finalist für die Finalausgabe der „Bolzano Sud Quiz Show“ steht er jedenfalls fest. Am 30. September um 20.30 Uhr im Semirurali Park wird er sich mit allen weiteren Kandidaten messen müssen, die sich bis dahin qualifizieren. Wir haben das Gefühl, dass es alle Kandidat:innen die noch antreten sein werden.
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