Die Diözesansynode: ein Modell für partizipative Prozesse?
Mit der laufenden Diözesansynode hat Südtirols Kirche die synodale Tradition der Kirche mit aktuellen Methoden und innovativen Ansätzen fortgeschrieben. In diesen Tagen begibt sich die Synode in die Zielgerade: ein guter Zeitpunkt, um auf die Stationen des Weges zurückzublicken.
Im Frühjahr 2012 wurde von der Diözesanleitung eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die den Auftrag erhielt, die Diözesansynode vorzubereiten und zu planen. Eines der Mitglieder dieser Arbeitsgruppe war Helmut Hell, der den Weg der Synode als Organisationsberater auch weiterhin begleitet. Der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler erarbeitet als Mediator und Führungscoach Konzepte für Strategie und Organisation für private und öffentliche Organisationen. Wir haben mit ihm den Prozess der Synode zurückgeblickt.
Sie waren im Frühjahr 2012 wesentlich an der Planung der Synode beteiligt. Welche Anliegen stehen hinter dem Prozessdesign?
Helmut Hell: Wir wollten eine enge Verbindung zwischen Öffentlichkeit und Synodalen herstellen. Auf der einen Seite sollte den Synodalen die Möglichkeit gegeben werden, an wichtigen Momenten der Synode in einem guten Kontakt mit den Gläubigen zu sein. Auf der anderen Seite sollte die Öffentlichkeit die Möglichkeit erhalten, ihre Anliegen und Themen zu artikulieren. Dadurch wird die Kompetenz der Betroffenen aktiviert und Entscheidungen stehen in einer besseren Beziehung zu den Bedürfnissen der Menschen, die dann auch damit leben wollen und müssen.
Könnten Sie die Arbeitsweise der Synode erklären?
Helmut Hell: Der Prozess der Synode hat ein klares Muster. Es wurden drei Phasen definiert, nach den Schritten, die zum Beispiel im 2. Vatikanischen Konzil verwendet wurden: Sehen, Urteilen, Handeln. Dieser Dreischritt wurde mit einem Beteiligungsprozess kombiniert. Dadurch ist es in jeder Phase der Synode zu einer Öffnung hin zur interessierten Öffentlichkeit gekommen. Es konnte so gewährleistet werden, dass die Synodalen immer in gutem Kontakt mit den Gläubigen vor Ort waren. Dieses Angebot der Öffnung ist gut angenommen worden. Ich denke, dass es in der Summe gelungen ist ca. 5000 Menschen punktuell in die Arbeit der Synode einzubinden.
Was sind die Stärken der gewählten Vorgangsweise?
Helmut Hell: Auf der einen Seite gelingt es durch die offenen Veranstaltungen im wahrsten Sinn des Wortes Öffentlichkeit zu schaffen. Und zwar eine Öffentlichkeit, die für Dialog und Austausch genutzt werden kann. Innerhalb der offenen Veranstaltungen sind Menschen miteinander ins Gespräch und in einen Austausch gekommen, die sonst von ihren religiösen Überzeugungen her wenig Kontakt miteinander haben. Damit konnte bis zu einem gewissen Grad Verständnis füreinander geschaffen werden und die Vielfalt der Diözese Bozen-Brixen berücksichtigt werden. Durch den doch recht straff geführten demokratischen Aushandlungsprozess in der Synode selbst wurden Richtungsentscheidungen getroffen, die durch eine breite Mehrheit der Synodalen abgesichert sind. Auch das ist für die weitere Umsetzung der Beschlüsse durch den Bischof und seine MitarbeiterInnen von Bedeutung. Zum Dritten konnte ein doch recht straff organisierter Zeitplan penibel eingehalten werden und somit ein fristgerechter Ablauf garantiert werden ohne dass die Ergebnisse davon beeinträchtigt wurden.
Welche Schwächen haben sich in der Vorgangsweise gezeigt?
Helmut Hell: Die Unterschiede zwischen dem italienischen und dem deutschen Teil der Diözese konnten nur transparent gemacht, aber nicht ausreichend überbrückt werden. Dazu erscheint mir ein noch stärkerer Dialog notwendig. Wir haben in diesem Prozess die Entscheidungskompetenz des Bischofs und der Synodalen mit der Kompetenz der Betroffenen in der Diözese in Verbindung gebracht. Die theologische Fachkompetenz blieb in diesem Prozess ein Stück weit außen vor. Hier hat man sich im Wesentlichen auf die persönlichen Kompetenzen der Synodalen verlassen. Umso wichtiger erscheint mir, dass diese fachliche Kompetenz jetzt in der Umsetzung gut eingebracht wird.
Ein Ziel war es, größtmöglichen Konsens in der Kirche und insbesondere unter den Synodalen zu erreichen. Wie weit ist dies gelungen?
Helmut Hell: Konsens ist nur durch Dialog möglich. Unser Vorgehen hat diesen Dialog ermöglicht, ohne auf eine Entscheidung zu verzichten. Wie groß am Ende dann der Konsens zu den oben genannten Themen ist, hängt dann von der Bereitschaft der Teilnehmer und Teilnehmerinnen ab, sich auf einander einzulassen. Mein persönlicher Eindruck ist, dass wir hier ein Wechselspiel zwischen Abgrenzung und Verständnis erlebt haben und dass die Entscheidungen recht gut die Realität in den Südtiroler Pfarrgemeinden widerspiegeln. In allen 12 Themenfeldern, die von den Synodalen definiert wurden, konnten Ergebnisse erzielt werden. Keine Kommission ist in ihrer Arbeit gescheitert. Das würde ich schon dem Prozessdesign und der konsequenten Umsetzung der gewählten Vorgangsweise zuschreiben.
Hat die Synode aus ihrer Sicht zu einer besseren Dialogkultur in der Kirche und in der Südtiroler Gesellschaft beigetragen?
Helmut Hell: Das wird sich zeigen und hängt von der Ausstrahlung ab, die dieser Prozess auf andere gesellschaftliche Vorgänge in der Diözese und in der Südtiroler Gesellschaft hat. Dafür entscheidend ist jetzt auch die Umsetzung, die allerdings bei den Verantwortlichen der Diözese liegt. So eine Vorgangsweise fordert von den Beteiligten ganz schön viel an Energie ab. Es ist kein einfacher Weg selbst Verantwortung für die Weiterentwicklung der Gesellschaft zu übernehmen. Den Menschen ist es mit Recht zu wenig, wenn man einfach nett miteinander reden kann. Aus diesem Dialog müssen Konsequenzen abgeleitet und umgesetzt werden. Im Falle der Synode bedeutet das, dass die eigentliche Nagelprobe noch bevorsteht. Ich denke dass man in drei bis fünf Jahren, wenn die Umsetzung der Beschlüsse erfolgt ist, sagen kann, ob die Synode sich auf die Dialogkultur positiv ausgewirkt hat. Diesbezüglich möchte ich noch etwas sagen: Es ist für Führungspersönlichkeiten, die in der persönlichen Verantwortung für eine Organisation stehen, verständlicher Weise immer schwer, sich auf ergebnisoffene Prozesse einzulassen. Dass der Bischof und seine Mitarbeiter diese Größe hatten, dafür gebührt ihnen Anerkennung.