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Politik | Pestizide

PFAS auch im Kalterer See-Wein?

Ein Abbauprodukt von Herbiziden ist in hoher Konzentration im Wein in 49 Weinbaugebieten in 10 Ländern festgestellt worden. Dazu gehören auch Weine aus dem Gebiet Kalterer See
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Kalterer See
Foto: Hanna Battisti
  • Im vergangenen Jahrzehnt ist eine besorgniserregende Zunahme des sehr langlebigen Trifluoracetats (TFA) im Wein festgestellt worden, so eine Studie von GLOBAL 2000 in 49 Weinbaugebieten in 10 Ländern, darunter auch Italien mit den Gebieten Chianti, Prosecco und Kalterer See. TFA gehört zu den sog. Ewigkeitschemikalien PFAS, die in der Natur kaum abgebaut werden und sich im menschlichen Körper gesundheitsgefährdend ansammeln. TFA findet sich in verschiedenen Pestiziden, die in der Landwirtschaft ausgebracht werden, nicht aber im Weinbau. Daher wird vermutet, dass sie vor allem über das Beregnungswasser und Regen in die Rebanlagen verfrachtet werden. TFA ist das Abbauprodukt von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS), die unter anderem in Unkrautvernichtungsmitteln als Wirk- und Beistoffe verwendet werden (und gehört selbst zu dieser Substanzklasse, also PFAS).

    Laut PAN (Pesticide Action Network) sind die TFA-Werte im Wein generell seit 2010 drastisch angestiegen und liegen bei den untersuchten Weinen hundert Mal höher als im Trinkwasser. Wie die neue Global 2000-Studie gezeigt hat, weisen ältere Weine, z.B. die vor 1988 abgefüllten Weine, keine TFA-Spuren, während TFA-Rückstände im Wein vor allem in den seit 2010 produzierten Weinen in die Höhe geschossen sind. 90% der konventionell angebauten, in der Studie untersuchten Weinsorten weisen Spuren von TFA auf, während Bioweine in geringerem Maß belastet sind. Bei den pilzresistenten Sorten liegt der TFA-Wert am tiefsten. Die jüngsten Weine (2021-2024) weisen mit einer durchschnittlichen Menge von 122 mg/L TFA den höchsten Wert auf. So hohe Rückstände in so vielen Gebieten können kein Zufall sein, schlussfolgert die Studie von GLOBAL 2000.

    Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker bei GLOBAL 2000 und Autor der Studie, ist besorgt wegen dieser TFA-Konzentration im Wein, die sich im Körper anreichern und das Erbgut schädigen. TFA stammen aus fluorierten Gasen, die sich in der Atmosphäre zersetzen und von Pestiziden, die TFA direkt in den Boden oder ins Grundwasser abgeben. Die Kombination der beiden Quellen führt zu einer dauerhaften und kapillaren Verschmutzung. Die drei untersuchten Weinbaugebiete in Italien – Chianti, Prosecco und Kalterer See – wiesen Konzentrationen zwischen 43 und 120 mg/L auf, also immer noch hundert Mal mehr als im normalen Regenwasser.

    Wie kam es zu dieser neuen Chemie-Bedrohung im Wein? Um 1988 herum sind die Ozonloch-verursachenden Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs) verboten und zunehmend durch F-Gase als Kühlmittel ersetzt worden, aus denen eben TFA entstehe. „Ab den 1990er-Jahren wurden zudem PFAS-Pestizide eingesetzt,“ erklärte Burtscher-Schaden auf Südtirol News, „und ab 2015 bis 2020 stieg der Eintrag dieser Chemikalien in die Umwelt offensichtlich ‚zu Spitzenwerten‘,“ so der Experte: “Es besteht dringender Handlungsbedarf, weitere TFA-Emissionen in die Umwelt zu verhindern”. Deshalb solle ein sofortiges Verbot von PFAS-Pestiziden und F-Gasen beschlossen werden. Außerdem forderte er ein umfassendes Monitoringprogramm für TFA in Lebensmitteln.

    Aber nicht nur österreichischer und europäischer Wein ist mit TFA verunreinigt, erklärte Michael Müller von der Universität Freiburg (Deutschland), sondern Weine weltweit: “Von uns unabhängig untersuchte Proben von der ganzen Welt zeigen dasselbe Muster, nämlich einen sehr raschen Anstieg der Konzentrationen in jüngsten Jahren.“ Tests hätten gezeigt, dass die Quelle von TFA in der Umwelt, nämlich PFAS-Pestizide, für die Landwirtschaft “nicht essenziell” sind. Sie wären gut durch unbedenklichere Alternativen ersetzbar. PAN Europe fordert das Verbot von Pflanzenschutzmitteln, die TFA freisetzen, und zwar speziell von Fluopyram und Fluopicolid, die TFA emittieren. Der Südtiroler Rechtsprofessor Peter Hilpold ist schon im September 2024 in seinem Gutachten zu TFA zum Schluss gekommen, dass aufgrund der EU-Pestizid-Verordnung 1107/2009, „besonders im Lichte der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH und rezenter Stellungnahmen der EU-Kommission zum Vorsorgeprinzip, alleine schon aufgrund des seit langem bekannten Potentials von TFA, Gewässer irreversibel zu kontaminieren, Pflanzenschutzmitteln, die TFA freisetzen, die Zulassung zu entziehen sei.“

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Peter Gasser Di., 22.07.2025 - 19:13

Zitat: “PFAS auch im Kalterer See-Wein?”

Ein Aufreißer-Titel, aber nur die ganze Wahrheit ist die Wahrheit, mövhte ich gerne ergänzen.

PFAS sind ALLERORTS, also auch am Kalterer-See.

PFAS sind in ALLEN Lebensmitteln, also auch in Trauben/Wein.
(auch in allen Getreidesorten, gar in Kinder- und Babynahrung, aber auch in Verpackungen, Kleidung, Elektronik, Kosmetik...)

Di., 22.07.2025 - 19:13 Permalink
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Robert Zagler Di., 22.07.2025 - 20:06

Zu welchem Zweck werden PFAS eingesetzt und welche Produkte können PFAS enthalten?
Diese Substanzen werden vielfältig in Produkten eingesetzt, unter anderem weil sie fett-, schmutz- und wasserabweisend wirken. Sie werden verwendet

als Schutz vor Flecken und Verschmutzungen auf Polstermöbeln, Teppichen, Tischdecken oder Bettwäsche,
als Antihaft-Beschichtung auf Pfannen, Raclette-Geräten, Waffeleisen, Sandwichmakern, Backformen oder Dauerbackfolien,
auf fettabweisenden Fast-Food-Verpackungen wie Gebäck- und Pommestüten oder Schüsseln aus Zuckerrohr (Bagasse),
in Mikrowellen-Popcorn-Verpackungen,
zur Imprägnierung von Textilien und Leder gegen Nässe, Öl und Schmutz,
in Kinderprodukten wie Buggys,
in fleckgeschützten Teppichen und Polstermöbeln,
als Membran in Outdoorkleidung und Wanderschuhen,
als Antibeschlagmittel für Gläser, zum Beispiel Brillen und optische Gläser,
als Zahnseide oder Zahnband zur Zahnreinigung,
in Farben und Lacken mit speziellen Eigenschaften,
in Fotopapieren, Papier für Klebeetiketten und Druckfarben,
in Wachsen oder Schmiermitteln, zum Beispiel in Ski-Wachsen,
in Kletterseilen,
als Pflanzenschutzmittel,
selten in Kosmetik,
in Feuerlöschschäumen,
Elektronikgeräten.

Di., 22.07.2025 - 20:06 Permalink