Film | Weihnachtsfilm

Märchenstunde

Mit „Die verkaufte Prinzessin“ ist am 25. in der ARD ein Diversitätsmärchen zu sehen. Was für die einen „woke“ Propaganda ist, traut sich zu wenig für die anderen.
Die verkaufte Prinzessin, Moviestill
Foto: Screenshot "Die verkaufte Prinzessin"
  • Weihnachtszeit ist Märchenzeit. Im Sendeblock am ersten Weihnachtsfeiertag (genauer: um 15.30 Uhr) ist diesmal eine sehr moderne Märchengeschichte, frei nach Bayerischen Sagen zu sehen, die „made in Südtirol“ ist. Produziert hat das Märchen die Albolina Film mit Südtiroler Beteiligung unter anderem von Eva Kuen, die in die Rolle der bösen Räuberhauptfrau „Frau Alptraum“ schlüpft, oder auch mit Werner Hohenegger in der Nebenrolle des Willhelm. Gedreht wurde zum Beispiel auf dem märchenhaften Schloss Enn.

    „Die verkaufte Prinzessin“ sieht zwei Protagonistinnen mit ihrem Schicksal hadern; die eine als Fürstentochter, die andere als Bergmannsenkelin. Die Botschaft des Märchens wird genregemäß auf der Zunge getragen und schlägt sich zumindest im ersten Moment mit der gewählten Form: Nicht auf Äußerlichkeiten und wie man geboren wird kommt es an, sondern darauf, wie man lebt. Aus Erwachsenenperspektive gibt es dabei etwas Spannung, da einer der zentralen Handlungspunkte die Aushandlung einer Erbfolge ist. Märchengemäß ist dann aber auch die „richtige“ Wahl für den Posten die rechtmäßige, so dass dem Happy End nichts im Wege steht. Was mir persönlich hingegen gut gefällt, ist die Selbstverständnis mit der diese „Gleichheit“ ausgehandelt wird. Dass die titelgebende Prinzessin Sophia (Kristin Alia Hunold), genau wie ihr 14 Minuten später zur Welt gekommener Zwillingsbruder Berthold (Langston Uibel) dunkelhäutig ist, spielt keine Rolle und wird nicht thematisiert. So haben vielleicht auch mal andere Kinderaugen eine Chance, sich in einer Prinzessin wiederzukennen.

  • Schloss Enn: Die Burg oberhalb Montans gehört sicherlich zu den größten Glücksfällen in diesem Märchenfilm. Foto: Screenshot "Die Verkaufte Prinzessin"
  • Zweite Protagonistin des Films ist die angehende Bergfrau Melisa (Judith Neumann), welche sich auf Reisen als ein Bursche namens „Mathes“ ausgibt. Sie möchte in die Fußstapfen ihres Großvaters treten, findet den Elisabethstollen, wo sie ihr Handwerk lernen möchte verschlossen und macht sich prompt auf den Weg zum Fürsten. Zuvor trifft sie den gestaltwandlerischen Berggeist Merich (unter anderem Emanuel Fellmer), der die Menschen zu verstehen sucht. Bei ihm öffnen sich zahlreiche Möglichkeiten für schöne, allgemeingültige und plakative Sätze, wie etwa: „Nicht, wie du aussiehst, nicht ob du Mann oder Frau bist, wie du bist und dich gibst (…) macht den Unterschied.“

    Da Märchenkönigreiche erfahrungsgemäß klein sind, stolpert Melisa in ein Verschwörungskomplott, das Prinzessin Sophia außer Landes zu schaffen sucht, um für ihren Bruder den Weg auf den Thron frei zu räumen. Der böse Zwillingsbruder von Fürst Ingolf (Pasquale Aleardi), Rudolf (Langston Uibel) ist natürlich bei den Strippenziehern mit dabei und schlussendlich muss Prinzessin Sophia mehrfach und Melisa einmal gerettet werden. Unter anderem vor der finster blickenden „Frau Alptraum“, die Eva Kuen als eine Art Kapitänin Jack Sparrow auf Landgang gibt, was  durch eine Kombination von Manierismen, Kostüm und Maske gut zur Geltung kommt. Kuen ist aber recht schnell von der Bildfläche verschwunden, da sie ihre kriminellen Absichten, wie es sich für eine Schurkin in einem Kinderfilm gehört, recht ungeschickt in die Tat umsetzt. 

  • Frau Alptraum: Eva Kuen darf die finstere, aber doch spannende Figur der Räuberhauptfrau geben. Foto: Eva Kuen Facebook

    Handlungstechnisch wird in den rund 60 Minuten unter der Regie von Matthias Steurer das Rad nicht frei erfunden und gibt es auch die klassischen Fernseh-Kinderkrankheiten bei den ausgesprochen wenigen Spezialeffekten, so wirkt die Produktion mit gutem Color Grading und wunderschönen Burg-, Wald- und Landschaftsaufnahmen doch hochwertig. Dafür, dass die Produktion vorab aber als „Diversitätsmärchen“ gehandelt wurde, bleibt man recht zahm und auch die zwischen Sophia und Melisa angedeutete romantische Spannung kann in einem Kinderfilm nicht aufgelöst werden.

  • Dass sich da eine junge Frau als junger Bub verkleidet ist auch nur deshalb aus einer Diversitätsperspektive so interessant, weil Melisa anfänglich glaubt, nur als Mathes in den Berg gehen zu können. So bleibt es in Sachen Liebe hier bei schmachtenden Blicken und zärtlichen Gesten, ohne dass einmal entschieden ausgesprochen wird, dass auch die Frage, wen man liebt im Märchenland keinen Unterschied macht. Es bleibt beim klassischen „Queerbaiting“, also bei nur angedeuteter Repräsentanz anders Liebender.

    „Die verkaufte Prinzessin“ hat das Herz sicherlich am rechten Fleck, nur traut man sich in letzter Konsequenz dann doch nicht darauf zu hören. Was bleibt ist ein wirklich netter Märchenfilm, der gerne noch mehr überraschen hätte können. Sagt Melisa, der wir an dieser Stelle beipflichten wollen auch selbst „das mit dem Herzen, den Gefühlen, ist kompliziert.“, so ist das Schöne an Märchen doch, dass die Dinge darin einfach mal einfach sein könnten.

  • Obwohl „Die verkaufte Prinzessin“ erst am 25. Dezember um 15.30 im Fernsehen gezeigt wird, kann der Film bereits jetzt in der BR-Mediathek angesehen werden.