„Bescheuerter Gesetzesentwurf”
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SALTO: Frau Unterberger, was bedeutet Gendern in Italien?
Julia Unterberger: Für Meloni und die Rechten in Italien bedeutet Gendern schon, wenn du als Frau deinen Beruf oder deine Position in der weiblichen Form benennst. Das ist für sie bereits zu viel. Meloni hat ein Rundschreiben verfasst, in dem sie verlangt, als 'Herr Ministerpräsident' angesprochen zu werden. Alle rechten Frauen, vielleicht gibt es Ausnahmen, die ich aber nicht kenne, legen Wert auf die männliche Form. Das heißt, sie wollen nicht 'senatrice' genannt werden, sondern 'senatore', nicht 'ministra', sondern 'ministro'. Das ist der Stand in Italien. Wenn man in Italien sagt, das sei absurd, erwidern sie, dass sie nicht gendern wollen.
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Warum finden Sie den Vergleich der Gendersprache zwischen Italien und Österreich/Deutschland nicht angebracht?
In Deutschland und Österreich ist die Debatte sehr viel weiter. Dort zieht niemand mehr in Zweifel, dass eine Frau von sich sagen soll, sie sei eine Richterin, eine Ministerin, eine Landeshauptfrau und so weiter. In Österreich wurde sogar schon die Hymne geändert und den Brüdern die Schwestern hinzugefügt. In Deutschland und Österreich betrifft die Debatte lediglich den Plural. Dort wird versucht, nicht nur die weibliche Form, sondern auch das dritte Geschlecht in einem Wort unterzubringen, mit Gendersternchen, Doppelpunkt oder Ähnlichem. Teilweise wird das Ganze tatsächlich etwas übertrieben, gegen diese Entwicklung hat die bayerische Regierung das Gendern in öffentlichen Dokumenten verboten. Nicht, dass ich das befürworte, aber zwischen dem und der Einstellung der Konservativen in Italien liegen Welten dazwischen. Vor kurzem war Söder in Rom und ich habe ihn auf das Thema angesprochen. Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich seine Vorgangsweise nicht teile. Söder hat gemeint, er sei gegen diese Übertreibungen mit dem dritten Geschlecht, die ganze Texte unleserlich machen würden. Als ich ihm mitteilte, dass Meloni sich als „Herr Präsident“ ansprechen lässt, konnte er das kaum glauben. Er meinte, das sei Wahnsinn.
„Trotzdem sieht man an diesem Vorstoß, wessen Geisteskind viele Mitglieder der Rechtsparteien sind.“
Der bescheuerte Gesetzesentwurf, der in öffentlichen Dokumenten die weibliche Form verbieten will, ist sogar den Leghisti zu viel. Sie haben sofort klargestellt, das sei nicht die offizielle Position der Lega und haben ihren Kollegen aufgefordert, den Gesetzesentwurf zurückzuziehen. Trotzdem sieht man an diesem Vorstoß, wessen Geistes Kind viele Mitglieder der Rechtsparteien sind. Und die ewig Gestrigen sind in allen rechten Parteien präsent.
Ich habe in der letzten Legislatur mit einer Kollegin in der Geschäftsordnungskommission des Senates versucht, offiziell die weibliche Sprache, also Senatorin, Ministerin usw. einzuführen. Da sind vor allem Vertreter von Forza d’Italia auf die Barrikaden gegangen, während beispielsweise Calderoli von der Lega nicht dagegen war. Der Vorschlag wurde dann in der Aula versenkt, auch mit Heckenschützen aus dem linken Lager. Die Vertreter der Linksparteien haben normalerweise kein Problem mit der frauengerechten Sprache. Sie sprechen meistens geschlechtergerecht, zumindest im Singular, im Plural weniger. Es besteht einfach ein riesiger Unterschied zwischen dem deutschen und dem italienischen Kulturraum.
Würden Sie sagen, dass dieser Gesetzesvorschlag in Italien ein Teil vom Rechtsruck ist?
Natürlich bewirkt der allgemeine Rechtsruck, dass die Vertreter dieser extremen Anschauungen aus ihren Löchern kommen und sich trauen, solche Vorschläge zu machen.
Wäre es möglich, dass der Gesetzesentwurf besprochen wird?
Nein, der Fraktionssprecher der Lega hat den Kollegen aufgefordert, den Gesetzesentwurf zurückzuziehen. Damit ist das Vorhaben gestorben. Mit so einer Abstrusität würde man sich im gesamten Ausland blamieren. Während man dort über die Sichtbarkeit von Frauen und auch dem dritten Geschlecht im Plural diskutiert, will man hier die weibliche Form für alle Spitzenpositionen streichen. Damit die Herren auch in der Sprache unter sich sind.
Presseaussendung SVP zu Gesetzesentwurf von PotentiIn eine Pressemitteilung der SVP wird auf den vorgebrachte Gesetzesentwurf des Lega-Senators Potenti eingegangen, welcher die Rückständigkeit in der italienischen Debatte über die Gendersprache aufgezeigt wird. Der Vorschlag von Potenti sieht vor, die weibliche Form in öffentlichen Dokumenten zu verbieten und bei Verstößen Geldstrafen von 1.000 bis 5.000 Euro zu verhängen. Dies wurde von der SVP-Senatorin Julia Unterberger scharf kritisiert.
Während in deutschsprachigen Ländern bereits intensiv über die Verwendung von Binnen-I, Gendersternchen oder Doppelpunkten diskutiert wird, um das weibliche und dritte Geschlecht sprachlich sichtbar zu machen, zeigt sich in Italien ein anderes Bild.
Unterberger betont, dass jede Funktion auch eine weibliche Form haben sollte und verweist darauf, dass die Sprache unser Bewusstsein prägt. Sie kritisiert, dass der Gesetzesentwurf die Sichtbarkeit von Frauen in wichtigen Positionen reduzieren und somit bestehende Geschlechterungleichheiten weiter verstärken würde.