Politik | Autonomie

Die Sonntagsfrage

Kann der Vertreter des Landtages in der 6er und 12er-Kommission gegen einen Landtagsbeschluss stimmen? Diese Frage werfen jetzt die Freiheitlichen auf.
Handel
Foto: upi
Andreas Leiter-Reber ist verärgert. „So kann das sicher nicht gehen“, meint der Chef der Südtiroler Freiheitlichen. Der blaue Abgeordnete will jetzt im Landtag eine Grundsatzfrage aufwerfen, die nicht leicht zu beantworten ist.
Im Zentrum stehen dabei der Forza Italia-Abgeordnete Carlo Vettori und seine Haltung zu einer geplanten Durchführungsbestimmung. Auf der Augustsitzung der Zwölferkommission gingen vor zwei Wochen die Wogen hoch. Der Stein des Anstoßes: Eine Durchführungsbestimmung zu den Ladenöffnungszeiten.
Eingebracht von SVP-Senator Meinhard Durnwalder will Südtirol die Öffnungszeiten selbst regeln. Die Kompetenz dafür soll per Durchführungsbestimmung an die Länder übergehen. Die politische Agenda sieht dabei vor in Südtirol ein Öffnungsverbot an Sonn- und Feiertagen einzuführen. Oder zumindest eine strengere Regelung für diese Tage. Weil derzeit die Region für diese Materie zuständig ist, muss eine Änderung in der Zwölferkommission beschlossen und dann der Regierung vorgelegt werden.
 
 
Doch innerhalb der Kommission brandet harter Widerstand auf. Sowohl der ehemalige Trentiner Landeshauptmann Ugo Rossi als auch der Meraner Anwalt Lukas Benedetti sprachen sich auf der Sitzung gegen die Regelung aus. Ebenso stimmte Carlo Vettori in diesen Chor ein. Auch er erklärte offen gegen diese Neuregelung zu sein.
Am Ende wurde die Behandlung der Durchführungsbestimmung vorerst vertagt.
 

Der Beschlussantrag

 
Der Hintergrund der aktuellen Polemik liegt in einem Beschlussantrag, den der Südtiroler Landtag vor zwei Jahren verabschiedet hat. Eingebracht von der SVP-Abgeordneten Magdalena Amhof wird die Landesregierung beauftragt:
 
  • dafür Sorge zu tragen, dass im aktuellen staatlichen Gesetzesvorschlag der Regierung zu den Sonn- und Feiertagsöffnungen der Übergang der Kompetenz an das Land Südtirol vorgesehen wird;
  • den Erlass einer entsprechenden Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut in der Frage der Sonn- und Feiertagsöffnungen voranzutreiben;
  • zur Erreichung der zwei obengenannten Ziele die entsprechende Sensibilisierungsarbeit hierzulande als auch darüber hinaus zu leisten.
 
Dieser Beschlussantrag wurde am 16. Mai 2019 vom Landtag mit 31 Ja-Stimmen und einer Gegenstimme genehmigt. „Wir kann deshalb ein Vertreter des Landtages in der Zwölferkommission nach dieser klaren Entscheidung gegen diesen Vorschlag stimmen?“, fragt jetzt Andreas Leiter Reber.
 

Neue Vorzeichen

 
Carlo Vettori gibt auf diese Frage eine klare Antwort. „Inzwischen haben sich die Vorzeichen deutlich geändert“, sagt der Forza Italia-Abgeordnete zu Salto.bz. Vettori verweist darauf, dass der Beschlussantrag vor Corona verabschiedet wurde, die Pandemie aber den Handel inzwischen arg gebeutelt hat. Deshalb würde man heute, zwei Jahre später, vor einer völlig anderen Ausgangsposition stehen.
 
 
Vor allem aber gibt es inzwischen auch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs, das dieser Durchführungsbestimmung im Wege steht. Die Provinz Trient hat ein Landesgesetz erlassen, mit dem das Land autonom die Ladenöffnungszeiten festlegen wollte. Die Regierung hat dieses Gesetz vor dem Verfassungsgericht angefochten und vom Höchstgericht Recht bekommen. Die Bestimmung verstoße gegen die Verfassung.
Auf diese juridische Vorgeschichte nehmen jetzt auch alle zuständigen Ministerien Bezug. Denn es ist so, dass innerhalb der Sechser- und Zwölferkommission zu jeder geplanten Durchführungsbestimmung, die zuständigen staatlichen Stellen vorab ihr Gutachten abgeben müssen. Meistens hängt es davon ab, ob die Regierung schließlich die Vorschläge der beratenden Autonomiekommissionen annimmt oder nicht.
„Alle Gutachten der drei zuständigen Ministerien sind in diesem Fall negativ“, sagt Carlo Vettori. Er plädiert dafür, die Durchführungsbestimmung noch einmal zu überdenken.
 

Die Anfrage

 
Genau davon will Andreas Leiter-Reber nichts wissen. „Vettori sitzt doch nicht als Privatperson in diesen Kommissionen“, sagt der Freiheitliche Landtagsabgeordnete, „er ist Vertreter des Landtages und muss sich an diesen klaren Mehrheitsbeschluss des Landtages halten.
 
 
 
Leiter-Reber wirft das Thema jetzt in einer Landtagsanfrage auf. Dabei will der Freiheitliche auch wissen, ob es Protokolle über den Verlauf und die Abstimmungen der Sitzungen der Sechser- und Zwölferkommission gebe? Ebenso, ob diese Protokolle öffentlich einsehbar sind und die Landesregierung Zugang zu diesen Protokollen habe?
Vor allem aber stellt Leiter-Reber eine Grundsatzfrage:
 
„Sind die beiden, gemäß Artikel 107 des Autonommiestatutes vom Landtag gewählten "Südtirol-Vertreter" dem Mehrheitswillen des Südtiroler Landtages bzw. den Interessen des Landes Südtirol bzw. verpflichtet?“
 
Die Antwort darauf wird nicht einfach werden. Schon einmal hat es einen noch brisanteren Präzedenzfall gegeben. Roberto Bizzo hat vor Jahren als Kommissionsmitglied den von der SVP ausgehandelten und vom Landtag mehrheitlich beschlossenen Gesetzesvorschlag in Sachen Toponomastik blockiert und schließlich zu Fall gebracht.
Auch damals hat der Landtag nichts getan. Weil er nicht wollte oder weil er nicht kann?
Diese Frage wird jetzt das Rechtsamt des Landtages oder der Landesregierung beantworten müssen.

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