Politik | Bio in Südtirol

Trau dich, Südtirol!

Es ist an der Zeit darüber nachzudenken, wohin sich die Landwirtschaft in Südtirol entwickeln soll. Nicht nur in Mals.
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Es ist an der Zeit darüber nachzudenken, wohin sich die Landwirtschaft in Südtirol entwickeln soll. Nicht nur in Mals. Von dort aus ist ein nicht mehr aufzuhaltender Druck entstanden, sich sachlich und zukunftsorientiert mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe in Südtirol vom ursprünglichen Selbstversorger-Hof hin zur marktorientierten Produktionsstätte hat neben der hohen Spezialisierung auch eine Rationalisierung in allen Bereichen mit sich gebracht. Der Wunsch nach maximaler Leistung, maximaler Menge und maximaler Konstanz legte der Natur ein betriebswirtschaftliches Korsett um, das den maximalen Profit heraus holen soll, um am Weltmarkt bestehen zu können. Um makellose Produkte zu erzeugen, werden alle erlaubten Hilfsmittel eingesetzt, vom mineralischen Dünger über Pflanzenschutzmittel, Antibiotika bis hin zu Hormonen, mit wenig Rücksicht auf Nebenwirkungen und langfristige Folgen.

Doch wer mit Land wirtschaftet, wird früher oder später merken, dass die Möglichkeiten auf Dauer begrenzt sind: Man kann nicht jahrzehntelang auf einem Quadratmeter Boden jedes Jahr mehr Kartoffeln ernten, von einer Kuh jedes Jahr mehr Milch melken, von einem Baum jedes Jahr mehr Äpfel pflücken. Wer Weitblick beweist und erkennt, dass die langfristige landwirtschaftliche Lösung nicht in der gesteigerten Quantität, sondern in der Qualität zu finden ist, der ist auf dem besten Wege mit der Natur zu wirtschaften. Unsere Böden brauchen eine vielfältige Nutzung, brauchen Fruchtfolgen und auch Vieh, um Nährstoffkreisläufe zu schließen. Und wir brauchen einen Paradigmenwechsel, um ehrlich über die Südtiroler Landwirtschaft reden zu können. Wir brauchen einen Richtungswechsel in Politik, Ausbildung, Forschung, Beratung, Produktion und Tourismus:

Wann wollen wir uns endlich damit auseinander setzen unser Land zu dem zu machen, als das wir es schon jahrelang verkaufen?!

Schaut man sich die Zahlen zur Biolandwirtschaft in Südtirol und seinen Nachbarregionen an, wird klar wie langsam die „biologische“ Uhr in Südtirol bisher getickt hat: Während in Tirol bereits etwa 19 Prozent und in Graubünden rund die Hälfte aller landwirtschaftlichen Betriebe biologisch bewirtschaftet werden, sind es in Südtirol nur mickrige 4 Prozent. Angesichts der klaren Mehrleistungen der Biolandwirtschaft für Mensch, Tier und Umwelt, scheinen diese Zahlen grotesk.

Die Biolandwirtschaft will endlich auch in Südtirol politisch gewollt, und nicht nur geduldet werden!

Auslauf für Kühe und Schweine; mechanische Unkraut-Regulierung statt oranger, toter Herbizidstreifen; organische Dünger, statt Stickstoff aus dem Düngersack. Das und vieles mehr ist möglich: 1,9 Millionen Biobauern – große und kleine – weltweit leben es uns erfolgreich vor. Und Konsumenten wie Touristen wünschen es sich. Nicht nur in Mals. Stärken wir regionale Kreisläufe, um eine vielfältige Land-wirt-schaft zu fördern! Angefangen bei der Ausbildung: Die biologische Landwirtschaft braucht einen ernst zu nehmenden Platz in den Landwirtschaftsschulen. Die Landesbetriebe sollten lebendige Beispiele für junge, innovative landwirtschaftliche Unternehmen sein – und selbstverständlich bio-zertifiziert.

Und auch wir Landwirte sind gefordert. Es kann sein, dass wir Landwirtschaft teilweise wieder neu lernen müssen. Die reine Einhaltung der Bio-Richtlinien kann nur ein Anfang sein. Die Entwicklung muss weitergehen. Mittel- und langfristig müssen wir über neue Wege nachdenken: Fruchtfolgen, Gründüngung, robuste standortgerechte Sorten und Rassen, Milchproduktion aus dem Grundfutter, Lebensleistungszucht, Weidemanagement, effizienter Wirtschaftsdünger-Einsatz und Kompostierung. Alle diese Themen sind Baustellen für sich.

Und der Markt? Auch der Konsument muss seinen Teil beitragen. Die Leistungen der Bauern für die Gesellschaft sollten anerkannt und die Produkte fair bezahlt werden. Wer seine Lebensmittel zu schätzen weiß, der konsumiert bewusst und nachhaltig. Und er unterstützt die Arbeit jener Bauern, die er fördern möchte. Das Ergebnis für uns alle wäre eine gesunde und vielfältige Heimat.

„Bio“ ist der erste Schritt in die Landwirtschaft der Zukunft. Trau dich, Südtirol!