"Kunst muss live erlebt werden"

salto.bz: Wie haben Sie das Covid-Jahr 2020 erlebt? Das Virus hat Sie ja sogar direkt erwischt...
Alessandro Casciaro: Tatsächlich. Rund eine Woche nach der Eröffnung der aktuellen Ausstellung fühlte ich mich unwohl, habe einen Test gemacht und war positiv. Keine Ahnung, wo ich mich infiziert habe. Ich bin dann drei Wochen zuhause geblieben. Das war dann natürlich alles etwas verwirrend, denn wir mussten auch die Galerie zusperren, das Team musste in Quarantäne. Glücklicherweise fiel der Test bei den anderen negativ aus.
Wie beurteilen Sie das Regelwerk zu den Vorsichtsmaßnahmen im Kulturbereich? Museen sind geschlossen, Galerien nicht…
Ja, wir sind ein Geschäft. Wir konnten auch nach dem ersten Lockdown früher aufsperren als Museen. Ich muss aber in diesem Zusammenhang anfügen: es ist völliger Irrsinn, Museen zuzusperren. Denn es gäbe keinen Ansturm...
...vielleicht beim gutbesuchten Ötzi-Museum?
Sicher, dort müsste man vielleicht andere Regeln aufstellen. Andererseits wird das Ötzi-Museum vor allem von Touristen und Touristinnen besucht. Die sind im Moment ohnehin nicht vor Ort.
Hatten Sie in Ihrer Quarantäne-Zeit auch die Möglichkeit über das vergangene Galerie-Jahr nachzudenken?
Klar, es war wirklich ein seltsames Jahr. Wir mussten die Programmierung völlig neu überarbeiten, die Ausstellung des Künstlers Hubert Kostner zusperren und die nachfolgenden Ausstellungen verschieben. Im Moment haben wir für unsere Galerie viele Ideen und Projekte in der Schublade. Aber wir können nichts fixieren.
Und der Kunstmessenbetrieb?
Viele Kunstmessen wurden abgesagt und auch unsere Galerie musste viele Messeteilnahmen absagen. Einige Messen 2020 wurden vom Frühjahr auf den Herbst verschoben, andere von 2021 sogar auf 2022 verlegt. Es gibt viel Verwirrung.
Fanden 2020 überhaupt Kunstmessen statt?
Die Vienna Contemporary war die einzige Messe, wo wir als Galerie im Jahr 2020 dabei waren. Die Organisatoren profitierten von einer kleinen Lücke zwischen den beiden Corona-Wellen. Und ich muss gestehen, die Messe war für mich vollkommen anders. Durch die Sicherheitsmaßnahmen gab es beispielsweise mehr Raum für die Aussteller. Und es gab weniger Besucher*innen, denn das Publikum kam "nur" aus Wien.
Alles in allem aber, war die Lage für die Aussteller besser, es kamen nämlich nur Interessierte an den Messestand, als Menschen die wirklich Interesse an der Kunst haben.
Wie lief Ihr Galeriegeschäft in den vergangenen Wochen?
Das Tagespublikum ist natürlich stark reduziert. Aber das Interesse an der Kunst ist nicht vorbei – vor allem an den Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler, die bereits etabliert sind. Der Handel geht auch über Telefon oder Email.
Ich habe jedenfalls den Eindruck, viele Menschen hatten im vergangenen Jahr mehr Zeit, sich mit Kunst zu beschäftigen. Die Kunst hat profitiert.
Auch durch virtuelle Ausstellungsräume?
Diese vielen virtuellen Angebote, interessieren mich nicht und ich glaube auch nicht an die Zukunft für virtuelle Ausstellungen. Kunst muss live erlebt werden. Das Internet hat aber – bezogen auf die Kunst –, in Sachen Kunstvermittlung, Kommunikation und Vernetzung im Jahr 2020 erstaunliche Schritte gemacht. Ein Kunstwerk aber hat eine Einmaligkeit, eigene Dimensionen, ein Gewicht... man muss es live erleben.
Der Bildschirm bleibt also nur Hilfswerkzeug?
Ja, das erlebe ich auch, wenn mir Künstler*innen ihr Portfolio zusenden. Manchmal hat man nach dem ersten Eindruck eines Bildes auf dem Bildschirm große Erwartungen und ist dann, wenn man es zu Gesicht bekommt, enttäuscht. Der Bildschirm ist trügerisch.
Wie stark hat die Krise die Kunstwelt getroffen?
Die Tatsache dass sich Galerie-Kolleg*innen aus dem italienischen Raum mehr beklagen, als die Kolleg*innen nördlich von Südtirol, hat wohl mit der generellen Lage am Kunstmarkt zu tun, die in Italien seit Jahren nicht mehr so rosig ist. Ich denke, die Folgen dazu werden wir noch in den nächsten Jahren spüren.
Diese Krise hat sehr viel hervorgebracht: es gibt Branchen die am Boden sind, andere die so weitermachen konnten wie zuvor und solche, die sogar Profit machen. Man muss dazu sagen: die Kunstwelt ist natürlich eine Welt für sich, es gelten nicht die Regeln, die in anderen Bereichen gelten. Besonders die jungen Künstler und Künstlerinnen, hatten im vergangenen Jahr kaum Möglichkeiten ihre Arbeiten zu zeigen. Auktionshäuser haben hingegen durchaus profitiert, auch wenn es die klassische Auktion im Saal 2020 kaum gegeben hat.
Hat die aktuelle Ausstellung "Scenography of Existence "von Sissa Micheli und Jürgen Klauke mit der Pandemie zu tun?
Die Ausstellung hat nichts mit Covid zu tun. Wir haben das Projekt bereits vor der Pandemie in die Wege geleitet. Dazu waren ich und Sissa Micheli vor einem Jahr in Köln, wo wir mit Jürgen Klauke das Projekt besprochen, und Werke für Bozen ausgewählt haben.
Wie stehen Sie zu sogenannter "Covidkunst"?
Kunstwerke mit Maske? Die schau ich mir gar nicht an. Aber ich denke, dass in den kommenden Jahren durchaus die Folgen dieser Zeit analysiert werden. Mit Kunst.