Kultur | Weihnachtsgeschichte

New York lässt grüßen

Eine „falsche“ Madonna, eine „richtige“ Videopostkarte, eine Prise Ritten, Brixen, Island und Irland. Das sind die Zutaten für einen musikalischen New York-Weihnachtsgruß
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Foto: Tiberio Sorvillo
  • Gegen die Weihnachtstrauer nannte sich ein am 23. Dezember 2023 veröffentlichter Artikel auf dieser Plattform, der sich anhand einiger Beispiele mit Fantasie, Humor und Musik traurigen Momenten an Weihnachten zuwandte. Am Ende des Beitrags – nach „verfilmten Erinnerungen“ und einem Hinweis auf ein weihnachtliches „Death Café“ – folgte ein musikalischer Wink zu einem Weihnachtssong der Celtic-Punk-Gruppe The Pogues, der vom europäischen Kontinent direkt nach New York führt.

  • New Yorker Weihnachtssong

    Wer war noch niemals in New York?: Die Stadt ist Stätte und Kulisse eines bekannten Weihnachtssong der Band "The Pogues". Foto: Pexels/Benoit Dujardin

    Das musikalische Weihnachtsmärchen aus dem Jahr 1987 gilt als das „ehrlichste Weihnachtslied, das je geschrieben wurde“ und erzählt die Geschichte eines irischstämmigen Paares in New York zur Weihnachtszeit. Der Titel spielt ironisch auf das Buch A Fairy Tale of New York von J. P. Donleavy an, auf New York als Symbol für den amerikanischen Traum, der mitunter auch für viele Migrantinnen und Migranten unerfüllt bleibt. Gerade diese unromantische Ehrlichkeit des Liedes macht Fairytale of New York von den Pogues zu einem ohrwurmigen Anti-Weihnachtssong mit Herz.

    Dem 2023 verstorbenen Frontmann der Band The Pogues, Shane MacGowan – geboren am Weihnachtstag 1957 –, gelang es gemeinsam mit seiner Band und der Sängerin Kirsty MacColl, den Song zum Welthit zu machen. In einer Textzeile, in der mehrere Orte in New York reflektierend beschrieben werden, dient auch das bekannte Met Cloisters als atmosphärischer Bezugspunkt. Im Lied taucht es als eine der Erinnerungen des Paares auf, wenn sie durch die Stadt ziehen und über vergangene Zeiten sprechen. Auch die nachfolgenden zwei Weihnachtsgeschichten führen in die Stadt der Freiheitsstatue und über Umwege in die Kunst – und wieder zurück nach Europa. Eine der Geschichten sogar ins The Met Cloisters.

  • Die Neuauflage zum alten Song. "Fairytale of New York" (Feat. Kirsty MacColl) ist seit wenigen Tagen online. Passend zur Weihnachtszeit.
    (c) ThePoguesOfficial

  • „Falsche“ Brixner Madonna

    Die Kunstmetropole New York war für den Künstler Hannes Egger aus Lana in den vergangenen Monaten Dreh- und Angelpunkt seines Arbeitens. Egger absolvierte ein Artist-in-Residence-Programm der NARS Foundation, beteiligte sich an Ausstellungsprojekten und blickte in die verschiedenen Kunstszenen der Stadt. An einem Tag zog es den Künstler außerdem in „The Cloisters“, das bekannte Museum in New York City, das sich auf mittelalterliche europäische Kunst und Architektur spezialisiert hat.

  • Scheinbare Madonna aus Brixen: Stammt die Skulptur aus dem Mittelalter tatsächlich aus Brixen? Oder stimmt das gar nicht. Foto: Hannes Egger

    Das Museum ist wie ein echtes mittelalterliches Kloster aufgebaut und besteht aus originalen Bauteilen – Kreuzgänge, Kapitelle, Fenster –, die aus französischen und spanischen Klöstern stammen. Zu besichtigen gibt es allerhand mittelalterliche Skulpturen, Altäre und Handschriften. Und sogar – wie Egger erstaunt feststellte – eine aus Holz geschnitzte und bemalte Jungfrau mit Kind unmittelbar im Eingangsbereich des Museumsparcours. Auf der Plakette zur Kunstarbeit steht nämlich vermerkt, dass die Statue aus Südtirol, genauer gesagt aus Brixen, stammt.

    Aber kommt die um 1480 entstandene Madonna tatsächlich aus Brixen? Eine Nachfrage bei den Kunsthistorikern Hanns-Paul Ties und Ulrich Söding ergibt nach einer SALTO-Recherche ein anderes Bild, das wenig mit der Bischofsstadt im Eisacktal zu tun hat. Beide Experten vertreten die sogenannte Nürnberg-These und belegen diese auch mit reichlich Literaturangaben. „Problematisch im Hinblick auf eine Lokalisierung in Tirol wären auf jeden Fall die Gesichter von Mutter und Kind; ich wüsste nicht, wo man hier Vergleichbares fände“, meint Södenig. Falsch oder richtig? Fake (old) News oder Flüchtigkeitsfehler?

  • Nachbau europäischer Geschichte: Das Met Cloisters-Museum ist einem mittelalterlichen Kloster nachempfunden und ist mit allerhand Kunstwerken aus Europa bestückt. Foto: Hannes Egger
  • Hanns-Paul Ties berichtet von anderen Arbeiten im Met Cloisters mit Bezug zu Südtirol, die er für eine Ausstellung 2021 recherchiert hatte. Demnach befinden sich die Mitra des seligen Hartmann (12. Jahrhundert) aus Neustift in New York sowie die hl. Margareta von Antiochia (um 1480). Letztere befand sich um 1920 ebenfalls in Neustift und stammt aus der Margareten-Pfarrkirche von Neustift oder aus der Margareten-Pfarrkirche von Schabs.

  • Richtige „Postkarte“ aus Südtirol?

    Vor wenigen Tagen berichtete die New York Times über eine Ausstellung in New York zu einem Projekt des Festivals Transart, das 2025 über die Bühne ging und bei dem der Weg in die Ausstellung – abgesehen von der Besonderheit des Projekts – durchaus über kuriose Umwege führt. Am Ufer eines kleinen Weihers am Ritten präsentierte der isländische Künstler Ragnar Kjartansson im Spätsommer die Uraufführung seiner Performance Sunday Without Love.

    Vor dem Hintergrund einer idyllischen Landschaft performte Kjartansson mit weiteren Musikerinnen und Musikern, Darstellerinnen und Darstellern sowie Sängerinnen und Sängern in Kostümen, die – von einer folkloristischen Postkarte der 1960er-Jahre inspiriert – den Refrain eines Songs in Endlosschleife singen. Das Originallied stammt vom deutschen Künstler Rocko Schamoni, der es Mitte der 1990er-Jahre unter dem Titel Ohne Liebe leben lernen veröffentlichte. Ein Detail am Rande: Schamoni weilte bereits in den 1980er-Jahren für ein paar Tage im Eisacktal, genauer gesagt in Klausen. Die Erlebnisse dazu hat er vor einigen Jahren im erfolgreichen Buch Dorfpunks publiziert. SALTO hat dazu berichtet.

  • Isländische Postkarten-Performance bei Transart 2025 (inkl. Sprengung des Künstlers Roman Signer) am Ritten.
    (c) Transart 2025

  • Umgeben vom vollkommenen Frieden des Schauplatzes am Ritten wurden Schamonis (das Boot wurde auf Namen Rocko getauft) ins Englische übersetzte Liedzeilen „Baby, you must learn to live without love“ als idyllisch-lebendige Postkarte performt, gelangten als Videoarbeit nach New York und wurden bis vor wenigen Tagen in der Luhring Augustine Gallery gezeigt. 

    Die zwei Marginalien mit mittelalterlichem und zeitgenössischem Bezug zu Südtirol zeigen, dass vor allem Kunst und Kultur über den Atlantik hinweg problemlos migirieren und imstande sind Großstadtflair und europäische Provinz zu verbinden – ob als Madonnenskulptur, auch wenn nicht aus Brixen stammt, oder als Songzeile, in einer internationalen Weiterverarbeitung.

  • Baby, you must learn to live without love: (Un)endliche Perfomance einer Songzeile des Künstlers Rocko Schamoni am Ritten. Foto: Tiberio Sorvillo