Chronik | Meinung

Warum ich nicht für „forcaioli“ stimme

Kann ein Abgeordneter in Italien guten Gewissens gegen die Sperre des Senatorenamtes für Verurteilte stimmen? Eine Rechfertigung von Florian Kronbichler.

Der Vorwurf kam in der Nacht auf Freitag via Facebook: Kurz und bündig teilte M5S-Landtagsabgeordneter Paul Köllensperger auf seiner Facebookseite mit: „Ein einfacher Änderungsantrag, ein einziger Satz: Das Amt des Senators darf nicht ausgeübt werden, wenn jemand wegen einer nicht fahrlässig begangenen Straftat in letzter Instanz verurteilt wurde. Alfreider, SVP, Gebhard SVP, Plangger SVP, Kronbichler SEL und Gnecchi PD haben mit NEIN gestimmt....

Wie kann man nur? Das fragt mit dieser Eintragung indirekt nicht nur Südtirols wichtigster Vertreter des Einbringers Fünf-Sterne-Bewegung. Auch Kammerabgeordneter Florian Kronbichler wurde offenbar recht erschüttert von einem Freund um eine Begründung für sein Stimmverhalten gebeten. Die Antwort, die am Freitag öffentlich auf Kronbichlers Facebookseite folgte, mag zum Nachdenken und zur Diskussion über den richtigen Weg zum idealen Staat anregen - oder zumindest zu einem besseren. 


Ich verstehe die Irritierung des Freundes. Deswegen in aller Offenheit: Ich habe in voller Überzeugung gegen den Antrag des M5S gestimmt. Ich teile viele Ziele des Movimento und schätze – in bedauerlicher Einsamkeit – viele ihrer Abgeordneten, aber ich finde mich sehr in Opposition zu deren Haltung in Fragen des Rechtsstaats und der persönlichen Freiheiten. Sie sind mir zu punitiv, zu poliziesk, zu verdächterisch, immer mit Strafgesetzbuch und Handschellen zur Hand. „Forcaioli“ ist ein bildhafter Ausdruck dafür, ich habe keinen entsprechenden deutschen. Mag schon sein, dass Korruption und Vetternwirtschaft die Seuche unserer Zeit sind. Aber sie mögen mir noch so viele Beamte bestechen und noch so viele Heilige aus den Kirchen stehlen, ich werde deswegen nicht die Grundprinzipien unseres Rechtsstaates aufgeben, nicht Selbstjustiz rechtfertigen und nicht das allgemeine Wahlrecht, passiv wie aktiv, preisgeben. Ich will keinen nächsten Justizminister Antonio Di Pietro. Ich glaube nicht an einen justiziellen Weg zum idealen Staat. Die Anzeigerei vieler Oppositionskollegen ist mir zuwider. 


Im Konkreten: Der Antrag des eingangs erwähnten M5S-Antrags darf selbstverständlich für sich selber beurteilt werden. Verständlicher wird er aber im Zusammenhang mit mehreren vorangehenden Anträgen desselben M5S, die aufs gleiche Vorhaben abzielen: Da wurde erstens gefordert, dass nicht Senator werden kann, wer wegen ein strafrechtlichen Vergehens angezeigt ist („coloro che sono sottoposti a procedimento penale“), zweitens darf nicht Senator werden, gegen wen ein strafrechtliches Verfahren eröffnet ist („rinviato a giudizio“), und weil diese beiden Ungeheuerlichkeiten abgelehnt wurden (auch von mir), kam der dritte, weniger, aber immer noch ungeheuerliche Antrag („condannati con sentenza definitiva“) zur Abstimmung. 
Auf die Gefahr hin, mich in den Verdacht des Selbstschutzes zu bringen: Ich selber bin schon einmal „letztinstanzlich verurteilt“ worden. In einem Presseprozess, in dem übrigens der Staatswalt auf Freispruch plädiert hatte. Ich dürfte, wenn es nach den Justizialisten des M5S ginge, nicht Parlamentarier sein. Lebenslang. Aber davon abgesehen ...