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Gesellschaft | Landwirtschaft

Wir sind Teil der Lösung

Siegfried Rinner, Direktor des SBB und Christian Plitzner, Geschäftsführer des BRING nehmen Stellung zum Community-Beitrag "Bauern gegen den notwendigen Wandel":
die Landwirtschaft spielt in der Tat eine entscheidende Rolle im globalen Kontext des Klimawandels
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
SBB
Foto: Gemeinde Kaltern
  • Aber die Daten sind vielleicht nicht so eindeutig, wie es Herr Benedikter in seinem Beitrag vom 07.02.2024 darstellt. Was immer wieder auffällt, ist die einseitige Auslegung des komplexen Prozesses der Herstellung von notwendigen Nahrungsmitteln. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass in einigen Punkten die Landwirtschaft wissentlich in ein schlechtes Licht gerückt werden soll und Fakten verdreht dargestellt werden.

    Die umfangreiche Subventionierung der Landwirtschaft ist dahingehend als Notwendigkeit zu betrachten, dass dadurch verhältnismäßig günstige Lebensmittel am Markt verfügbar sind. Nur so war es möglich, dass in den letzten Jahrzehnten der Einkommensanteil, welcher für Lebensmittel ausgegeben wird, laufend zurückgegangen ist, und der heute in Europa vorhandene Lebensstandard finanzierbar wurde. Ohne Subventionierungen wären Preise für Lebensmittel um ein Vielfaches höher, womit vor allem einkommensschwache Bevölkerungsschichten benachteiligt wären, denen die Subventionen so als indirekte Einkommensstütze dienen. Wir geben in Südtirol nur noch 12% unseres Einkommens für Lebensmittel und Getränke aus, aber fast 50% für Wohnen und den damit zusammenhängenden Kosten.

    Wie jeder andere Wirtschaftszweig auch verursacht auch die Landwirtschaft Emissionen. Gleichzeitig ist sie aber der einzige Wirtschaftszweig, der auf natürlichem Wege auch zu dessen Bewältigung beitragen kann. Der einfachste, günstigste und einzige natürliche Weg CO2 aus der Atmosphäre zu binden, geschieht nämlich im Zuge des Pflanzenwachstums durch die Photosynthese, wobei auch Sauerstoff entsteht. Diese elementaren Zusammenhänge müssen wir bei allen Überlegungen im Hinterkopf behalten. Aber auch die Tierhaltung ist als unverzichtbarer Zweig zu betrachten, da rund 70% der landwirtschaftlichen Nutzflächen weltweit als nicht ackerfähig gelten, womit vor allem die Haltung von Wiederkäuern durch ihre Fähigkeit faserhaltige Futtermittel zu verdauen alternativlos zur Ernährung der Weltbevölkerung beiträgt. In dieser Hinsicht müssen Emissionen, welche in der Landwirtschaft entstehen, immer in Relation mit deren Ökosystemdienstleistungen gesehen werden. Ein Punkt, welcher in heutigen Klimabilanzierungen häufig nicht berücksichtigt wird.

    Weiters kann die Aussage, wie sie auch im Klimaplan verankert ist, dass Heumilch in ihrer Erzeugung 25% weniger CO2-Äquivalente pro kg Milch ausstieße, durchaus angezweifelt werden. So belegen viele wissenschaftliche Untersuchungen das Gegenteil, womit die Formulierungen des Klimaplans eher ideologisches Wunschdenken als eine fachlich begründete Strategie darstellen. So schreibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Deutschland, dass Treibhausgasemissionen je kg Milch durch die Erhöhung der Milchleistung, wie sie mit intensiveren Produktionssystemen einhergeht, durch die verbesserte Effizienz reduziert werden. Außerdem zeigen zahlreiche Untersuchungen aus dem norditalienischen Raum (z.B. Gislon et.al.), dass mit Südtirols konventioneller Bewirtschaftungsweise vergleichbare Betriebe in etwa dieselben Emissionen je kg Milch (fett- und proteinkorrigiert, FPCM) ausstoßen als Heumilchbetriebe. Durch eine kontinuierliche Verbesserung der Grundfutterqualitäten, wie sie auch in Südtirol zunehmend angestrebt wird, können die Emissionen im Vergleich zur extensiveren Heumilchwirtschaft um bis zu 15% je kg Milch gesenkt werden. 

    Werden die Treibhausgasemissionen der Milcherzeugung nicht mit Bezug auf den kg Milch, sondern den Quadratmeter landwirtschaftliche Nutzfläche betrachtet, mag es durchaus stimmen, dass die Heumilcherzeugung einen geringeren klimatischen Fußabdruck aufzuweisen scheint. Erklärbar ist dies mit dem einfachen Fakt des reduzierten Ressourceneinsatzes. Allerdings ist diese Strategie nicht zielführend, solange die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen nicht in gleichem Umfang sinkt. Ansonsten wird die Produktion einfach in andere Betriebe/Länder verschoben, was ausschließlich zu einer Verlagerung der Emissionsproblematik, nicht aber zu einer wirklichen Reduzierung führt. 

    Aber nur damit keine Zweifel aufkommen: wir stehen zur Heumilch, und wenn der Markt dafür bereit ist zu zahlen, werden die Betriebe frohen Mutes auf die Heumilchproduktion umsteigen. Aber ausschließlich mit der CO2-Diskussion lässt sich dieser Umstieg nicht rechtfertigen.

    Es ist auch sinnlos, eine kontinuierliche Reduktion der Tierbestände als Ziel zur Emissionsminderung zu betrachten: abgesehen von den Emissionen, die damit nur verlagert und nicht verhindert werden, verschwindet damit die Viehhaltung, womit die vielfach nicht ackerfähigen Flächen Südtirols (85% der Flächen) ihre Nutzung verlieren und somit verwildern. Das endet unweigerlich in einem Verlust der Kulturlandschaft und Biodiversität, denn eines dürfte doch klar sein: die ersten Flächen, die verschwinden werden, sind jene, die extensiv und schwierig zu bewirtschaften sind.

    Hinsichtlich der Auszahlungspreise für Milch wurden diese in den letzten Jahren in der Tat angehoben, gleichzeitig sind die Kosten für Produktionsmittel jedoch unverhältnismäßig stärker angestiegen, womit sich die Wirtschaftlichkeit nicht verbessert hat. Erst langsam scheint sich diese Situation wieder zum Besseren zu wenden. Auch ein Vergleich der reinen Auszahlungspreise mit anderen Ländern hinkt in dieser Hinsicht, da Produktionsbedingungen und -kosten nicht vergleichbar sind. Wird somit durch die zunehmend schwierigere Wirtschaftlichkeit – wobei der zusätzliche Druck über Klimamaßnahmen auch nicht hilfreich ist –  ein Höfesterben hingenommen, ist dies nicht nur „schade“, sondern eine ernsthafte Bedrohung für die Südtiroler Kulturlandschaft. Rein durch die Bewirtschaftung und Pflege von Wiesen und Weiden werden diese nämlich offengehalten. Nur so kann die äußerst vielfältige und sowohl für die eigene Lebensqualität als auch den Tourismus wertvolle Kulturlandschaft als wichtigstes Kapital Südtirols langfristig erhalten werden.

    Die angesprochene erhoffte Bereitschaft des Konsumenten, mehr für landwirtschaftliche und vor allem für tierische Produkte auszugeben, ist dabei anstrebenswert, allerdings nicht im Sinne von Mehrausgaben für einen verstärkten Verzehr tierischer Produkte. Dies wäre aus Sicht einer nachhaltigen Ernährung in der Tat kontraproduktiv. Diese Mehrausgaben sollen viel mehr den notwendig höheren Preis für ein hochwertiges und nachhaltig erzeugtes Produkt direkt vom Bauern und von unseren Genossenschaften bezahlen und somit die lokale Landwirtschaft  unterstützen, anstatt durch Billigprodukte vom Discounter die Verlagerung ins Ausland zu fördern. Die Landwirtschaft kann nur das produzieren, was gekauft wird. Sie ist ein Spiegel der Gesellschaft. 

    Abschließend muss hervorgehoben werden, dass die Landwirtschaft in keinster Weise pauschal gegen Veränderungen im Produktionssystem gesinnt ist, solange diese mit dem Erhalt einer gesicherten Einkommensgrundlage vereinbar sind. Die Landwirtschaftspolitik darf nicht nur bis zum Acker und der Wiese, sondern muss bis zum Teller reichen. Dazu ist es gerade für unsere familiengeführten Kleinbetriebe unausweichlich, dass notwendige Schritte im Dialog mit den Landwirten selbst ausgearbeitet werden und Mehraufwände in den Produktionskosten durch zusätzliche Einkommensmöglichkeiten kompensiert werden können. Nur dann wird die Landwirtschaft zu einem echten Innovationsträger werden und die Herausforderungen meistern.