Guten Morgen, du Schöne
Alla mattina, appena alzata / o bella ciao bella ciao bella ciao ciao ciao sangen sich die Mondine im Po-Delta zu, als sie gebückt ihre Saisonarbeit von August bis November in den Reisfeldern verrichteten. Sie kamen aus der Emilia-Romagna, dem Veneto oder der Lombardei um in kurzen Hosen mit einem Taschentuch um den Mund gebunden als Insektenschutz barfuß gebückt das Unkraut zu jäten. Von den ersten bis zu den letzten Sonnenstrahlen. Bei geringerer Bezahlung als die Männer.
Ma verrà un giorno, che tutte quante / lavoreremo in libertà
Bella Ciao ist das Lied, das den 1906 vermehrt stattfindenden Streiks eine Zukunft in Aussicht stellte. Die Mondine wussten, dass sie ein besseres Leben wollten, sie wussten, dass sie sich dafür unerbittlich einsetzen müssen. Denn die Gesellschaft war daran interessiert, sie arm und also abhängig von ihren Arbeitgebern zu halten, so viel wie möglich für so wenig wie möglich von ihnen rauszuholen. In ihrer Arbeitsmontur waren nicht einmal Gummistiefel vorgesehen. Pro Tag verdienten sie 2 Lire. Heute 6,50 Euro die Stunde.
Ma verrà un giorno, che tutte quante / lavoreremo in libertà sagen die Mondine den Soldaten ins Gesicht, als sie 1906 den Zugang zu den Reisfeldern blockierten um 8 Stunden und 25 Centesimi mehr für ihre Arbeit verlangten. Erfolgreich.
Es waren auch die Jahre, in welchen viele Italiener und Italienerinnen nach Amerika auswanderten, um ein besseres Leben dort zu finden. Auch das Lied wurde mitgenommen und in New York in Brooklyn von jiddischen Arbeitern aufgenommen. Sie haben es auf die Situation der Kohlearbeiter umgeschrieben. Bekannt wurde es unter dem Titel Koilen.
Damit war die weltweite Verbreitung schon vor dem ersten Weltkrieg in den Arbeiterinnenmilieus vorbereitet.
Doch den Text, den wir von linken Demonstrationen in Europa, den USA, Japan, Lateinamerika und Israel kennen, ist nicht der der Mondine.
Die Bella Ciao-Version der Partisanen und Partisaninnen ist es, welche alle singen.
Bella Ciao – Partigiane_i |
Bella Ciao – Mondine |
Una mattina |
Alla mattina appena alzata |
Wie kam es dazu? 1964 gab es Interesse daran, das andere Italien, das des Proletariats zu zeigen. Ähnlich wie in den USA Allen Lomax und Zora Neal Hurston loszogen, um den Blues der ehemaligen Sklavengebiete der Südstaaten auf Schallplatte herauszugeben, haben die Ethnomusikologen Gianni Bosio und Roberto Leydi die alten Canti Sociali gesucht und begonnen, diese aufzunehmen. So ist es uns heute möglich, Giovanna Daffini, die selbst ihre Jugend in den Reisfeldern gearbeitet hat, Bella Ciao der Mondine singen zu hören. Sowohl die Bourgoisie als auch die Linke in Italien hatten die Ausgabe von Roberto Leydis Canti Popolari Italiani zu Hause.
Der Arbeiterinnenkampf der Mondine war zur nostalgischen Erinnerung geworden. Der Text der Partisan-innen-Version hebt den jeweils spezifischen Arbeiter-innenkampf, der sich gegen die eigene Gesellschaft richtet auf eine Ebene, wo der Feind von Außen kommt und die eigenen gesellschaftlichen Zustände nicht mehr anklagt. Damit wird die Forderung nach Freiheit nicht mehr in Zusammenhang mit unmöglichen Arbeitsbedingungen gebracht sondern als idealisierte Form einer gesellschaftlichen Vorstellung, der die gerichtete Kraft der konkreten Version der Mondine fehlt.
Guten Morgen, du Schöne ist dem Buchtitel von Maxie Wander (1933-1977) aus dem Jahr 1977 entnommen, in welchem sie Protokolle von Interviews veröffentlicht hat, die sie mit DDR-Arbeiterinnen zu ihrem Lebensalltag geführt hat.