Gesellschaft | Mobilità sociale

Von der Schule in den Erfolg

In einer vorbestimmten Gesellschaft stehen benachteiligte Jugendliche vor unüberwindbaren Karrierehindernissen. Individuelle Unterstützung und innovative Schulprogramme sind unerlässlich, um Ungleichheiten zu durchbrechen
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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  • Unsere Gesellschaftsstruktur ist ein komplexes hierarchisches Geflecht sozialer Positionen. Wer auf der sozialen Leiter nach oben klettert und wer unten bleibt, wird zum Großteil von unserem familiären Hintergrund bestimmt. Unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und unser Risiko von Armut betroffen zu sein, sind davon abhängig. Eine 2022 veröffentlichte Studie zur Sozialen Mobilität von AFI | Arbeitsförderungsinstitut und Eurac Research hat gezeigt, dass der soziale Status auch in Südtirol vielfach vererbt wird. Eine Gesellschaft, in der nicht alle Personen – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft – die gleichen Chancen haben, sozial mobil zu sein, das heißt eine bestimmte soziale Position zu erlangen, zeugt von tiefgreifenden strukturellen Ungleichheiten. 

  • Wie können wir diesem Problem begegnen? 

    Eine vielversprechende Lösung liegt in der frühzeitigen beruflichen Bildung von Schüler:innen. Eine solide schulische und berufliche Ausbildung ebnet den Weg für einen erfolgreichen Übergang in den Beruf und bestimmt sogar, ob wir später in den Genuss von wohlfahrtsstaatlichen Leistungen wie Rente und Arbeitslosengeld kommen. Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass Schüler:innen darin bestärkt werden schon während der Schulzeit erste Erfahrung für das Berufsleben sammeln.

    Aus einem kürzlich veröffentlichten OECD-Bericht geht hervor, dass Kinder, die aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status kommen, einen Migrationshintergrund aufweisen oder weiblich sind, oft vor größeren Herausforderungen stehen, wenn es darum geht den Übergang von der Schule in den Beruf erfolgreich zu bewältigen – und das trotz gleichem Bildungsweg. Sie investierten weniger bereits früh in ihre berufliche Zukunft und unterschätzten oft die Bedeutung von Bildung und Ausbildung für den Erfolg im Berufsleben. Dies führt nicht selten dazu, dass sie in Ausbildungslosigkeit, Erwerbslosigkeit oder Erwerbsarmut geraten. 

  • Wie sieht es in Südtirol aus? 

    Auch in Südtirol sind solche Barrieren für benachteiligte Gruppen allgegenwärtig. Eine Erhebung des Landesinstituts für Statistik Astat von 2021 zeigt, dass 13,3 % der jungen Menschen in Südtirol weder beschäftigt noch in Ausbildung waren. Junge Frauen sind öfter von Erwerbs- und Ausbildungslosigkeit betroffen als Männer. Kinder, deren Eltern einen Mittelschulabschluss besitzen, gehen deutlich häufiger nach der Mittelschule ebenfalls keiner weiterführenden (Aus-)Bildung nach oder brechen diese ab. Dies trifft auf 33,1% der Kinder mit Migrationshintergrund zu. 

    Der sozioökonomische Hintergrund ist demnach ein Grund für fehlende Karriereinvestitionen, die in der Folge zu sozialen Ungleichheiten führen. Ebenso wirken sich bestehende Ungleichheiten negativ auf die Karriereentwicklung aus. So gibt es in sozio-ökonomisch schwachen Gebieten beispielsweise mehr Schulabbrüche. Das Problem ist nicht zwangsläufig die fehlende Ambition, sondern die gelebten Erfahrungen nicht-erfüllter Ziele. Ein scheinbar ewiger Kreislauf, der von Hindernissen im Erreichen bestimmter sozialer Positionen geprägt ist. Die Gretchenfrage lautet: Wie kann dieser Kreislauf durchbrochen werden?

  • Der Schlüssel liegt in individuell zugeschnittenen Unterstützungsnetzwerken

    Benachteiligte Schüler:innen benötigen gezielte und vor allem individuell auf sie angepasste Unterstützung bei der Anhäufung von Wissen, Erfahrung und Fähigkeiten, die für einen erfolgreichen Karriereweg unerlässlich sind. Wie sehr Jugendliche schon früh in ihre berufliche Entwicklung investieren, steht in engem Zusammenhang mit der Art und Weise, wie sie ihre Zukunft planen und ihre eigenen Möglichkeiten bewerten. Kinder aus einkommens- und bildungsschwachen Familien fehlt meist auch ein starkes familienbasiertes Netzwerk, das ihnen Informationen, Motivation, Ressourcen und Unterstützung für die Zukunftsplanung bieten kann.

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  • Berufsberatung und -begleitung während der Schullaufbahn

    Genau hier können Informations- und Orientierungshilfen andocken. Eine der 14 Maßnahmen, die kürzlich vom Dachverband für Soziales und Gesundheit, AFI und Eurac als politische Handlungsempfehlung an die Südtiroler Landesregierung herangetragen wurde, lautet deshalb auch: „Es braucht eine Aktivierung unterstützender Netzwerke, um junge Menschen bei Bildungs- und Berufsübergängen gezielt und individuell zu begleiten.“ Möglichen Raum dafür können schulinterne Beratungsstellen oder in den Schulalltag integrierte Programme bieten, mithilfe derer die Schulkinder berufliche Fähigkeiten, ein soziales Netzwerk und ein Verständnis für sich selbst und für die Arbeitswelt aufbauen. 

    Die empirische Forschung belegt, dass berufsvorbereitende Angebote in der Schule junge Menschen in ihrem Selbstverständnis und ihrem Wissen bezüglich der Arbeitswelt nachhaltig positiv beeinflussen. PISA-Daten von 2018 zeigen auch, gerade benachteiligte Kinder vertrauen auf die Schule als Informations- und Beratungsquelle, während Kinder mit höherem sozio-ökonomischen Status mit größerer Wahrscheinlichkeit Informationen außerhalb der Schule abrufen. Die Schule spielt also nicht nur eine wichtige Rolle in der allgemeinen Bildung, sie hat auch das Potential, systembedingte Ungleichheiten im Zugang zum Arbeitsmarkt durch konkrete berufliche Bildung zu beseitigen. 
     

  • Wie können wir dieses Vorhaben nun auf Südtirol übertragen und in die Tat umsetzen?

    Zwei aktuelle Faktoren, die – unter vielen anderen – dringend mehr Aufmerksamkeit verlangen, sind: 1. Viele junge Menschen stehen aufgrund der nicht enden wollenden Krisen vor dramatisch gestiegenen Herausforderungen bezüglich ihrer Zukunftsplanung, 2. Mit Blick auf den hohen Anteil ausländischer Kinder, die den Bildungsweg nach der Mittelschule abbrechen, müssen Integration und Bildung besser Hand in Hand gehen. Schule muss ein Ort werden, an dem gleichermaßen die Vermittlung von Basiskompetenzen, die berufliche Vorbereitung sowie die gezielte Förderung benachteiligter Kinder im Vordergrund stehen. 

    In der Stadt Hamburg sind inzwischen alle Schulen Ganztagsschulen. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass alle Kinder länger die Schulbank drücken müssen. Stattdessen wird neben dem normalen Lernstoff in der Schule auch Raum geboten für Projekte, Arbeitsgemeinschaften und Hilfsangebote, welche die Förderung des sozialen Austauschs und die individuellen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen berücksichtigen.

    Verschiedene Länder machen bereits mit spezifischen Programmen vor, wie berufliche Begleitung konkret aussehen kann. Das „School to Work Transition program“ im australischen Bundesstaat Queensland mit dem besonders sozio-ökonomisch benachteiligte Kinder, Kinder aus ländlichen und abgelegenen Gebieten oder Gruppen, die am Arbeitsmarkt unterrepräsentiert sind, angesprochen werden. Durch öffentliche Finanzierung werden Partnerschaften zwischen Schulen, Schulkindern, lokalen Organisationen und Arbeitgebern geschaffen. 

    Das finnische Programm „School-to-Work Group Method” hilft Schüler:innen dabei am Ende ihrer Schulzeit einen Job zu finden und diesen auch zu halten. In einer Art Projektwoche werden Informations- und Austauschmöglichkeiten mit der örtlichen Arbeitsvermittlungsstelle angeboten. 

    Mit Blick auf diese Praxisbeispiele wird deutlich, dass gezielte Programme und Partnerschaften zwischen Schulen, lokalen Organisationen und Arbeitgeberinnen wirksame Instrumente darstellen. Diese ermöglichen es, jungen Menschen aus benachteiligten Verhältnissen den erfolgreichen Übergang in die Arbeitswelt zu erleichtern und langfristig soziale Ungleichheiten abzubauen. Südtirol könnte von ähnlichen Ansätzen profitieren, um Bildungs- und Berufsberatungsstrategien in das Schulsystem zu integrieren. Indem wir auf individuelle Unterstützung setzen und die Ressourcen bereitstellen, um Jugendlichen eine realistische Perspektive auf ihre Zukunft zu ermöglichen, können wir einen bedeutenden Schritt hin zu einer gerechteren Gesellschaft machen, in der alle die gleichen Chancen haben, ihr volles Potenzial zu entfalten.