Im Kunstboot gegen Gewalt an Frauen

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Das Projekt „Das rote Boot“, eine Kooperation des Südtiroler Künstlerbundes mit dem Verein Erlebnis Pragser Wildsee und dem Landesbeirat für Chancengleichheit, wurde erstmals im vergangenen Jahr präsentiert. Im Zentrum des künstlerischen Konzepts steht neben dem Boot der zum touristischen Hotspot gewordene Pragser Wildsee. „Die Postkartenidylle der beeindruckenden Naturkulisse des Pragser Wildsees ist mit einem auf dem See treibenden Boot aufgeladen. Das signalrote Objekt steht als Mahnmal gegen Gewalt an Frauen.“ Seitdem tourt das Boot als Wanderausstellung durch Südtirol – von einem „sicheren Hafen“ zum nächsten.
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„Stop the violence“: Aufruf zu sozialer, gesellschaftlicher und politischer Verantwortung. Foto: SALTO
18 Künstlerinnen und Künstler setzen sich im Rahmen des Projekts mit dem Thema Gewalt an Frauen auseinander. Durch ihre individuellen Interventionen rund um das rote Boot drücken sie Solidarität aus und rufen zu sozialer, gesellschaftlicher und politischer Verantwortung auf. Einen besonderen Platz in der Ausstellung erhält die junge Künstlerin Indra Moroder, deren Beitrag mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde. Ihr Werk Floating Angel, ein Kurzvideo, das am Pragser Wildsee mit dem roten Boot gedreht wurde, ist in einem eigenen Raum der Sparkasse zu sehen. In einer autobiografischen Performance zeigt sich Moroder als Schatten ihrer selbst auf dem Boot. Ihre Arbeit steht sinnbildlich für Wiedergeburt, Nähe zu Opfern und Hoffnung.
Ihr Boot steuert entschlossen Richtung gewaltfreie Zukunft.
Die weiteren künstlerischen Positionen gruppieren sich rund um den Lichthof des Gebäudes. Gino Alberti und Katrin Böge zeigen Die weißen Blusen, ein Werk, das ein historisches Symbol der Emanzipation bewusst konterkariert: Die Bluse steht hier nicht für Stärke, sondern für verletzte Würde durch Missbrauch und Unterdrückung. Sophie Lazari beschäftigt sich mit der Frage „Was bedeutet es heute, weiblich zu sein?“ und thematisiert den schmerzhaften Kampf gegen patriarchale Strukturen.Soziales Kunstprojekt in einem Bozner Bankinstitut: 18 Künstlerinnen und Künstler setzen sich im Rahmen des Projekts mit dem Thema Gewalt an Frauen auseinander. Foto: SALTOElisabeth Oberrauch und Simone Oberrauch widmen ihre Arbeit dem stillen Gedenken an die leidvollen Erfahrungen von Frauen, die sie durch einen Moment von Schönheit, Liebe, Poesie und Zärtlichkeit zum Ausdruck bringen. Julia Bornefeld ist mit der Arbeit Knive vertreten, Brigitte Knapp mit Juuzen, der archaischen Gesangsform, die der Stimme authentischen Ausdruck verleiht. Die Installation von Wil-ma Kammerer greift das Thema Atmen auf – ein menschliches Grundbedürfnis, das durch Gewalt eingeschränkt werden kann. Ein mit Luft gefülltes Kissen wird zur Metapher für Freiheit, Überleben und Schutzraum, zugleich jedoch für dessen Zerbrechlichkeit. Ihre Arbeit ist eine leise, eindringliche Mahnung an die Achtsamkeit in einer Gesellschaft, in der Frauen ohne Angst leben können sollten. Sylvie Riant verweist auf eine erschütternde Statistik und verwandelt diese in ihr Werk: ein rotes Seil und 85 rote Kleider als Erinnerung daran, dass wir alle „Teil des Problems und der Lösung sind.“
Lissy Pernthaler zeigt ein brennendes Boot – zugleich bedrohlich und mystisch – als dauerhaftes Mahnmal. Ali Paloma entwirft ein kraftvolles Bild für eine Welt, in der Gewalt gegen Frauen nicht mehr geduldet wird: Ihr Boot steuert entschlossen Richtung gewaltfreie Zukunft.Atmen von Wil-ma Kammerer: Ein mit Luft gefülltes Kissen wird zur Metapher für Freiheit, Überleben und Schutzraum, zugleich jedoch für dessen Zerbrechlichkeit. Foto: SALTOWerner Seidl bringt mit seinem Werk einen schimmernden Eisberg ins Spiel, der scheinbar friedlich im Wasser treibt. Doch 90 Prozent seiner Masse befinden sich unter der Oberfläche – ein Sinnbild für das, was im Verborgenen schlummert. Ingrid Klauser thematisiert in ihrer Arbeit „Unter der Decke“ die oft unsichtbare Gewalt im familiären Umfeld – verdeckt, lautlos, schwer zu erkennen. Auch Laura Pan, in Zusammenarbeit mit Valeria Befani und Silvia Quattrocchi, ist Teil der Ausstellung, ebenso wie Matthias Schönweger und Hubert Kostner. Sissa Micheli und Thomas Riess zeigen Floating and healing red threads, ein Projekt, das ästhetische Ausdruckskraft mit heilender Symbolik verbindet. Katharina Theresa Mayr ist mit GEH.walt vertreten, einer Arbeit, die sich mit der Spannung zwischen Gewalt und Gehen – im Sinne von Bewegung und Selbstbestimmung – beschäftigt. Petra Polli und Giancarlo Lamonaca präsentieren schließlich ihre Arbeit Courage. Sie fordern: Hinschauen. Nicht schweigen. Sich einmischen. Auch wenn das unbequem ist.
Bis 30. September wird Das rote Boot – Künstler:innen gegen Gewalt an Frauen in der Südtiroler Sparkasse am Waltherplatz präsentiert. Dann zieht das Boot wieder weiter...
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