Kultur | Salto Afternoon

Messer, Gabel, Schere, Licht...

Techno erwartet, technisches Museum bekommen. Über einen skurrilen Transart-Abend in Bozen Süd mit dem Brunecker Stefano Bernardi und den Musikern von "hand werk".
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Foto: Tiberio Sorbillo für Transart

Zugegeben, die Beschreibung der Veranstalter war etwas obskur: Von „Analog-Forschern“ war da die Rede, die „der faszinierenden Klangwelt historischer Elektrogeräte auf der Spur sind“. Das Kölner Kollektiv hand werk entlocke "Apparaturen der 80er Jahre im Bereich der Klangverstärkung und Klangveränderung" Klänge, die den Hörer "förmlich zu elektrisieren vermögen“. Das alles in den Räumlichkeiten des Alperia Tower. Ich zeigte die Beschreibung Freunden, die meinten, oh, „Techno in Bozen“. Und „seit wann stehst du auf sowas“. Es klang nach einem Experiment, aber eben auch nach Tanzen. Zu dritt machten wir uns auf den Weg. Ich nahm Ohrstöpsel mit, solche Partys können laut werden, dachte ich.

Die Halle ist still. Das Publikum sitzt auf Stühlen. Wir ahnen, dass wir uns verschätzt hatten.

Den Alperia Tower sieht man schon von weitem - am Fuße des Hügels von Sigmundskron heißt er die Autofahrer bei Bozen Süd willkommen, eine Art futuristischer Leuchtturm. Den Tower mit dem Auto zu erreichen ist etwas schwieriger, aber dank moderner Navigationstechnik machbar. Mit etwas Verspätung erreichen wir Tanzwilligen die Veranstaltung. Die Halle ist still. Das Publikum sitzt auf Stühlen. Wir ahnen, dass wir uns verschätzt hatten.

Das Kölner Kollektiv hand werk besteht aus Musikern, die manchmal mit Instrumenten Musik machen, manchmal aber auch Störgeräusche produzieren, mit Partitur und im Ensemble. Das Knistern eines analogen Fernsehers, der nervtötende Ton, der beim Anstecken eines eingeschalteten Lautsprechers erklingt, das Brausen einer Starkstromleitung bei feuchtem Wetter - aus solchen Geräuschen basteln die Musiker die Stücke ihrer Performance.

Was für ein erstaunliches Tier der Mensch doch ist - wie wir uns freiwillig in seltsamste Situationen bewegen und stillhalten

In einer Halle des Alperia-Werks sitzt das Publikum in der Mitte und rundherum sind die „Instrumente“ aufgebaut - ein bisschen wie Versuch-Stationen für Kinder in einem Technischen Museum. Und daran erinnert das Schauspiel auch: An Kinder, die die erstaunliche Selbstwirksamkeit entdecken, die einem Elektrizität schenkt, zum Beispiel beim Licht ein- und ausknipsen. Ganz oft hintereinander, schnell und langsam, im Takt. Nervenaufreibend. Auch deshalb heißt es wohl, „Messer, Gabel, Schere, Licht, sind für kleine Kinder nicht“, fällt mir ein. Und wie manchmal auch in der Enge eines Flugzeugs vor dem Starten kommt mir der Gedanke, was für ein erstaunliches Tier der Mensch doch ist - wie wir uns freiwillig in seltsamste Situationen bewegen und stillhalten. Weil wir soziale Tiere sind und weil wir wissen, es dauert nicht ewig. 

Die Performance dauert ungefähr eine Stunde. Teilweise wird es sehr laut, ich freue mich doch noch über die Ohrstöpsel. Zwischendurch Applaus, und die Musiker wechseln zur nächsten Versuch-Station.  Man hält sich ans Protokoll, die Gesichter sind ernst, hie und da ein stoisches Lächeln.

Und wer sollte hier auch über wen lachen?

Beim zweiten Teil der Veranstaltung gibt es dann doch noch Musik. Stefano Bernardi experimentiert mit den Stücken des Barockkomponisten Telemann, danach gibt es ein DJ Set von Mattia Lorenzi. Teil der Show ist die Beleuchtung des Alperia Tower, der im Takt in allen Farben blinkt, mehr Leuchtturm denn je. Der Turm, das habe ich später nachgeschaut, speichert übrigens die Abwärme der Müllverbrennungsanlage in 5.800 Kubikmetern Wasser. 

Der Turm blinkt, es spielt Musik, der Sommerabend ist lau. Und doch würde sich Tanzen etwas unpassend anfühlen.