Gesellschaft | Schule

Der Bebilderungsdirektor

Bildungsdirektor Gustav Tschenett wird zum Werbevertreter vom Despar. Er lässt an Südtirols Schulen amtlich ein Sticker Album der Großhandelskette verteilen.
Gustav Tschenett
Foto: LPA/Ingo Dejaco
Wenn man den richtigen Draht nach oben hat, geht an Südtirols Schulen alles. Auch das was eigentlich nicht möglich sein dürfte: Nämlich flächendeckend kommerzielle Werbung per Amtstempel kostenlos verteilen zu lassen.
Der richtige Draht dafür heißt Gustav Tschenett, Bildungsdirektor für die deutsche Schule in Südtirol.
Am 9. September trudelt in der Bildungsdirektion des Landes eine Mail von Ingo Wachtler ein. Wachtler ist Marketingleiter der größten Handelskette Norditaliens, der „Aspiag Service GmbH“. Das Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz betreibt die Supermarktketten von Despar, Eurospar und Interspar.
Wachter schreibt:
 
„Sehr geehrter Herr Tschenett,
im Anhang finden Sie unser Infopaket zur Stickermania-Aktion, welche mit dem heutigen 9. September startet. Die Initiative beinhaltet auch einen Wettbewerb für Schulklassen, der sich vorwiegend an Grund- und Mittelschulen richtet .Bei Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Auf diesem Wege wünsche ich auch alles Gute für das neue Schuljahr und verbleibe
mit freundlichen Grüßen.“
 
Angehängt ist ein Schreiben auf Despar-Briefpapier zur neuen Werbeoffensive „Stickermania“. Der Hintergrund: Wer in Despar-Geschäften einkauft, erhält für jeweils 10 Euro Einkauf ein Briefchen mit Stickern. Dazu kann man um 1,99 Euro ein Album kaufen, um die Bildchen einzukleben. Es ist eine Werbeaktion, die seit Jahrzehnten vor allem beim Kindern zu großen Erfolgen führt.
Die Südtiroler Schule ist hier ein ideales Fischgewässer. Genau darauf baut die Handelskette dann auch auf.
Der beigelegte Brief ist an die Lehrer gerichtet. Dort heißt es:
 
Es handelt sich um eine durchaus gutgemachte kommerzielle Werbeaktion eines Großunternehmens. Verschönert durch eine Zusammenarbeit mit dem UNO-Kinderhilfswerk Unicef und einem Hilfsprojekt in Peru.
Was so etwas aber in der Schule zu suchen hat, bleibt schleierhaft. Tatsache ist, dass Gustav Tschenett kurzerhand die gesamte Südtiroler Schule vor den Aspiag-Karren spannt.
Der Bildungsdirektor lässt am Dienstag dieser Woche eine Rundmail an Südtirols Schulen verschicken. Der Betreff „WG: Stickermania-Aktion vom 9. September bis 24. Oktober.
 
„Sehr geehrte Frau Direktorin, sehr geehrter Herr Direktor,
im Auftrag des Bildungsdirektors Gustav Tschenett erhalten Sie hiermit die Informationen und das Schreiben an die Lehrpersonen bezüglich der Stickermania-Aktion mit der höflichen Bitte, diese an alle Lehrpersonen Ihrer Schuldirektion weiterzuleiten.“
 
Das Schreiben, das diese Woche zusammen mit den Despar-Werbematerialien an alle Lehrpersonen der Grund- und Mittelschulen in Südtirol verteilt wurde, hat bei vielen Pädagogen mehr als Ärger hervorgerufen.
Die Schule wird hier als Werbeträger eines Großunternehmens missbraucht“, ärgert sich eine Gruppe von Mittelschullehrern, die sich an Salto.bz gewandt haben. Eine Direktorin wird noch deutlicher: „Hier wird effektiv Frühförderung von Spielsucht betreiben und man muss sich schon fragen, ob es sich in diesem Fall nicht um Amtsmissbrauch handelt, wenn ein Bildungsdirektor Werbung und Spielsucht in der Schule fördert?
Bildungsdirektor Gustav Tschenett scheint sich die Frage nicht zu stellen. Laut seinem offiziellen Curriculum hat der oberste Verwaltungsbeamte der Südtiroler Schule vor seinem Studium eine „kaufmännische Ausbildung“ gemacht.
Das scheint auch heute noch nachzuwirken.