salto.music | Neues Label

Dodiciville Records

Mit 12Ville Music hat sich in Bozen ein neuen Label auf den Weg gemacht, das die Gunst der Stunde nutzt, die Sache mit Selbstbewusstsein, aber auch mit Bedacht angeht. Ein Blick hinter die Kulissen mit Winfried Gufler, der treibenden Kraft dahinter.
Edition Raetia (Zwölfmalgreien)
Foto: rhd / salto.music
  • Der 1. Oktober 2024 war der offizielle Startschuss für das neue Label 12Ville Music. Der Name verweist auf Zwölfmalgreien, dem Bozner Stadtviertel, in dem die Edition Raetia seit einigen Jahren ihren Sitz hat. 12Ville Music wird zudem morgen, Samstag, 19. Oktober 2024, offiziell auch gleich den ersten Release feiern. Die Band JEMM Music Projekt bringt dann nämlich ihr Album „Pulse“ auf die Bühne des UFO in Bruneck.

    12Ville Music ist aber nicht nur Label, sondern auch Musikverlag, und, blickt man hinter die Kulissen und bezieht die gegenwärtige Situation im hiesigen Kulturbetrieb mit ein, scheint hier etwas zu beginnen, das es so noch nicht gegeben hat. 12Ville Music ist Teil von Edition Raetia, einem Verlag aus Bozen, der relativ breit aufgestellt ist, auf einschlägige Erfahrung im eigenen Team zurückgreifen kann und die Gegenwart ins Haus lässt.

    Wir haben uns mit Wilfried Gufler getroffen, dem Geschäftsführer der Edition Raetia, der sich zwar bewusst ist, dass die Musik ein schwieriger Markt ist und dass ein Aktivwerden in dieser Branche mit Risiken behaftet ist, aber zum einen kann er selbst auf konkrete Erfahrungen diesbezüglich zurückgreifen, zum anderen ist die Edition Raetia, wie die letzten Jahre gezeigt haben, durchaus ein Ort, an dem Neues erfolgreich umgesetzt wird.

  • Kommt das Logo von 12Ville Music vielleicht bald auch an die Wand am Eingang?: Der Sitz der Edition Raetia im Stadtviertel Zwölfmalgreien in Bozen ist gleichzeitig auch der Sitz des neuen Labels. Foto: rhd / salto.music
  • Die Edition Raetia, 1991 von Gottfried Solderer gegründet, hat sich im Laufe der Jahre zu einem wichtigen Player in der hiesigen Kultur entwickelt und hat nicht nur mehr die Veröffentlichung von Büchern als Standbein, sondern bietet mit exlibris beispielsweise professionelles Lektorat an und ist mit Albolina mittlerweile der größte Filmproduzent in Südtirol. Die Edition Raetia wächst beständig, indem sie Gelegenheiten wahrnimmt bzw. auf Geschehnisse in ihrem Umfeld reagiert. Zwei aktuelle Beispiele:

    Seit 1. Oktober 2024 hat die Edition Raetia den Buchladen am Rienztor in Bruneck übernommen, ein kleiner aber feiner Buchladen, der zu schließen drohte, weil Gründer und bisheriger Eigentümer Hans Nöckler in den Ruhestand gehen wollte.

    Gufler: „Immer wenn ein Buchladen in Südtirol zugesperrt hat, wie etwas Pötzelberger in Meran oder Ko-Libri in Bozen, ist deren Umsatz für uns weggebrochen, der nirgendwo aufgefangen wurde. Deswegen haben wir zugegriffen. Mit dieser Übernahme des Buchladens ergeben sich zudem Synergie-Effekte und wir können Neues lernen.“

    Das zweite Beispiel ist der Musikverlag 12Ville Music, bzw. das Label 12Ville Records. Auch dieses Projekt fällt nicht vom Himmel, sondern hat eine Vorgeschichte. 

    Gufler: „Vor einem Jahr hatte mich Konrad Plaickner gefragt, ob ich nicht jemanden wüsste, der seinen Verlag mit 8000 Bandrechten und über 900 Titeln übernehmen könnte.“

    Kleiner (historischer) Exkurs: 1973 hatte der Meraner Konrad Plaickner mit dem Rekon Studio in der Passerstadt das allererste Tonstudio Südtirols in Betrieb genommen, in dem vor allem Volksmusik, Klassik und Jazz aufgenommen und zum Teil über das eigene Label Rekon veröffentlicht wurde. Im Katalog finden sich aber auch die ersten Singles der Meraner Rockband Free Fantasy (1975/76), die Single „Straniero“ (1978) der Popband The Firestones, das erste Album „Out Of Bones“ (1988) des Bozner Bluesgitarristen Enrico Micheletti und die Debüt-EP „The Stars Are Falling Down“ (1990) der Alternative-Band The Chain aus Leifers (1982).

    Das Rekon Studio war auch jener Ort, an dem der Meraner Gitarrist, Musiker und Songschreiber Mike Frajria sein Handwerk gelernt hat. Frajria eröffnete in den Neunziger Jahren gemeinsam mit seinem Bruder Silvio Frajria, Klaus Gurschler und Wilfried Gufler mit Perpetuum Mobile selbst ein Tonstudio, in dem sehr viele lokale Produktionen entstanden sind. Plaickner und Gufler kannten sich aus dieses Zeit, weil sie damals zusammengearbeitet haben.

    Guflers Antwort auf Plaickner war, dass das Tonstudio für ihn nicht von Interesse sei, aber es wäre eine Überlegung wert, im Verlag ein Label mit Musikverlag aufzubauen. Gufler: „Das ist Kulturgut für Südtirol, das sind 50 Jahre Zeitgeschichte. Kurzfristig kann man damit kaum Geld verdienen, aber langfristig hat das für mich einen Wert.“

    Die konkrete Übernahme der Musikrechte von Konrad Plaickner ist aktuell im Gange, die Eintragung des Musikverlages 12Ville Music bei der S.I.A.E. ist als Voraussetzung für diesen Ankauf bereits erfolgt. Gufler: „Wir sind damit auf einem Schlag ein Musikverlag mit 1000 Titel im Repertoire, weil wir für die Filme, die wir produzieren, auch Filmmusik in Auftrag geben. Damit kommen jährlich 30 bis 40 neue Titel hinzu. So wie wir teilweise Bücher zu den Filmen veröffentlichen, können wir das jetzt auch mit der Musik machen.“

  • Die Releaseparty findet am 19. Oktober 2024, im UFO Bruneck statt: Jemm, die Jazz/Worldmusic-Formation von Max Castlunger, wird das neue Album „Pulse“ über das neue Bozner Label 12ville Records veröffentlichen. Foto: Elisa Grezzani
  • Albolina kann – so Gufler – für 2024 auf stolze 24 Eigenproduktionen und 60 Serviceproduktionen verweisen und ist damit in nur fünf Jahren zum größten Filmproduzent des Landes geworden. Gufler: „Die Filmförderung der IDM hat sehr viel gebracht, nicht nur uns, sondern auch vielen anderen. Es ist sehr viel Professionalität aufgebaut worden. Mittlerweile sind wir in der Lage die Dreharbeiten für jeden Film anbieten, da kann kommen wer will. Es gibt mittlerweile 300, 400 Leute, die in der Filmbranche arbeiten in Südtirol, nicht alle Vollzeit, aber geschätzte 100 Personen leben davon.“

    Es ist wichtig, die Filmförderung an dieser Stelle zu erwähnen, weil heuer mit dem „Music Fund Südtirol“ der Abteilung für Wirtschaftsförderung des Landes Südtirol, ein ähnliches Förderungssystem für die Musik in Südtirol auf den Weg gebracht wurde. Gufler ist überzeugt davon, dass diese neue Förderung der hiesigen Musikwelt einen Qualitätssprung bescheren wird.

    Gufler: „Der Gedanke, dass eine Musikförderung kommen wird, hat das alles logischerweise forciert. Ich war mit der Perfas, die sich für diese neue Förderung stark eingesetzt hat, in ständigem Kontakt. Simon Gamper beispielsweise, den ich gut kenne, weil wir ihm immer wieder Musikaufträge für unsere Filme geben, hat sehr gut verstanden, dass sich durch diese Förderung neue Aufträge ergeben werden. Max von Milland seinerseits kennt diese Art von Förderung aus Deutschland.“ 

    Bis Ende Oktober ist es noch möglich, Gesuche um eine Förderung einzureichen. 

    „Heuer sind es 280.000 Euro, aber ich bin überzeugt davon, dass die Fördersumme auf eine Million Euro aufgestockt werden kann, wenn genügend Anfragen kommen“, fügt Gufler hinzu, denn: „für die Politik ist das ein gutes Geschäft. Wenn sie irgendwo ein Konzerthaus bauen müssen, dann kostet das gleich Millionen und zieht Folgekosten nach sich. Hier wird in Köpfe investiert.“

    Köpfe, die Ideen umsetzen, Projekte auf die Beine stellen und damit sowohl bestehende Arbeitsplätze sichern, als auch neue schaffen. Über diese Aktivierung eines Produktionskreislaufes fließt über die neu generierten Steuerabgaben letztlich mehr Geld als die ursprüngliche Förderung direkt an die öffentliche Hand zurück.

    Womit wir an einem wunden Punkt der hiesigen Musikwelt wären, denn Professionalisierung heißt auch, salopp gesagt, „Rechnung stellen“ und also unternehmerisch zu denken. Der Musiker/die Musikerin, die also einen Auftrag erhält, muss in Besitz einer Partita IVA sein, um für seine Arbeit eine Rechnung ausstellen zu können, die zur Abrechnung der Förderung eingereicht werden kann. Aus Unwissen oder aus Angst vor bürokratischer Überforderung, haben nur wenige Musiker/Musikerinnen diesen Schritt gemacht. Das ist aber auch deshalb so, weil bislang die Aussicht auf einen konstanten und angemessenen Verdienst nur für wenige wirklich gegeben war. Diese neue Förderung könnte dies ändern, weil sie neue Chance schafft und damit ein Umdenken in Gang setzt.

    Die Begeisterung Guflers für dieses Förderungsprojekt hat noch einen weiteren Aspekt: „Es fördert die Zusammenarbeit. Um die Förderung zu erhalten, musst du saldierte Rechnungen vorlegen, das heißt konkret, du musst Leute engagieren und das Geld in Südtirol ausgeben. Je mehr wir also zusammenarbeiten, desto mehr hat jeder davon. Es können auch Anfragen aus Hamburg, aus Rom oder aus Wien kommen, aber auch für sie gilt die Bedingung, dass sie das Geld, das sie bekommen, in Südtirol ausgeben. Dadurch entsteht ein Know-how-Austausch, der uns konkurrenzfähig macht mit der Welt.“

    Zu 12Ville Music zurückkommen sagt Gufler: „Auf diese Förderung hin haben wir dann entschlossen, zu investieren, den Verlag von Rekon zu kaufen, MitarbeiterInnen anzustellen und das Label aufzubauen, aus der Überzeugung heraus, dass Geld zurückfließen wird, aber auch um der Politik zu zeigen, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden.“

  • Happy Release-Day: Das JEMM Music Project wird das Album „Pulse“ sowohl im UFO in Bruneck (19. Oktober) als auch beim „Steinegg live“ in Steinegg (26. Oktober) live präsentieren. Foto: Simone Cargnoni | JUMP CUT
  • Gufler ist davon überzeugt, dass die Musikrechte eine wichtige Geldquelle sind, nur „bisher hatte niemand wirklich die Zeit, sich darum zu kümmern. In diese Lücke wollen wir vordringen. So wie wir im Film mittlerweile wissen, wie das Geschäft weltweit läuft, so soll es auch bezüglich der Musik sein. In den nächsten zwei, drei Jahren werden wir das Handwerk lernen: Ich möchte das Know how besitzen, Musikrechte zu managen, ich möchte wissen, wie Verträge gemacht werden. Ich konzentriere mich derzeit völlig auf die administrative Seite, ich möchte verstehen, wie die Verwertungsgesellschaften in Europa und weltweit funktionieren. Parallel dazu bauen wir ein Netzwerk zu den wichtigen Journalisten und den Entscheidungsträgern auf.“

    Das Team, das sich um den Aufbau des Labels kümmern wird besteht zur Zeit aus Gufler selbst, aus Carla Esperanza Tommasini und, seit 1. Oktober und in Teilzeit, Max von Milland, der als Labelmanager vor allem den deutschen Markt aufzubauen versucht.

    Mit dem JEMM Music Project von Max Castlunger ist, wie erwähnt, auch schon die erste Band unter Vertrag. Aber auch hier gibt es bereits weitere Namen, von denen in den nächsten Monaten Veröffentlichungen zu erwarten sind: Alex The Judge & The Forbidden Fruits, Georg Clementi, Yomer, Mirko Pedrotti und die süditalienische Soundtrack-Komponistin Ginevra Nervi, die bereits für Albolina Musik geschrieben hat.

    Hier verlässt gerade ein Schiff mit vollen Segeln den Hafen. Möge die Reise gewinnbringend sein und viele weitere Schiffe nach sich ziehen.

  • Links:

    Homepage 12villle Music: https://www.12ville.com/
    Jemm Musiic Project Homepage: https://www.jemm.eu/
    Jemm Music Project FB: https://www.facebook.com/@JemmMusicProject

  • JEMM Music Project 2024 (v.l.n.r.): Marco Stagni (Bass), Mirko Pedrotti (Vibraphone, Percussion), Matteo Cuzzolin (Tenor Sax), Max Castlunger (Taishokoto, Balafon, Pan, Percussion), Andrea Polato (Drums) und Hannes Mock (Trombone). Foto: Simone Cargnoni | JUMP CUT