Kunst | Ausstellung

Mehr als Sparkassenrot

Von heute bis zum 5. Januar zeigt die Ausstellung „Colors - Hommage an die Vielfalt“ drei Dutzend Positionen, welche Eva Gratl und Carl Kraus zusammengetragen haben.
Colors - Hommage an die Vielfalt, Sparkasse 2023
Foto: SALTO
  • 36 Kunstwerke aus verschiedenen, mehrheitlich privaten und nicht musealen Sammlungen sollen bei der diesjährigen Ausstellung in der Sparkassenfiliale am Bozner Waltherplatz eine ebenso farben- wie vielfaltsprächtige Schau von Künstler:innen präsentieren, die nach Farbgruppierungen (Gelb, Orange, Rot, Blau, Grün, Violet, Braun, Schwarz-Weiß und „bunt“) gesammelt wurden.  Geht es nur nach den Zahlen, so ist das ein Hausrekord für die jährlich eingerichtete Galerie auf der Galerie. Während im Untergeschoss allein „Rokoko“ ein großes, buntes Werk von Florin Kompatscher gesetzt ist, geht es durch verschiedene Kunstepochen, chronologisch beginnend bei Michelangelo Unterbergers (1695-1758) Bild des Evangelisten Lukas, der die Mutter Gottes portraitiert. Gerade im religiösen Kontext war Farbe ja lange Zeit Symbolträger und streng reglementiert, mehrheitlich sind es aber modernere Blickweisen auf das Phänomen Farbe. Gegenwärtiger Endpunkt der Ausstellung entlang eines Zeitstrahls ist sicher Manfred Alois Mayrs Farbvitrine, eine eigens für die Ausstellung erstellte Anordnung von Objekten, die gestrig wie die „National“-Zigaretten oder heutig wie Debatten um Babyfarben von zartrosa bis zartblau sein kann. Mayr, der sich seit langem intensiv mit Farbe und deren symbolischer Deutungsebene befasst, darf bei einer Schau rund um die Farbe selbstverständlich nicht fehlen.

  • Colors: Der Blick von der Galerie hinab ins Foyer. Dort ist Florin Kompatschers „Rokoko“ zu sehen. Foto: SALTO

    Nachdem im Vorjahr das Thema der großen Weihnachtsausstellung mit „Tiroler Künstlerinnen - Ins Licht gerückt“ ein weibliches war, ist man heuer wieder bei der „normalen“ Männerdominanz (es steht 4 zu 32, fürs Protokoll). Obwohl sich Gerhild Diesner, Annemarie Laner, Sisal Micheli und Esther Stocker in der Minderzahl befinden, ist Vielfalt ein zentraler Anspruch der Ausstellung, die eine solche auch in Farben und Formen bietet. Abstraktes oder Abstrahierendes wechselt sich mitFfigürlichem ab. Mal spricht die Farbe aus einer Form heraus zu uns und mal für sich selbst. Zu etlichen Lokalmatador:innen stoßen damit auch internationale Künstler, etwa Robert Barry, Herman Nitsch, Joseph Beuys und, mit der Serigraphie „Vesuvius“ (250 Stück) in explosivem Rot dabei, auch ein Andy Warhol.

  • Colors: Manfred Alois Mayrs Vitrine ist die einzige Auftragsarbeit für die Ausstellung mit Leihgaben. Er zeigt in seiner Vitrine einen Farbverlauf zwischen zurückhaltenden oder als akzent eingesetzten Farben und starken, flächig verwendeten Tönen auf der anderen Seite. Foto: SALTO

    Eva Gratl und Carl Kraus, die wie gesagt gemeinschaftlich den sparkassenschen Farbkreis ausbalanciert haben, wollen in der bunten Ausstellung auch, trotz oder gerade auch mit dem ausbrechenden Vulkan, eine hoffnungsfrohe Alternative zur derzeit vorherrschenden Endzeit- und Krisenstimmung anbieten. Tatsächlich hat die Harmonie der Farben etwas Zwingendes. Nicht nur in ihren bunten Ausprägungen, sondern gerade auch in den etwas zurückhaltenderen Farbkategorien Braun und Schwarz-Weiß lässt sich über Farbe trefflich nachdenken, ob nun vor der „Tiroler Winterlandschaft“ eines Max von Esterle oder Wilfried Kirschls „Erinnerung an Mykonos. In beiden wird das Weiß des Schnees oder der Häusermauern gebrochen, da das Licht immer noch ein Wörtchen mitzureden hat.

  • Bei den braunen Werken tut es das in entschiedener Weise bei der mit Licht arbeitenden, das Motiv abstrahierenden Landschaft Karl Plattners. Farbe braucht kein Sujet oder muss sich an dieses nicht fotorealistisch halten, um ihre Wirkung zu entfalten. Natürlich findet sich damit auch ein monochromes Werk, vom namhaften New Yorker Künstler Robert Barry in der Ausstellung. Was man aus der dunkelroten Farbfläche des Bildes macht, ist freilich Sache des Betrachters und das lässt sich an-, ab- oder auch aufregend - im Guten wie im Schlechten finden. Das Arrangement der einzelnen Ausstellungsstücke ist dabei farbharmonisch bis überraschend: Direkt neben Beuys „Natürlich Beuys“ mit Blume, findet sich etwa eines der Schüttbilder von Herman Nitsch - mit dem man bei der roten Kunst rechnen würde. Beides findet sich im grünen Bereich. Einen der beiden Ko-Kuratoren, Carl Kraus haben wir nach der Pressepreview zur Ausstellung gesprochen.

  • Colors: Ein regelrechter Kreativausbruch ist bei der Farbe Rot zu beobachten, die, so Kraus, wie das Blaue uferlos in der Fülle an Auswahlmöglichkeiten war. Rechts im Bild die Warhol Serigraphie. Foto: SALTO

    SALTO: Herr Kraus, die Sparkasse-Kunstausstellung hatte im letzten Jahr einen weiblichen Schwerpunkt, in diesem Jahr setzt man auf das Thema Vielfalt. Wie vielfältig aber ist die Ausstellung in Bezug auf die Künstler:innen, oder bezieht sich das nur auf die Farbe?

     

    Carl Kraus: Grundsätzlich haben wir schon geschaut, diese Vielfalt auch auf die Künstler anzuwenden. Einerseits was die Zeit betrifft, wir starten mit einem Barockbild von Michelangelo Unterberger, in dem Lukas die Madonna malt. Das ist eine Hommage an die Malerei in der sich bereits zwei große Farbkleckse finden, das Rot und das Blau. 

  • Es geht über das 19. Jahrhundert etwa mit (Franz von) Defregger weiter und auch die Jahrhundertwende haben wir gut vertreten, mit Max von Esterle. In der Gegenwart angekommen präsentieren wir Werke von Zeitgenossen und Zeitgenossinnen. In Bezug auf die Herkunft haben wir lokale Künstler, aber auch einen Andy Warhol, Lucio Fontana. Das ist genau der Reiz dieser Ausstellung, dass man Vieles hergebracht hat, das mehrheitlich aus Privatsammlungen stammt. Das sind Werke, die man normalerweise nicht sieht, die in irgendwelchen Häusern schlummern. Der Reiz ist es, sich selbst zu fragen, was einen anspricht. Die Psychologie der Farbe ist da ja sehr spannend. Wir wissen, dass wenn zwei Ringer gegeneinander antreten, häufiger der im roten Dress als jener im blauen Dress gewinnt. Das alleine zeigt schon, wie beeinflussbar man ist.

     

    Ist wie wir Farbe lesen nicht auch kulturspezifisch?

     

    In Kulturen können Farben ganz unterschiedlich interpretiert werden. Das Schwarz etwa hat in Indien eine ganz andere Bedeutung, gleiches gilt für das Gelb, welches als Schande schlechthin gesehen werden kann, aber auch eine Leuchtkraft besitzt und für die Sonne steht. Die Grundbotschaft ist es aber, da die Welt derzeit viele Katastrophen durchlebt, dazu einen Gegenentwurf zu bieten. Menschen, die sich mit Kunst befassen und in diesem Fall auch mit der Vielfalt, stehen für mehr Toleranz. Das ist eine Botschaft, oder zumindest eine Hoffnung, dass wer ins Theater geht, Romane liest oder sich Kunst ansieht hoffentlich weniger engstirnig ist und sieht, dass es verschiedene Sichtweisen gibt.

     

    Wenn man hier auf eine sehr vielfältige Auswahl an Kunst blickt, dann fragt man sich vielleicht, was zuerst da war: Das Motto „Colors“ zu dem man dann bunte und vielfältige Werke gesucht hat, oder hat man festgestellt, dass die Kunst, mit der man arbeiten kann bunt und vielfältig ist?

     

    Es war eindeutig zuerst das Thema da, wir haben dann versucht zu jedem Farbsegment das richtige Werk zu finden. Blicken wir etwa auf die grüne Wand, dann haben wir einerseits eine Hommage an eine grüne Wiese in einem spätimpressionistischen Werk von Alexander Koester, andererseits haben wir diesen Beuys „Natürlich“, der ein Kämpfer für die Natur war und gleichzeitig auch noch mit Hermann Nitsch ein grünes Schüttbild. Auch das ist inspirierend: Das Blut ist nicht immer rot und auch ein Gegensatz kann ein Statement sein. 

     

    Manfred Alois Mayr ist ein richtiger Farbkünstler, ein Farbarchäologe wenn man so will.

     

    Welche Farben waren am schwierigsten auszustaffieren, wo war es am schwierigsten Werke zu finden?

     

    Am schwierigsten war das Violette, muss ich sagen. Das ist eine Farbe, die immer als sehr extravagant, auch in Bezug auf Kleidung gesehen wird. Da hatten wir mehrere Optionen, von denen wir das Werk einer Künstlerin aus finanziellen Gründen nicht herholen haben können. Jetzt haben wir dort einen Peter Fellin, der auch ganz schön ist. Rot und Blau wären uferlos gewesen.

    Bei den „bunten“ Werken hat die Auswahl immer auch mit Geschmack zu tun, ein Werk kann einen reizen oder auch nicht. Genau das ist auch das Schöne, wir haben ein Bild aus der Jahrhundertwende von Umberto Moggioli und auch den Jörg Hofer: beide arbeiten stark mit Blau und sind dabei konträr in ihrer Auffassung.

     

    Es findet sich im Schaukasten auch ein Auftragswerk Manfred Alois Mayrs. Hatte der Künstler Carte blanche oder gab es Farbvorgaben? 

     

    Manfred Alois Mayr ist ein richtiger Farbkünstler, ein Farbarchäologe wenn man so will. Er arbeitet da auf höchstem Niveau, untersucht welche Wirkung und welche Symbolik die Farben haben. Es entsteht da ein richtiger Band mit seinen Recherchen. Er arbeitet zum Teil mit weißen Farben, dann mit Farben die ihn ansprechen. Auch letztens bei seinem Projekt am Kreuzgang in der Kartause Allerengelberg in Karthaus. Das war ein sehr inspirierendes Werk, das zeigt wie er arbeitet.

     

    Man schreibt bei jeder Station zu den Bedeutungen und Wirkungen von Farben. Die Frage die sich einem stellen kann ist: Ist das nicht sehr austauschbar? Wenn man zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückblickt, so waren die Geschlechterzuweisungen für Zartrosa und Himmelblau vertauscht…

     

    Das zeigt genau diese Relativität der Farben, um die es in den Texten auch geht. Grundsätzlich haben aber gewisse Farben wie das Rot einfach auch eine Signalwirkung, selbst in der Tierwelt. Gewisse Grundtendenzen gibt es, die manche mehr und manche weniger zu relativieren sind. Dass Blau, die Farbe des Meeres, eine Farbe der Sehnsucht ist, das zieht sich durch verschiedene Kulturen durch, von der Romantik bis ins Heute. Dass wir bei der Ausstellung zu zweit waren, zeigt allein schon die Spannung in der Ausstellung auf und bringt vier Augen zur Kunst. Auch in der Gestaltung durch die Grafiker wurden die Dinge anders gesehen und es war spannend zu sehen, wie sie das gestaltet haben. 

  • Colors - Hommage an die Vielfalt

    Die Ausstellung kann Montag bis Freitag jeweils von 8.35 bis 12.55 Uhr, sowie von 14.35 bis 16.30 Uhr besucht werden. An Samstagen ist sie zwischen 11 und 16 Uhr geöffnet, wie auch am Sonntag den 17. Dezember.