„Noch nie einen Krimi gelesen“
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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Miriam Unterthiner: Die Hexe Lilli Bücherreihe von Knister. Mein erstes Schuljahr war alles andere als einfach, insbesondere hatte ich Schwierigkeiten beim Lesenlernen. Meine Mutter hat mir daher aus der Dorfbibliothek ein Buch der Hexe Lilli-Reihe mitgebracht und mit mir darin täglich gelesen.
Habe ich anfangs dagegen protestiert, fand ich bald Gefallen daran und habe die gesamte Bücherreihe verschlungen. Mit manchen Buchenden war ich allerdings nicht glücklich, weshalb ich begonnen habe alternative Enden zu schreiben – so kam ich wohl auch zum Schreiben.Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
„Wladimir: Also? Wir gehen?
Estragon: Gehen wir!
Sie gehen nicht von der Stelle.“
Samuel Beckett: Warten auf Godot
Es ist zwar kein Roman, aber eines der besten und ehrlichsten Enden, die in meinem Kopf nach wie vor herumspucken.
Ganz hervorragende Buch-Tipps sind übrigens sämtliche Bücher-Verbotslisten, die von Religionen oder Staaten getätigt werden beziehungsweise wurden.
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Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Vor kurzem habe ich „Die Vegetarierin“ von Han Kang gelesen, die Genauigkeit und eindrücklichen Sprachbilder der Autorin schätze ich sehr (vor allem ihr Buch „Weiß“ fand ich grandios), allerdings hat mich die Gewaltreproduktion im Text zum Grübeln gebracht. Um ehrlich zu sein, hätte ich am liebsten darauf verzichtet. Ich verstehe, dass der Text sie braucht, um zu funktionieren und sich zu entfalten und diese Tragweite erreichen zu können. Dennoch bin ich über die Art und Weise, wie in diesem Buch Gewalt geschildert wird, nicht glücklich. Mein Kopf sucht noch nach einer anderen, möglichen Erzählweise – bislang bin ich allerdings nicht fündig geworden.
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Ich muss gestehen, dass ich noch nie einen Krimi gelesen habe und da ich sehr sehr schreckhaft bin, kann es durchaus sein, dass ich keine Krimileserin mehr werde. Ich würde mich deshalb der Frage des Außerirdischen anschließen.
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Tatsächlich allen, wird mir ein Buch empfohlen, lese ich es auch – ab und an kann das allerdings schon Mal ein Jahr dauern. Ganz hervorragende Buch-Tipps sind übrigens sämtliche Bücher-Verbotslisten, die von Religionen oder Staaten getätigt werden beziehungsweise wurden.
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Insofern ich das Buch auf die einsame Insel mitgebracht habe, ist es für mich wohl so bedeutend, dass ich es auch wieder mitnehmen würde.
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Ich habe keinen E-Book-Reader, da ich alles andere als technikbegabt bin (leider). Mein Rücken und die von Büchergewichten zerstörten Taschen und Rucksäcke würden sich aber bestimmt über einen E-Book-Reader freuen.
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Definitiv „Haga Zussa. Die Zaunreiterin“ von Anita Pichler
„Mutternichts“ von Christine Vescoli
„Das Haus der Mutter“ von Joseph Zoderer
„Kontaminierte Landschaften“ von Martin Pollack – es ist zwar weder ein Buch über Südtirol noch ein Südtiroler Autor, dafür aber durchaus auch ein Buch für Südtiroler:innen.Miriam Unterthiner, geboren 1994 in Italien, lebt in Wien. Ehemalige Handballerin, jetzt Dramatikerin und Autorin. Studium der Philosophie, Germanistik sowie der Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. "Blutbrot" ist ihre Abschlussarbeit des Sprachkunst-Studiums. Sie erhielt Stipendien der österreichischen Bundesregierung, der Wiener Wortstaetten sowie der Summer School Südtirol und wurde zum Treffen junger Autor*innen am Schauspielhaus Leipzig eingeladen. Ihr Theatertext "Va†erzunge" wurde für den Autor*innenpreis des Heidelberger Stückemarkts 2023 nominiert. Mit ihrem Stückentwurf "Mundtot" ist sie derzeit Hans-Gratzer-Stipendiatin des Schauspielhauses Wien, und sie ist ebenfalls für den Retzhofer Dramapreis für junges Publikum 2025 nominiert.
Der Förderpreis ist mit einem Preisgeld von 10.000 Euro dotiert und mit einer Uraufführung verbunden, die in diesem Jahr vom Theater Aachen übernommen wird. Die Premiere ist für den 26. September 2025 geplant, Regie führt Jakob Weiss.Weitere Artikel zum Thema
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