Politik | Einschüchterung

Sich gegen SLAPP wehren

Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung: das ist die Bedeutung von SLAPP, eine Art gerichtlicher Vorgangsweise, um das Aufzeigen von Missständen zu unterbinden.
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SLAPP (Strategic Lawsuit Against Public Participation) ist eine Art gerichtlicher Vorgangsweise, um das Aufzeigen von Missständen zu unterbinden. Immer häufiger verklagen finanzstarke Konzerne und Verbände mit ihren Anwaltsbüros kleine Vereine und NROs wegen angeblich übler Nachrede, um sie mundtot zu machen. Den meisten SLAPP-Aktionen fehlen die rechtlichen Voraussetzungen für eine Klage, weshalb sie vom Gericht als unzulässig abgewiesen werden. Doch die Verfahren selbst bringen NROs und Vereine an ihre finanziellen Grenzen. Sie landen vor Gericht, nur weil sie soziale, politische und ökologische Missstände anprangern. Ziel der SLAPP-Aktionen ist immer die Einschüchterung. Journalisten oder Aktivistinnen sollen durch Klagen mundtot gemacht werden, auch wenn das Verfahren für die Kläger selbst meist aussichtslos ist.

„Pestizid-Tirol“: typischer Fall von SLAPP

Die Klagen der fast 1400 von LR Schuler unterstützten Obstbauern gegen Karl Bär und Alexander Schiebel vom Münchner Umweltinstitut kosteten Bärs Institut viel Zeit, Geld und Nerven. Zum Schluss wurde die Klage zurückgezogen. Bär erklärte: „Dass Anzeige erstattet wurde und zwei Jahre der Staatsanwalt ermittelte, ist eigentlich Justizmissbrauch, weil ganz eindeutig ein politischer Konflikt auf die Ebene der Justiz gezogen wurde und im Gerichtssaal verhandelt wird, was eigentlich ins Parlament gehört.“ Am 28.1.2022 wurde schließlich die letzte von 1.372 Strafanzeigen gegen Schiebel und Bär zurückgezogen. Damit endete auch der Prozess, der gegen Karl Bär wegen Verleumdung geführt wurde. Schiebel war schon im Mai 2021 freigesprochen worden. LR Schuler wollte Schiebel zu einer „Entschuldigung“ drängen, um die Klage zurückzuziehen. Schiebels Briefe an Schuler können auf SALTO nachgelesen werden (SALTO vom 28.1.2022).

Ziel: Einschüchterung

Andere, die als Aktivisten und Blogger Korruptionsfälle aufdecken, sind oft in einer schlechteren Situation, was die Ressourcen angeht. Einschüchterungsklagen haben auch einen anderen Effekt. Wer Angst haben muss vor Klagen, der übt sich eher in Selbstzensur oder schweigt. SLAPP bedeutet für einen Verein, dass man Anwälte beauftragen muss, was sehr kostspielig und zeitraubend ist. SLAPP ist auch Teil des wirtschaftlichen und politischen Drucks auf unabhängige Medien. „Damit wird ein Zeichen gesetzt auch gegen andere Aktivisten: wenn ihr euch aus dem Fenster lehnt, dann bekommt ihr richtig eine auf den Deckel,“ sagte Karl Bär nach Ende der Affäre. Auch in Südtirol lässt sich dieser Effekt sehr deutlich beobachten.

Ein weiteres Beispiel: In Österreich wurde 2021 das regierungskritische Online-Medium Zackzack.at vom Wiener Gastronomen und persönlichen Freund des damaligen Bundeskanzlers Kurz Martin Ho und dem Tiroler Bauunternehmer René Benko in zwei separaten Klagen auf insgesamt 3 Millionen Euro verklagt, um kritische Berichterstattung in Zusammenhang mit der ÖVP zu unterbinden. Die Höhe der Klagesumme beträgt das Dreifache des Jahresbudgets von Zackzack.at und hat daher das Potential, das Medium in den Konkurs zu treiben.

Die EU wird aktiv gegen SLAPP

Nun will die EU-Kommission den zunehmenden SLAPP-Klagen einen Riegel vorschieben. Sie will Rechtsvorschriften und nicht-legislative Maßnahmen auf den Weg bringen. Anfang 2021 benannte die EU-Kommission eine Anti-SLAPP Expertengruppe und stellte am 21. September 2021 Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten in Sachen SLAPP vor. SLAPP-Klagen werden in vielen in EU-Mitgliedsländern als Druckmittel zur Einschüchterung von Journalisten eingesetzt. Dennoch manche Regierungen sträuben sich dagegen, weil es für sie hilfreich ist, wenn missliebige Kritikerinnen zum Schweigen gebracht werden. Zum einen ist es das Recht von Unternehmen, sich rechtlich gegen falsche Berichte zur Wehr zu setzen; zum anderen ist es notwendig, ganz eindeutig politisch begründete Klagen schnell zu beenden, damit die kleinen Organisationen nicht ruiniert werden. 2022 soll ein Gesetzentwurf auf europäischer Ebene zur Medienfreiheit vorgestellt und SLAPP verboten werden.

Mitarbeit: Claudio Campedelli