Wirtschaft | Interview

„Der Lebensstandard sinkt“

Kundgebungen im Mai und Juni sollen Nachdruck verleihen - Josef Lazzari zu den gestellten Forderungen der Gewerkschaftsverbände und den dadurch ausgelösten Gegenwind.
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Josef Lazzari
Foto: CGIL

salto.bz: Zu den zentralen Forderungen der Gewerkschaften zählt angesichts der weiterhin hohen Inflation die Einführung eines „territorialen Lohnelements“ im Ausmaß von 150 Euro. Die Präsidenten des HGV, lvh und hds üben jedoch starke Kritik daran, demnach würden sich die Gewerkschaften lediglich profilieren wollen. Was entgegnen Sie dieser Kritik? 

Josef Lazzari: Von Profilierung würde ich nicht sprechen. Unsere Forderung scheint uns mehr als gerecht und wir waren enttäuscht, als wir eine gänzlich negative Rückmeldung erhalten haben. Wir haben diese zur Kenntnis genommen, werden aber weiterhin diesem Ziel nachgehen. Die Zahlen sind nämlich klar – im Jahr 2022 hatten wir eine Inflation in einer Höhe von zehn bis zwölf Prozent. Das ist für alle spürbar. Viele müssen deshalb den Gürtel enger schnallen, der Lebensstandard sinkt. Unsere Forderungen sollen vor allem der unteren Schicht der Arbeitnehmer zugutekommen, deren Gehälter derzeit sicherlich zu niedrig sind.

 

Unsere Nachbarländer, beispielsweise Österreich, haben bereits Lohnerhöhungen von etwa zehn Prozent bei Kollektivverträgen beschlossen. Warum stockt es hier in Südtirol?

In Österreich gibt es lediglich einen Gewerkschaftsverbund, den ÖGB. Dort gibt es also nur eine Vertretung, wir haben allerdings auf nationaler Ebene drei konföderierte Gewerkschaften, in Südtirol sogar vier. Dieser Umstand erleichtert natürlich die Verhandlungen und Zielsetzungen in Österreich bedeutend. In Südtirol herrscht zudem eine sehr kleinstrukturierte Produktionswelt. Die Betriebe sind ziemlich klein, die Organisation gestaltet sich dementsprechend schwierig.

Bei unseren Verhandlungen wurde von Seiten der Unternehmerverbände angemerkt, man würde zunächst abwarten, bis die nationalen Verträge abgeschlossen seien. Allerdings denke ich, dass hierzulande mit Abschlüssen von etwa zehn Prozent, wie in Österreich, nicht zu rechnen ist.

 

Im Mai fanden bereits interregionale Demonstrationen zu den gestellten Forderungen statt.  Anfang Juni soll in Bozen eine Kundgebung folgen. Welche Wirkungskraft rechnen Sie diesen Veranstaltungen zu?

Die Wirkungskraft dieser Veranstaltungen darf man sicherlich nicht unterschätzen. Solche Kundgebungen sind ein starkes Signal an die Regierung, die bekanntlich leider nicht viel mit Gewerkschaften am Hut hat.

 

Sie haben in einem Interview im vergangenen Sommer angemerkt, dass die letzten paar Regierungen unter Conte und Draghi „nicht die besten Ansprechpartner“ waren, die Zusammenarbeit also nicht ideal verlief. Wie sieht es mit der Regierung Meloni diesbezüglich aus?

Ich würde sagen es hat sich noch einmal um eine Stufe verschlechtert. Bei den Regierungen Conte und Draghi ist zu sagen, dass wir damals mitten in einer Pandemie waren und die Zusammenarbeit auf gewisser Ebene fast gezwungenermaßen stattgefunden hat. Beispielsweise bei den Sicherheitsprotokollen, die mit den Arbeitnehmerverbänden unterzeichnet wurden. Aber die Methode die Gewerkschaften erst zu rufen, sobald die Entscheidungen bereits getroffen wurden, hat sich nicht nur fortgesetzt, sondern vielmehr verschlechtert. Bei Arbeitsdekreten oder Ähnlichem gehörte es zur guten Sitte mit den Gewerkschaften vorher zu sprechen und eventuelle Verbesserungsvorschläge zu berücksichtigen. Die Gewerkschaften lediglich zur Kommunikation der bereits gefallenen Entscheidungen zu nutzen ist keine gute Zusammenarbeit.

 

Wie bewerten Sie, angesichts des zeitnahen Endes der Legislaturperiode, die Zusammenarbeit mit der derzeitigen Landesregierung?

Auch da hatten wir die Covid-Zeit, hier muss ich sagen hat die Zusammenarbeit sehr wohl funktioniert, allerdings gibt es noch Luft nach oben. Wir als Gewerkschaften wünschen uns natürlich immer mehr in die Entscheidungsfindung miteingebunden zu werden. Dass es nicht immer so ist, hat es hierzulande auch gegeben. Beispielsweise beim PNRR hätten wir mehr miteinbezogen werden wollen. Das wäre auch laut eines bereits unterschriebenen Protokolls auf so vorgesehen gewesen. Das hat - nicht nur - in Südtirol nicht stattgefunden. Vor allem Dinge, die im Zusammenhang mit der Arbeitswelt stehen, beispielsweise die Entstehung von Arbeitsplätzen junge Menschen, wären hier für uns von Interesse gewesen.

 

Welche Erwartungen stellen Sie an die künftige Landesregierung?

Für die Zukunft hoffen wir auf einen Ausbau der Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Wünschenswert wäre sicherlich eine intensivere Zusammenarbeit bei der Entscheidungsfindung, das fordern wir schon seit Jahren. Auf uns werden viele Themen zukommen. Dabei steht vor allem das große Problem der Inflation im Mittelpunkt, die auch den Rentnerinnen und Rentnern, welche über keine Kollektivverträge verfügen, stark zusetzt. Auch für sie muss eine Lösung von Seiten der Politik gefunden werden. Es wird eine starke Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Arbeitnehmerverbänden brauchen.