Wirtschaft | Klaus Egger

Lahme Ente, flieg doch mal!

Der Bozner Flughafen und die Wirtschaftlichkeit - haben wir da nicht was vergessen? Ein Gastbeitrag von Klaus Egger.

„Es liegen alle Daten und Informationen vor, die für eine rasche Entscheidung über die Zukunft des Flughafens benötigt werden“, meint Handelskammerpräsident Michl Ebner in einer Pressemitteilung der Handelskammer vom 24.06.2014 und erhöht sanft den Druck auf die Politik, um doch endlich aus der lahmen Ente einen richtigen Flughafen zu machen. Ein Flughafen, der funktioniert, der uns Südtiroler mit der Welt verbindet und Wertschöpfung ins Land holt. Sowieso scheint die viel gepriesene Erreichbarkeit massivst in Gefahr, wenn nicht endlich die Flugzeuge regelmäßig und international von Bozen abheben und landen.

 Die Daten und Informationen auf die sich der Präsident der Handelskammer bezieht, entstammen aus einer Studie der Handelskammer aus dem Jahr 2010. Damals bezweifelte der Rechnungshof die Berechtigung, öffentliche Gelder in den Flughafen Jahr für Jahr zu pumpen. Aus diesem Grund erstellte das Wirtschaftsforschungsinstitut der Handelskammer (WIFO) die Studie um diese Behauptung zu widerlegen (hier geht’s zur Studie). Ich danke Direktor Georg Lun vom WIFO, der mir die Studie freundlicherweise zugeschickt hat, da sie leider nicht auf der Webseite der Handelskammer zu finden ist.

Ich bin kein Wissenschaftler und bezweifle auch nicht die Redlichkeit des WIFO. Wenn man die Studie liest, merkt man, dass sie Kopf und Fuß hat und die generierte Wertschöpfung genauestens untersucht wurde. Eine internationale Methodik garantierte eine objektive Herangehensweise. Es ist spannend die Studie zu lesen, da sie einen guten Überblick gibt, wie Wirtschaft zusammenhängt, wer wen beeinflusst, und wer von wem profitiert, ohne das dies im ersten Moment ersichtlich scheint. Solche Zusammenhänge sind wichtig, denn sie ermöglichen einem oft erst den Blick auf das „Ganze“.

Das „Aber“
Nun hätte ich aber doch ein kleines „aber“ anzufügen. Schon zu Beginn der Studie werden ein paar Begrifflichkeiten meiner Meinung nach vermischt.
Der Titel „Flughafen Bozen für Wirtschaftsstandort Südtirol unabdingbar“ lässt uns mit Spannung ein klar suggeriertes Resultat der Studie erwarten. Die Studie selbst ist „eine detaillierte Analyse zur volkswirtschaftlichen Bedeutung des Flughafens.“ Als Kommunikationsberater empfinde ich diese suggerierende Argumentation zwar als grenzwertig, aber ich kann sie nachvollziehen. Jedoch gibt es einen noch viel wichtigeren Punkt, der einfach verschwiegen wird. Neben den monetären Nutzen, der natürlich von Bedeutung ist, fehlt mir eine entscheidende und absolut notwendige Komponente: die Kosten.

Jedoch gibt es einen noch viel wichtigeren Punkt, der einfach verschwiegen wird. Neben den monetären Nutzen, der natürlich von Bedeutung ist, fehlt mir eine entscheidende und absolut notwendige Komponente: die Kosten.

Die Kosten
Jeder Unternehmer muss sich vor einem Projekt überlegen „Was kost’s? Was bringt’s?“. Nur wenn das Zweite höher als das Erste ist, macht die Sache überhaupt Sinn. Jetzt könnte man argumentieren, dass der Flughafen auch eine (soziale) Transportkomponente enthält die förderwürdig sei wie zum Beispiel der Bahnverkehr, aber um dieser geht es in der Studie und in der Diskussion um Wirtschaftlichkeit auch nicht. Diese Debatte öffnet eine andere Baustelle.

Was sind nun die Kosten? Gibt es Studien darüber? Wenn ja, warum wird bei einer wirtschaftlichen Studie nicht darauf verwiesen? Oder gehören die Kosten nicht mehr zu einer Wirtschaftlichkeitsberechnung? Die reine Darstellung des monetären Nutzens erachte ich, mit Verlaub, als billiges Blendwerk. Wahrscheinlich wurde das nicht beabsichtigt mit dem Verschicken der Pressemitteilung, aber der schale Nachgeschmack bleibt. Sollte das Wifo auch eine Studie über die Kosten erhoben haben, würde es mich sehr freuen, wenn sie hier in einem Kommentar verlinkt würde. Und wenn es eine Studie über die Kosten gibt, dann wird es erst richtig interessant.

Die reine Darstellung des monetären Nutzens erachte ich, mit Verlaub, als billiges Blendwerk.

Welche Kosten?
Bei den Kosten gibt es nämlich noch eine weitere sehr spannende Betrachtungsweise: Was sind eigentlich die realen Kosten eines Unternehmens? Sind es die rein sichtbaren (Personal, Wareneinsatz, Betriebskosten, Marketing, usw.) oder könnten noch andere Kosten vorhanden sein? Sogenannte nicht-sichtbare Kosten, oder in der Fachsprache: externalisierte Kosten? Der „grüne Banker“ Pavan Sukhdev, Leiter der Green Economy Initiative der UN-Umweltorganisation UNEP und ehemaliger Manager der Deutschen Bank, erklärt diese sehr gut in einem Artikel in der ZEIT. Erst wenn die wahren Kosten eines Unternehmens erhoben sind, die Vergangenen, Gegenwärtigen und Zukünftigen kann man von einer Wirtschaftlichkeit sprechen. Und externalisierte Kosten sind Kosten, die auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind. Schon gar nicht in einer Unternehmens-Bilanz. Es sind dies die Kosten, die ein Unternehmen durch ihr „business as usual“ der Gesellschaft als Ganzes aufbürdet. Man kann diese grob in zwei Kategorien einteilen:

1.    Kosten die die Umwelt und Gemeingüter schädigen
2.    Kosten die die menschliche Gesundheit schädigen

Erst wenn diese Kosten erhoben, gemessen, bilanziert und gemanagt werden, kann man von einer ehrlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung sprechen. Alles andere ist Abwälzung von Problemen auf andere Menschen, auf die Umwelt oder auf zukünftige Generationen.

Vielleicht stellt sich heraus, dass der Flughafen Bozen in der Gesamtrechnung auch noch ein Plus erwirtschaftet. Dann hätte er ab jetzt einen weiteren Befürworter in meiner Person. Bevor aber nicht eine wirkliche „volkswirtschaftliche Analyse“ erstellt wird, kann ich die offene Botschaft des Handelskammerpräsidenten, begründet auf dieser Studie des WIFO, nicht gutheißen. Im Gegenteil, ich finde sie für eine sachliche Debatte nicht förderlich.