Umwelt | Tourismus

Neue Spielregeln für den Tourismus?

Heimatpflege- und Dachverband für Natur und Umwelt warnen vor dem “maßlosen touristischen Ausbau”, den sie in Südtirol derzeit im Gange sehen.
Monopoly
Foto:  Salto.bz

Südtirols Tourismus ist spitze. Das belegen die Gästezahlen, bei denen ein Rekord den nächsten jagt, regelmäßig. Auch weist Südtirol unter den touristisch hoch entwickelten Regionen im Alpenraum die höchste Tourismusintensität und die höchste Bettendichte auf. Südtirols Tourismus ist an der Spitze angelangt. Das wiederholen nicht nur die Grünen in regelmäßigen Abständen. Sondern nun auch klar und deutlich Heimatpflege- und Dachverband für Natur- und Umweltschutz. “Es ist höchst an der Zeit, innezuhalten”, mahnt Claudia Plaikner.

Die Präsidentin des Heimatpflegeverbandes sitzt am Donnerstag Vormittag gemeinsam mit Florian Trojer, Klauspeter Dissinger und Andreas Riedl vor einem Monopoly-Spielbrett. “Das Spiel mit der Landschaft”, so der Titel der Pressekonferenz, zu der Heimatpfleger und Dachverband geladen haben. Sie fordern: “Stopp der Politik des maßlosen touristischen Ausbaus!”

 

Albtraum im Urlaubsparadies?

 

Im Frühjar 2018 hat der Landtag das neue Raumordnungsgesetz verabschiedet. “Die Entwicklung der letzten Monate zeigt, dass genau das eintritt, wovor wir schon vor Langem gewarnt haben”, sagt Plaikner. Die lange Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes am 1. Jänner 2020 öffne ”Tür und Tor für Unmengen an spekulativen Vorarbeiten und vollendeten Tatsachen.” In einer detaillierte Dokumentation haben die Heimatpfleger ein Dutzend touristischer Bauprojekte aus dem ganzen Land gesammelt, “die teilweise bereits genehmigt, teilweise in der Genehmigungsphase oder im Gespräch sind”, erklärt Plaikner. Weil die Befürchtung umgehe, dass mit dem neuen Raumordnungsgesetz der Ausweisung neuer Tourismuszonen ein Riegel vorgeschoben wird, “sprießen die Zonen für touristische Einrichtungen jetzt wie Pilze aus dem Boden – wobei raumplanerische Werkzeuge wie Ensembleschutz und Bannzonen sowie Gutachten von Fachkommissionen vielfach geflissentlich ignoriert werden.” Plaikner und Trojer verweisen unter anderem auf die Hotelprojekte in Feldthurns und Latsch, gegen die sie bereits öffentlich protestiert haben.

 

Doch ist die “Torschlusspanik”, von der Plaikner spricht, angebracht? Nicht wirklich, sagen Heimatpfleger und Dachverband. Denn auch die neue Raumordnung verspreche “keine Besserung”. “Die 1997 eingeführte Obergrenze von 229.088 Betten wird ersatzlos gestrichen; bestehende Tourismusbetriebe können sowohl innerhalb der Siedlungsgrenzen als auch im Grün erweitert werden; neue Tourismusgebiete können überall geschaffen werden, auch in landwirtschaftlichem und alpinen Grün außerhalb des Siedlungsgebiets, sogar in touristisch stark entwickelten bzw. entwickelten Gebieten”, erinnert Trojer. “Beliebig” könnten Tourismuszonen hingegen in jenen Gemeinden ausgewiesen werden, die die Landesregierung mit einem Beschluss von April 2018 als “strukturschwach” bewertet – insgesamt 56 bzw. mehr als die Hälfte der Fraktionen im Lande.

 

“Politischen Riegel vorschieben”

 

“Aber ist Südtirol wirklich so schwach entwickelt?”, fragt Riedl. 2018 gab es in Südtirol 225.278 Betten in über 10.000 gastgewerblichen und nicht gastgewerblichen Betrieben, über 6 Millionen Ankünfte (+2,4%) und 25,7 Millionen Nächtigungen (+2%). Bei der Tourismus-Intensität ist Südtirol Spitzenreiter im Alpenraum (13,3 tägliche Übernachtungen je 100 Einwohner – der Durchschnitt liegt bei 6,0) – einzig bei der Bettenauslastung gibt es noch Luft nach oben. 2018 waren die in Südtirol bestehenden Betten zu 40,5% ausgelastet.

“Der Baugrund im Grünen, der jetzt vorzu ausgewiesen wird und die Projekte, die darauf entstehen sollen, dahinter stehen vor allem große Investoren mit großen Bauvorhaben – damit steigt der Druck auf die kleinen Betriebe”, sagt Trojer. Die Devise, die er und seine Mitstreiter ausgeben: bestehende Betten besser auslasten, auf Qualität setzen, nicht nur bei den Betrieben, sondern auch bei den Gästen. “Immer mehr Menschen wollen klimabewusst leben und reisen – das ist eine Chance für uns, klimaneutralen Urlaub anzubieten”, bringt es Dissinger auf den Punkt.

“Es sind nicht die Hotelsterne alleine, die das Land für Touristen attraktiv machen.” (Claudia Plaikner)

Eine umweltschonende Anreise, längere Aufenthaltsdauer, nachhaltige Ressourcennutzung, Müllvermeidung, eine Umweltbilanz für Hotels, “dem ‘Verschenken’ von Baukubatur an Touristiker auf der grünen Wiese politisch einen Riegel vorschieben” und “Gäste, die unserem Land Respekt und Wertschätzung entgegenbringen” – das wünschen sich Heimatpfleger und Umweltschützer. “Denn wenn wir die Grenze überschreiten, wird auch die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Tourismus-Boom sinken”, ist Dissinger überzeugt. Nicht die Weiterentwicklung des Tourismus stoppen, aber “die Strategie überdenken”, verlangt Plaikner.

Anlass dazu geben könnten die Durchführungsverordnungen zum neuen Raumordnungsgesetz, die sich in Ausarbeitung befinden. Dass ihre Stimmen dabei gehört werden, darauf setzen Heimatpflege- und Dachverband allerdings keine großen Hoffnungen. “Wir waren schon beim Entscheidungsfindungsprozess zum Gesetz nicht mehr als das grüne Feigenblatt”, zuckt Riedl mit den Schultern. Aber gemeinsam zur neuen zuständigen Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer marschieren, wollen Heimatpfleger und Umweltschützer. Die hat bereits mehrmals öffentlich verlauten lassen, dass sie in Sachen Raumordnung “nicht zu allem Ja und Amen sage”.