„Wir brauchen eine andere Kultur“
Herr Oberrauch, vor drei Jahren haben Sie in Innsbruck die Tyrolean Business Angels GmbH (TBA) gegründet. Warum Tirol und nicht Südtirol?
Harald Oberrauch: Weil die Start-up-Szene dort ein paar Schritte weiter ist als in Südtirol. Es gibt mehr Start-ups, höhere Gründerzahlen und auch ein ganz anderes Ambiente zwischen den Investoren. Dazu kommen die Standortbedingungen. Während wir hier in Italien rückwirkende Gesetze haben, bietet Österreich eine steuerliche Planbarkeit und Rechtssicherheit. Darüber hinaus wurde in diesem Jahr von der Bundesregierung ein umfangreiches Start-up-Paket verabschiedet, mit dem Neugründungen extrem gefördert werden.
In Südtirol steht dagegen alles still?
Nein, ich glaube, auch in Südtirol beginnt man sich nun langsam in die richtige Richtung zu bewegen. Aber wir haben einfach noch ein paar Jahre Aufholbedarf. Dazu beigetragen hat sicherlich, dass sich die Investoren in Tirol bereits viel früher zusammengeschlossen haben als in Südtirol und durch Co-Investments und das Knüpfen von Netzwerken ein vorteilhafteres Umfeld geschaffen haben. Damit sind auch die Bedingungen, in Start-ups zu investieren, vereinfacht worden.
Es trägt also nicht nur die Politik Schuld, wenn wir zu wenige innovative Gründungen im Land haben?
Nein, ich würde wirklich nicht immer nur dort die Verantwortung suchen. Das zeigt auch der Blick ins Trentino, wo die Start-up-Szene ebenfalls viel früher losgegangen ist als bei uns, obwohl die Standortbedingungen vergleichbar sind. Dort sind es eben auch vor allem die Investoren, die den Antrieb geben, nicht irgendwelche Gründeragenturen oder politischen Anreize. Ich stehe im Trentino auch mit dem Business Angels Network (BAN) in Austausch. In Südtirol darf ich dagegen nicht einmal wissen, wer beim Business Angel Network rund um das frühere TIS dabei ist.
Weil die Investoren sich bedeckt halten wollen?
Ja, weil sie sich nicht exponieren wollen. Doch das ist ein riesengroßer Schmarrn, damit ist die Grundvoraussetzung eines Netzwerkes nicht gegeben. Ich verstehe auch nicht, wovor sie Angst haben. Da geht es von mir aus um ein grundsätzliches Problem in Südtirol: Jeder will seinen eigenen Turm bauen und sich nicht in die Karten schauen lassen. Doch das ist in einer vernetzten Welt wie heute das falsche Rezept.
Das richtige Rezept im Bereich Start-up heißt dagegen?
Sich zusammen zu schließen, gemeinsam Ideen anzuschauen und Risikokapital zur Verfügung zu stellen. Ich arbeite zum Beispiel mit Hermann Hauser zusammen, einem der Großen in der österreichischen und britischen Start-up-Szene. Wir haben gemeinsam eine Management GmbH gegründet, einen Zusammenschluss von Investoren, die gemeinsam selektionieren und Co-Investments machen. Mit Hauser gemeinsam werde ich am 25. November in Kloster Neustift eine Info-Veranstaltung zum Thema „Investieren in Start-Ups" organisieren, bei der wir über unsere Erfahrungen berichten.
"In unserem schönen Südtirol haben wir nicht nur den Nachteil, dass wir italienische Gesetze mit deutscher Mentalität ausleben. Es gilt hierzulande auch immer noch als soziale Tragödie, wenn ein Unternehmer seinen Betrieb an die Wand fährt. In den USA dagegen bekommt man keine Stelle als CEO, bevor man nicht irgendeine Firma in den Bankrott geführt hat."
Das heißt, dort wo Investoren sichtbar und vernetzt auftreten, trauen sich auch mehr Gründer ihre Ideen umzusetzen?
Ich denke, wenn man eine gute Idee hat, hat man heutzutage kein Problem, Geld zu finden. Wir leben in einer Welt des Negativ-Zinses und es gibt genügend wohlhabende Personen, die nicht mehr an die Börse glauben oder ihr Portfolio diversifizieren wollen.
In Start-ups zu investieren, ist aber nicht gerade eine der sichersten Anlageformen...
Im Gegenteil, man muss klar sagen: Das ist pures Risikokapital. Wer das macht, muss sich damit abfinden, dass das Geld eigentlich schon abgeschrieben ist.
Ihre Tyrolean Business Angels GmbH hat bislang in acht Start-ups investiert. Wie viel von dem Kapital haben Sie schon abgeschrieben?
Statistisch gesehen, gehen von neun Start-ups zwei gut. Bei mir ist aber noch zu früh für Einschätzungen. Zumindest drei Jahre Zeit muss man den Unternehmen geben, um den Break-Even zu erreichen. Außerdem steige ich extrem früh ein, gewissermaßen in der Garage. Ich brauche keinen Business Plan, ich bewerte meist Ideen, und dann entwickeln wir gemeinsam die Marktstrategie. Ein Business Angel hat ja den Vorteil, dass er nicht nur Geld, sondern auch Erfahrung und ein Netzwerk einbringt. Man spricht in dem Zusammenhang auch von Smart Money. Ich würde auch jedem Start-up raten, nicht nur Geld zu nehmen, sondern genau zu schauen, welches Know How bestimmte Investoren bringen können
Nach welchen Maßstäben bewerten Sie die Ideen?
Nach dem Markt, nach der Technologie bzw. dem Business Model und vor allem schaue ich mir das Team an, das dahintersteckt. Das ist das Wichtigste von allen. Wenn das Team funktioniert, kann auch der Markt oder die Technologie nicht stimmen, das kriegt man alles hin. Aber umgekehrt ist besser, man lässt die Finger davon.
Was muss ein Team haben, damit es funktioniert?
Kompetenzen und eine extrem hohe Motivation. Geld brauchen sie keines, doch sie brauchen den Willen, richtig hart an der Umsetzung ihrer Idee zu arbeiten. Das heißt in den ersten Jahren mehr als 10 Stunden am Tag, nachts, an den Wochenenden.
Sie sind als Spross der Familie Oberrauch in zwei gut aufgestellte, global agierende mittelgroße Unternehmen eingestiegen. Warum stecken Sie einen Teil der Gewinne von Durst und Alupress in junge Unternehmen, von denen nicht einmal sicher ist, ob sie je in die Gewinnzone kommen werden?
Es gibt dafür zwei Gründe: Erstens die Diversifikation: Ich investiere in Start-up-Bereiche, die außerhalb der Märkte von Alupress und Durst liegen, also der Automotive-Branche und digitalen Inkjet-Drucksystemen für industrielle Anwendungen. Zweites erweitere ich über die Investitionen die Wertschöpfungskette von Alupress und Durst. Das heißt, ich investiere in Technologien, die zwar nur indirekt mit den bestehenden Unternehmen zusammenhängen, aber somit ihren Mehrwert erweitern. Und Start-ups ermöglichen komplett out oft the box zu denken, wie man im Englischen sagt.
"Da geht es von mir aus um ein grundsätzliches Problem in Südtirol: Jeder will seinen eigenen Turm bauen und sich nicht in die Karten schauen lassen. Doch das ist in einer vernetzten Welt wie heute das falsche Rezept."
Was meinen Sie damit?
Dass ein Start-up komplett anders funktioniert als ein etabliertes Unternehmen. In letzterem gibt es eine Struktur und eingespielte Prozesse – und das Tagesgeschäft nimmt so viel Raum ein, dass viele Ideen in der Schublade landen. In einem Start-up gibt es dagegen am Anfang weder eine große Struktur noch Prozesse. Dort gibt es wenige und hochmotivierte Leute mit einem klaren Fokus, und deshalb kann man bestimmte Ziele schneller erreichen als mit einem etablierten Unternehmen.
Also auch Ziele dieser etablierten Unternehmen?
Klar. Da geht es wie gesagt darum, die Wertschöpfungskette zu erweitern. Ich habe beispielsweise in Lienz seit mehr als zwei Jahren ein Startup als Software Entwicklungsgesellschaft mit einem Universitätsprofessor, der ganz spezifisch daran arbeitet, Problemlösungen für Durst-Kunden zu entwickeln. Das wäre innerhalb des Unternehmens so nicht möglich, zumindest nicht in der Zeit. Und in der Wirtschaftswelt von heute ist es nicht mehr so, dass der Große den Kleinen frisst, sondern der Schnelle den Langsamen.
Und deshalb bringen Start-ups nicht nur Innovation, sondern auch einen zeitlichen Vorteil?
Ja genau. Denn sie können fokussiert nur einer Mission nachgehen. Und das kann ausschlaggebend sein, wenn es immer mehr darum geht, Produkte so früh wie möglich zur Marktreife zu bringen. Wenn die heute zu lange in der Schublade liegen, ist der richtige Zeitpunkt schnell vorbei. Das Geheimnis ist die richtige time to market.
Wie könnte die Gründerszene in Südtirol auch abseits der Investoren belebt werden? Was würden Sie sich von der Politik wünschen?
Vor allem eine Öffnung nach außen, ein Vernetzen und Zusammenarbeiten mit anderen Kulturen. Derzeit wird zum Beispiel in der Euregio ein länderübergreifendes Interreg-Projekt in diesem Bereich gemacht, das ist ein wichtiger Impuls in diese Richtung. Doch vor allem brauchen wir auch eine andere Kultur. In unserem schönen Südtirol haben wir nicht nur den Nachteil, dass wir italienische Gesetze mit deutscher Mentalität ausleben. Es gilt hierzulande auch immer noch als soziale Tragödie, wenn ein Unternehmer seinen Betrieb an die Wand fährt. In den USA dagegen bekommt man keine Stelle als CEO, bevor man nicht irgendeine Firma in den Bankrott geführt hat.
Warum das?
Weil das heißt, Erfahrungen gesammelt zu haben, mit Problemen und mit Druck konfrontiert worden zu sein, auch etwas riskiert zu haben. In Südtirol zählt das alles nicht, hier wird man schief angesehen, wenn man eine Firma schließen muss. Dabei sollte es genau umgekehrt sein: Man müsste sagen: Chapeau, toll, dass du es probiert hat. Es ist schief gegangen, nun probiere eben etwas Neues.
Sehr interessant ! Vor allem
Sehr interessant ! Vor allem die von Herrn Oberrauch dargestellten Thesen zu den Investitions-Motivationen und die Analysen zum Standort Südtirol finde ich sehr treffend. Hinsichtlich der Offenheit und start-up-Kompetenz habe ich an Hand konkreter Projekte einen beachtlichen Unterschied zwischen dem Landesamt für Innovation (+++) einerseits und dem ehemaligen TIS andrerseits vorgefunden.
Karl Trojer, Terlan