Politik | Umfrage

Wo Österreich zu verblüffen vermag

Eine Studie verrät: 89 Prozent der Österreicher stehen Selbstbestimmung Südtirols positiv gegenüber. Auch "doppelte Staatsbürgerschaft" und "Wiedervereinigung" ein Thema.

Der Südtiroler Heimatbund wollte es wissen: Wie stehen die Österreicher zur Selbstbestimmungsthematik Südtirol? Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine Repräsentativstudie in Auftrag gegeben, mit deren Durchführung das Linzer Marktforschungsinstitut Spectra betraut wurde. Die Ergebnisse wurden im Rahmen einer Pressekonferenz am Montag Vormittag im Wiener Presseclub Concordia präsentiert.

Das Ergebnis kann angesichts Auftraggeber und Fragestellungen der Studie wenig überraschend wirken – jedenfalls spricht es eine deutliche Sprache: 89 Prozent der befragten Personen stehen der Selbstbestimmung Südtirols und einer Wiedervereinigung mit Österreich positiv gegenüber.

“Verblüfft” zeigte sich Reinhard Olt – Professor für Zeitgeschicthte an der deutschsprachigen Andrássy-Universität in Budapest –, der die Umfrageergebnisse präsentierte, von der großen Zustimmung im Osten Österreichs. Denn betrachtet man die Zahlen genauer, stellt man fest, dass die Befürwortung eines Südtiroler Referendums über die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts und auch einer möglichen Wiederangliederung an Österreich in den westlichen Bundesländern mit “nur” 82 bzw. 84 Prozent unter dem Durchschnittswert liegt. In den östlichen Bundesländern hingegen erreicht sie Spitzenwerte von 93 bzw. 92 Prozent. Auch eine eventuelle doppelte Staatsbürgerschaft für die Südtiroler Bevölkerung erfährt im Osten deutlich mehr Zustimmung als etwa in Tirol, Vorarlberg und Salzburg.

1.000 Personen wurden im Rahmen der Studie “Die Meinung der Österreicher zur Selbstbestimmungsthematik Süd-Tirol” repräsentativ für die österreichische Bevölkerung telefonisch befragt. Kenntnisse der Südtiroler Geschichte wurden ebenso abgefragt wie die Meinung zu Selbstbestimmung Südtirols, doppelter Staatsbürgerschaft und einer möglichen Wiederangliederung an Österreich.

Die regionalen Unterschiede erklärt sich Olt – selbst seit vierzig Jahren regelmäßig zu Besuch in Tirol und Südtirol – mit den “Animositäten”, also einer eher ablehnenden Haltung, welche die Nord- und Osttiroler den Südtiroler Nachbarn entgegen brächten. “Diese basiert auf der unterschwelligen Empfindung, dass es den Südtirolern ‘eh viel besser' gehe”, versucht Olt eine Interpretation der Ergebnisse.

Auch der Bildungsgrad beeinflusst die Meinung der Österreicher zur Südtiroler Selbstbestimmung – je höher dieser ausfällt, desto eher wussten die Befragten zwar über die Geschichte Südtirols Bescheid, doch gleichzeitig sank mit steigendem Bildungsgrad auch die Zustimmung zu einer eventuellen Selbstbestimmung.

“Die Studie beweist, dass das historische Anliegen zahlreicher Südtiroler nichts an Aktualität verloren hat und dass sich auch die Österreicher ihrer Verbundenheit durchaus bewusst sind”, so das Fazit von Reinhard Olt. Dabei gehe es weniger um eine ökonomische Besserstellung Südtirols und auch nicht um den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen, denn, so Olt, “ der italienische Staat stellt keine Bedrohung mehr für Südtirol dar”. Vielmehr basiere der politische Wille der Österreicher, der durch die Studie zum Ausdruck gebracht wird, auf dem Bewusstsein der gemeinsamen Geschichte und einem historischen Zusammengehörigkeitsgefühl.

“Die Ergebnisse strafen jene Lügen, die nicht müde werden zu behaupten, dass die Grenzen praktisch nicht mehr existieren und so wie der österreichische Außenminister Sebastian Kurz die Südtiroler Autonomie als ‘eine besonders gelungene Form der Selbstbestimmung’ bezeichnet”, resümiert Olt und sieht nun die österreichische Politik in der Verantwortung, Taten folgen zu lassen.

Dasselbe Anliegen hegt auch Roland Lang: “Ich wünsche mir, dass sich die österreichische Politik die einwandfreien Ergebnisse anschaut und in ihren zukünftigen Entscheidungen Rücksicht auf die Meinung des Volkes nimmt”, so der SHB-Obmann. Die Umfrageergebnisse werden den Nationalratsabgeordneten zugesandt, denn zahlreich waren die österreichischen Politiker zur Präsentation nicht erschienen. “Vielen wurde geraten, der Pressekonferenz fern zu bleiben, weil es sich angeblich um eine Veranstaltung der Opposition handle”, weiß Reinhard Olt. Und auf die Frage, welche Resonanz man sich nun erwarte, kann er nur vermuten: “In Innsbruck und Bozen wird wohl keine Jubelstimmung aufkommen.”

 

Die gesamte Studie finden Sie hier.

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Profil für Benutzer Martin B.
Martin B. Di., 27.01.2015 - 09:54

Der Unterschied Ost-West überrascht nicht. Die ansonsten hohe Zustimmung zu Selbstbestimmung, "doppelte Staatsbürgerschaft" und "Wiedervereinigung" Südtirols wäre interessant besser zu verstehen: spielt der Wunsch der Österreicher mehr Bedeutung zu haben (Territorialgewinn) eine Rolle oder haben normale Bürger einfach einen viel entspannteren Umgang mit dem Thema, sprich "Lasst sie doch selbst entscheiden, ich möchte das auch."?

Di., 27.01.2015 - 09:54 Permalink