Politik | Gebärdensprache

Allen Bürgern Gehör verschaffen

Die Landespressekonferenz bietet noch keinen Dienst für Gehörlose an. Auch sie wollen adäquat zum Coronavirus informiert werden. Das Land hofft auf eine baldige Lösung.
Land Tirol: Coronaupdates aus Südtirol samt Gebärdenübersetzung
Foto: Screenshot/Facebook/Land Tirol

Täglich senden Fernsehen und Radio neue Updates bezüglich der Coronainfizierten aus. Die Reaktionen der italienischen Regierung und des Landes folgen im Rekordtempo, Maßnahmen werden in Pressekonferenzen mitgeteilt, die das ganze Land verfolgt. Von der Eigenerklärung tragen die Bürger bereits die vierte Version mit sich herum. Während keiner anderen Zeit erwartete der Staat sich solch rasche Umstellungen von der eigenen Bevölkerung. Verwirrungen sind also vorprogrammiert. Umso wichtiger erscheint es in dieser Ausnahmesituation, die Menschen klar und transparent über die neuen Verhaltensnormen und Gesundheitsvorkehrungen zu informieren. Um niemanden auszulassen, wurden Stellungnahmen und Konferenzen vom italienischen Zivilschutz sowie des Premierministers mit Untertiteln versehen. So können auch gehörlose Bürger die wichtigen Mitteilungen des Staates rund um das Thema Corona mitverfolgen.

In Südtirol ist der Zugang zu mündlicher Information für die rund 300 Gehörlosen nach wie vor nicht wirklich gegeben. Weder die tägliche Landespressekonferenz zum Coronavirus noch sonstige mündliche Informationszugänge bei Corona-relevanten Fragen bieten einen Dienst für Gehörlose an.

Greta Bortolotti, Betroffene und Jugendleiterin im Elternverband hörgeschädigter Kinder (EHK) weiß um das Manko: „Die Grüne Nummer ist zwar sichtbar auf der Homepage der Provinz angegeben, aber es steht nur „Anrufen“. Dies versteht eine gehörlose Person so, dass man die Nummer nur telefonisch erreicht und nicht über SMS oder WhatsApp.“ Auch Veronika Wellenzohn, Vertreterin der Initiative für die Anerkennung von Gebärdensprache in Südtirol und Italien (BimoLi) hält als Betroffene zumindest eine Whatsapp-Funktion der Grünen Nummer für notwendig: „Wir können das gesprochene Wort nicht hören. Eine Whatsapp-Funktion der grünen Nummer gäbe uns daher mehr Sicherheit.“

Die Fernsehberichte zum Thema Coronavirus erleben wir zur Zeit als „Stummfilme“. Die Bilder ziehen an uns vorbei, ohne Erklärungen, Inhalte und Informationen. Es bleiben Fragen, Ängste und Sorgen.

Dem Chefredakteur der Landespresseagentur Guido Steinegger scheint das Problem nicht fremd zu sein. Vergangenen Samstag bat er Dagmar Regele, Direktorin des Hygienedienstes, bei der Landespressekonferenz, ihre Atemschutzmaske abzunehmen, damit Gehörlose von den Lippen mitlesen könnten. Als auch Arno Kompatscher in den vergangenen Tagen mit Mundschutz auftrat, waren Südtiroler Gehörlose völlig abgeschottet von der Landespressekonferenz. Wellenzohn weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig eine barrierefreie Information mit Gebärdensprachendolmetscher oder Untertitel für Gehörlose ist: „Die Fernsehberichte zum Thema Coronavirus erleben wir zur Zeit als „Stummfilme“. Die Bilder ziehen an uns vorbei, ohne Erklärungen, Inhalte und Informationen. Es bleiben Fragen, Ängste und Sorgen.“

Doch gibt es bisher weder eine DolmetscherIn für Gebärdensprache, noch bietet die tägliches Landespressekonferenz Untertitel an. Am Wochenende wandte sich sogar der Lega-Abgeordnete Filippo Maturi mit einem Schreiben an die Landesregierung und den Bozner Bürgermeister, um einen adäquaten Informationsdienst für Gehörlose zu fordern. Unabhängig davon versichert Guido Steinegger auf Anfrage von salto.bz„Wir haben vollstes Verständnis für dieses Thema, und arbeiten deshalb hart daran, den Zugang auch zu mündlicher Information für Gehörlose zu garantieren.“ Es scheitere zurzeit jedoch an der technischen Umsetzung, für die noch keine Lösung gefunden worden sei: „Im Gegensatz zu anderen Ländern, bedarf es in Südtirol eine doppelte Übersetzung in zwei Sprachen. Das macht es logistisch schwerer.“ Auch hätte das Coronavirus die gesamte Arbeit der Landesverwaltung gebremst, erklärt Steinegger weiter: „Die Telearbeit erschwert es uns zurzeit, die richtigen Leute zu finden, die sich darum kümmern.“

 

Trotz eingeschränkter Erreichbarkeit sei es Chefredakteur Steinegger nun aber gelungen, eine Person zu finden, die sich um die Übersetzungen in Gebärdensprache kümmere, meint Steinegger. Doch bittet die Landespressestelle um etwas Geduld„Wir hoffen, dass wir es bis zum Montag schaffen, eine Gebärdenübersetzung für die Landespressekonferenzen zu organisieren“, so Steinegger. Bis dahin, weist der Chef der Landespresseagentur hin, seien alle Informationen bezüglich Coronavirus und aktueller Verordnungen auf der Seite der Provinz Bozen nachzulesen. 

Karin Waldboth vom EHK zeigt Verständnis für die schwierige Umsetzung von Übersetzungen in Gebärdensprache: Wir verstehen, dass es nicht einfach ist, zugleich Untertitel und Übersetzungen in Gebärdensprache einzublenden, vor allem weil die Pressekonferenz gemischt auf italienisch und deutsch gehalten wird,“ sagt Waldboth. Die Landespresseagentur hätte bereits mit dem Verband Kontakt aufgenommen und arbeite daran, eine Ferndolmetscherdienst zu beauftragen. „Unser Vorschlag wäre, die wichtigsten Informationen der Presseagentur eine Stunde später zusammengefasst in Gebärdensprache samt Untertitel wiederzugeben,“ so Waldboth. Am wichtigsten seien dem Verband dabei die Untertitel, denn nicht alle Gehörlosen verstünden Gebärdensprache. 

 Wir hoffen, dass wir es bis zum Montag schaffen, eine Gebärdenübersetzung für die Landespressekonferenzen zu organisieren.

Mit diesem Versäumnis, adäquaten Informationszugang für Gehörlose zu garantieren, wird die Provinz Bozen nicht erst seit Corona konfrontiert. Bereits Ende letzten Jahres trafen sich VertreterInnen verschiedener Verbände für Gehörlose mit Landeshauptmann Kompatscher, Soziallandesrätin Waltraud Deeg und Gesundheitslandesrat Thomas Widmann, um ihre Anliegen vorzubringen. Gebärdensprache gesetzlich anzuerkennen sowie die Kommunikation für Gehörgeschädigte, insbesondere im Bereich Bildung und Gesundheit, zu verleichtern, waren einige der Forderungen. Damals versicherten der Landeshauptmann und die Landesräte den Vertretern, man wolle die Inklusion von Gehörlosen verbessern. 

Laut Steinegger sei das Land dabei gewesen, sich darum zu kümmern. „Es wurde diskutiert, ob ein Übersetzer per Tablet zugeschaltet werden könne, um die Kommunikation zwischen Arzt und gehörlosen Patienten zu vereinfachen,“ so der Chef der Landespresseagentur. „Doch wurde das technische Problem noch nicht gelöst und die Coronakrise hat die Arbeit der Landesverwaltung leider verlangsamt.“ Nachdem in der anfänglichen Krisenzeit das Thema untergegangen zu sein scheint, rückt es nun wieder in die Aufmerksamkeit der Landesverwaltung. Die Gehörlosen können somit in Zeiten von Corona, in der die Information essentieller ist wie je zuvor, wieder Gehör finden.