Wirtschaft | Milchwirtschaft

Betrug und Manipulation

Bei der heutigen Vollversammlung des Sterzinger Milchhofes dürfte für reichlich Gesprächsstoff gesorgt sein. Grund dafür ist ein offener Brief, in dem von Betrug und Manipulation die Rede ist.
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Foto: Salto.bz
  • Üblicherweise gestalten sich die Vollversammlungen der Milchgenossenschaft Sterzing nicht gerade aufregend: Nach der Begrüßung durch den Obmann folgt die Verlesung der Bilanz und deren Genehmigung. Die Ehrengäste, in der Regel handelt es sich um politische Verantwortungsträger, halten ein Loblied auf das Südtiroler Erfolgsmodell des Genossenschaftswesens, versichern den anwesenden Landwirten ihre Unterstützung und schwören diese auf den Zusammenhalt ein. In den Zwischenpausen sorgt eine Musikgruppe für Unterhaltung. Bei der Vollversammmlung, die heute (26. April) im Stadttheater von Sterzing stattfindet, dürfte es etwas heißer hergehen, denn für Gesprächsstoff ist reichlich gesorgt. Grund dafür ist ein offener Brief, in dem von Betrug und Manipulation die Rede ist. Konkret geht es darin um die in zwei SALTO-Beiträgen („Der verwerfliche Kuhhandel“ und „Wo sind die Schlupflöcher?“) aufgegriffenen Berichte über „Viehverschiebereien“ im Wipptal. 

  • Offener Brief an den Obmann und den Verwaltungsrat der Milchgenossenschaft Sterzing: Die Unterfertigten wollten nicht stillhalten. Foto: Screenshot
  • Gerichtet ist das Schreiben an den Obmann und den Verwaltungsrat der Milchgenossenschaft Sterzing, die politischen Vertreter und Vertreter der Medien. Ohne Umschweife kommt die Gruppe von Bauern, „die um Hunderttausende von Euro gebracht worden sind und ihre Existenz in Gefahr sehen“ zum Punkt, wenn es in der Überschrift heißt: „Verwaltungsrat betrügt uns Bauern und Bäuerinnen – und die zuständigen Stellen hüllen sich in Schweigen!“ Über sich selbst sagen sie, dass die im Juli 2022 aus dem Milchhof Sterzing ausgetreten sind, weil die Strafzahlungen, die mit der flächenbezogenen Milchwirtschaft eingeführt worden sind, finanziell nicht länger tragbar waren. SALTO hat ausführlich über den „Milch-Scheidungskrieg“ berichtet, dem einige Einigungsversuche sowie rechtliche Schritte vorausgegangen waren, die jedoch alle fehlschlugen. 

  • Vieh im Kuhstall: Stehen die Tiere immer dort, wo sie laut Stallregister sein sollten? Foto: pixabay.com

    Mit Spannung hatte man deshalb wohl auch das Datum des 1. Jänners 2024 abgewartet – zu diesem Stichtag sollte sich nämlich entscheiden, ob sie mit ihrer Vorhersage – die flächenbezogene Milchwirtschaft ist auf dem Papier (für den Konsumenten) eine schöne Geschichte, in der Realität jedoch für die betroffenen Bauern nur schwer bzw. nicht umsetzbar – Recht haben würden. Der Beginn des heurigen Jahres markierte nämlich das Ende der fünfjährigen Übergangsfrist, zu der sich jeder Bauer in Ordnung gebracht haben musste, sprich: Der Viehbestand muss der vorhandenen Futterfläche – Pacht oder Besitz – entsprechen. Hält sich ein Mitglied nicht an diese Regel, wird die Milch nicht mehr abgeholt. Zur Überraschung der „Aussteiger“ sind jedoch keine Ausschlüsse erfolgt und alles schien in bester Ordnung. Der Verdacht keimte auf, dass die Daten einiger Lafis-Bögen, die Grundlage, welche zur Berechnung des GVE-Besatzes bzw. der flächenbezogenen Milchwirtschaft herangezogen werden, „schöngerechnet“ worden sind. Dieser erhärtete sich, als die Landwirte Zugang zu Informationen aus den Viehdatenbank erhalten und Ungereimtheiten entdeckt haben. Wie es im offenen Brief heißt, „haben einige Genossenschaftsmitglieder (die entsprechenden Informationen liegen uns vor) die Daten ihres Viehbestandes offenbar manipuliert“, und weiter „Wir haben Kenntnis davon, dass ein Vorstandsmitglied nach der Veröffentlichung (des Berichts auf SALTO über Viehverschiebereien, Anm. d. Red.) nachweislich seinen GVE-Bestand wesentlich verändert hat – vor drei Wochen stimmten Realität und Datenbank noch nicht überein, heute steht das betreffende Vorstandsmitglied mit reiner Weste da“. Weiters wird eine neue Variante aufgezeigt, mit der sich die Bauern offenbar in Ordnung bringen können, und zwar mittels Verträge für eine überbetriebliche Zusammenarbeit. 

     

    „Wir wurden von Dr. Rainer in Kenntnis gesetzt, dass man ein weiteres Treffen für Anfang Mai vorschlage und man nicht abgeneigt sei, einen Milchabnahmevertrag anzubieten - allerdings ohne Mitgliedschaft und zu einem ‚reduzierten‘ Milchpreis.“

     

    Mit einem Schreiben, datiert vom 11. April, wurde der Überwachungsrat des Milchhofes Sterzing, die Rechtsabteilung und die Revisionsabteilung des Raiffeisenverbandes über die Unregelmäßigkeiten in Kenntnis gesetzt und eine lückenlose Aufklärung gefordert. In der Folge sei es zu zwei Aussprachen mit dem Präsidenten des genannten Überwachungsrates, Ferdinand Rainer, gekommen, die allerdings keine konkreten Ergebnisse gebracht hätten und bei denen es sogar zu widersprüchlichen Aussagen gekommen sein soll. Während sich Rainer auf den zuständigen Amtstierarzt berufen habe, der bei einer Überprüfung die Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit festgestellt habe, habe sich dieser auf Nachfrage seitens der Bauern jedoch völlig anders geäußert, und zwar habe er keinerlei Kontrollen durchgeführt. Zudem habe er eine Aussage bestätigt, die auch Franz Hintner, Präsident der Südtiroler Tierärztekammer, gegenüber SALTO getätigt hat: Die im Stallregister eingetragenen Tiere müssen auch im betreffenden Stall gehalten werden. Alles andere sei Betrug. In Aussicht gestellt habe man den Aussteigern ein weiteres Treffen für Anfang Mai sowie „einen Milchabnahmevertrag – allerdings ohne Mitgliedschaft und zu einem ‚reduzierten‘ Milchpreis“, was den Schluss nahelegt, dass man zwar gerne die Milch der unbequemen Bauern hätte, aber sie selbst in der Genossenschaft nicht mehr willkommen sind. Im Gegenzug dazu sollten sie „den Ball flach halten, nicht an die Medien gehen sowie die Vollversammlung, die am 26. April stattfinden wird, abwarten“.

    Wie der offene Brief zeigt, denken sie jedoch nicht daran still zu halten, im Gegenteil: Ihrer Meinung nach trägt der gesamte amtierende Verwaltungsrat samt Obmann die Verantwortung und es stelle sich die Frage, „ob diese Personen bei besagter Versammlung wiedergewählt werden können“. Zu den Tagesordnungspunkten zählt nämlich nicht nur die Genehmigung der Bilanz, sondern auch die Wahl des Obmannes, dessen Stellvertreter sowie der Mitglieder des Verwaltungsrates. Die Mitgliederprämierung dürfte heute also zur reinen Nebensache werden.

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Rainer Ferstl Fr., 26.04.2024 - 21:45

Berichterstattung funktioniert anders........ Auf halbweg habe ich aufgehoert zu lesen..................... Waere es wichtig und wirklich nicht rechtens, waere der Schaden und das Unrecht wohl in den ersten Zeilen klar und offen dargebrahcht-beschrieben worden................. Meine Meinung......... Klare wenige Worte wuerden helfen, falls was Wahres dran ist.................

Fr., 26.04.2024 - 21:45 Permalink
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Salto User
bernd Sa., 27.04.2024 - 01:31

Die handvoll Unterfertigten des offenen Briefes und besonders die Autorin wirds zwar ärgern...aber die Versammlung ist gewohnt geordnet und bei sehr guter Stimmung abgelaufen. Der "Skandal" wurde zwar kurz erwähnt, man konzentrierte sich jedoch auf das Wesentliche. Auch den Mitgliedern schien er wenig zu scheren.
Der Obmann und der Vize wurden einstimmig wiedergewählt -und auch kein anderes der von der Autorin skizzierten Höllenszenarien ist eingetreten .
LR Luis Walcher hielt eine gute Rede, lobte die Bauern und den Milchhof Sterzing. Und sogar die Mitgliederprämierung war nicht nur Nebensache.
Eine Anregung vielleicht: Salto (bzw. Frau Tötsch) sollte nicht so viel von BILD abkupfern. Das verleiht nicht unbedingt Niveau!

Sa., 27.04.2024 - 01:31 Permalink
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Josef Fulterer Sa., 27.04.2024 - 07:11

Die handvoll Rebellen des Sterzinger Milchhofs, haben sich wohl von dem Sommer sehr hohen Milchpreis in Italien (Kühe geben bei Temperaturen über 20 ° weniger Milch), zu ihrem wenig überlegtem Austritt aus der Genossenschaft verführen lassen.
Auch die Sterzinger Bauern sollten Futter nur nach Ernteausfällen + nicht in Normal-Jahren, Massen von Grund- + Kraftfutter sehr UMWELT-schädigend zukaufen + im Dreck versaufen!!!

Sa., 27.04.2024 - 07:11 Permalink
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karl messner Sa., 27.04.2024 - 13:18

hallo frau tötsch da sie sich scheinbar rührend um die armen abtrünnigen milchrebellen kümmern bringen sie doch auch einmal einen bericht über die soziale nutzung der pfitscher bäche und was noch bauern aus langeweile sind es doch lächerlich oder die hässlichen stahlkonstrukkte was an guatanamo errineren das wäre auch mal redaktionsanregung

Sa., 27.04.2024 - 13:18 Permalink