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Chronik | Aus dem Blog von Gerhard Mumelter

Der Stichtag naht

Am Dienstag entscheidet der Gerichtstermin eines Einzelnen über die politische Zukunft von 60 Millionen Italienern. Wird Berlusconi vom Höchstgericht verurteilt, ist seine politische Laufbahn beendet und dem krisengeplagten Land drohen neue Turbulenzen. Den Richtern, die unter massivem Druck stehen, bieten sich mehrere Optionen.

Der Angeklagte, der vor Fernsehkameras zu Monologen neigt, schweigt beharrlich. Nicht unbedingt aus eigener Überzeugung. Seine Verteidiger haben Silvio Berlusconi wenige Tage vor dem entscheidenden Urteil des Höchstgerichts absolutes Redeverbot erteilt. Jeder überflüssige Kommentar könnte die Situation des Ex-Pemiers unnötig erschweren. Auch Berlusconis Verteidiger geben sich im Vorfeld der Gerichtsverhandlung eher wortkarg. Sein
neuer Anwalt Franco Coppi, ein prominenter Strafverteidiger, der nicht aus Berlusconis Dunstkreis kommt, will den Cavaliere davon überzeugen, auf die Verjährung zu verzichten und einen Freispruch anzupeilen, der im Kassationsgericht durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Der übliche Vorwurf der roten Roben geht dort ins Leere.

Freispruch im Bereich des Möglichen 

Das Höchstgericht hat Berlusconi bereits im Mediatrade-Verfahren freigesprochen. Keiner der fünf Richter, die am Dienstag in letzter Instanz über den Vorwurf des Steuerbetrugs entscheiden, ist  jemals durch Sympathien für die Linke aufgefallen. Berlusconis Hausblatt "Il Giornale" heizt seit Tagen mit bürgerkriegsähnlichem Vokabular die Stimmung an. Seine kämpferische Vertraute Daniela Santanché stellt im Falle einer Verurteilung Massenkundgebungen seiner aufgebrachten Anhänger in Aussicht - ein im August kaum realistisches Unterfangen. Kein Zweifel: eine Bestätigung des Urteils zweiter Instanz würde Italien erneut in schwere politische Turbulenzen stürzen und das Überleben der Regierung gefährden.

Er hat Angst vor der Bedeutungslosigkeit

Was Berlusconi fürchtet, ist nicht die Haftstrafe. Von den fünf Jahren fallen vier unter Strafnachlaß, den Rest müsste er wegen seines Alters ohnedies nicht absitzen. Was er fürchtet, ist der Ausschluß von allen öffentlichen Ämtern. Der Cavaliere müsste als Senator zurücktreten und könnte bei zukünftigen Wahlen nicht mehr kandidieren - mit unabsehbaren Folgen für seine monarchisch strukturierte Partei. Die Richter wissen um die Folgen ihrer Entscheidung für die Zukunft des Landes und könnten der Versuchung erliegen, die heiße Kartoffel weiterzugeben. Als konkrete Möglichkeit gilt neben einer Vertagung die Rückverweisung des Verfahrens an das Mailänder Berufungsgericht, dessen Urteilsbegründung als rechtlich unzulänglich eingestuft werden könnte. In diesem Fall müsste der Berufungsprozeß in einigen Monaten neu aufgerollt werden - die in acht Monaten drohende Verjährung würde beim Schneckentempo der italienischen Justiz ein rechtskräftiges Urteil durch das Kassationsgericht ausschließen. Noch ist unklar, welche Anträge die Anwälte Berlusconis und seiner drei Mitangeklagten beim Obersten Gerichtshof einbringen und ob sie auf die Verjährung verzichten - als Gegenleistung fuer eine Verschiebung des Prozesstermins auf September oder Oktober.  Auch eine mögliche Zweiteilung des Verfahrens wird von Juristen nicht ausgeschlossen. Sicher ist: am Dienstag steht eine Entscheidung an, die Italiens politische Zukunft nachhaltig beeinflussen könnte.
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Benno Kusstatscher Fr., 26.07.2013 - 13:24

Bei entsprechendem Schiedsspruch wäre doch nicht das Schicksal von 60 Millionen Italienern bestimmt, sondern die Verantwortung wieder einmal bei Grillo.

Wenn man das so liest, klingt das so, als ob jetzt nur der M5S öffentlich kundtun müsste, dass ihm eine saubere, juristische Lösung es wert wäre, Letta zu stützen und Berlusconi wäre politische Geschichte.

Man kann es auch umgekehrt als Frage formulieren: ist das jetzige Schweigen des M5S so zu werten, dass ihm ein sanierter Berlusconi lieber ist, als selbst Regierungsverantwortung zu übernehmen? Interessant wie Grillo in die Geschichte eingehen könnte...

Fr., 26.07.2013 - 13:24 Permalink
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Martin Geier Sa., 27.07.2013 - 07:34

Die Blätter und Medien des Präsidenten mögen sich ruhig an einer Kampagne beteiligen und die Diskussion weiter anheizen; glaube aber kaum daß die Kartoffel so heiß gegessen wie sie nun gekocht wird; schon gar nicht im August. Der PDL und die Lega haben bei den letzten Wahlen eine gewaltige Niederlage einstecken müssen(erinnern wir uns, PD-PDL 11:0) und seitdem zieht das Argument notfalls die Regierung zu stürzen und Neuwahlen anzustreben nicht mehr; nicht nur weil sie Präsident Napolitano zurecht nicht will sondern auch weil die heutige Regierung aus Sicht Berlusconis weit mehr Garantien bietet als die Unwägbarkeiten nach dem Sturz der Regierung Letta; sprich er hat viel zu verlieren und wenig zu gewinnen. Bleibt noch die Frage wie lange das konservative Lager und der PDL ihr Schicksal noch an das B's binden wollen; da gibt es genug Leute die heute noch im Hintergrund stehen aber längst erkannt haben wie sehr der monarchistische Aufbau und die persönlichen Verwicklungen des cavalliere der Partei schaden. Hoffe die Richter finden Mut und Weitsicht für ein klares Urteil.
Grillo hingegen hofft auf den sfascio des Systems(damit ist er unseren Sezessionisten nicht unähnlich ;) ohne es selbst ersetzen, geschweige denn selbst Verantwortung übernehmen zu wollen; nach den letzten Verlautbarungen von Casaleggio; dem Guru der Bewegung; der ein Zusammengehen mit dem PD von vornherein ausschließt; erwarte ich mir von dieser Seite erst einmal nix. Die Begung franst aus und verliert immer mehr Parlamentarier; Leute die gerne Verantwortung für das Land übernehmen würden; es aber im heutigen M5S nicht dürfen. PD-M5S wäre mein Favorit gewesen; mit der heutigen Riege die voll auf das Ende des € und des heutigen Italiens setzt und daraus ihr Süppchen kochen will ist das aber nicht zu machen; es ist traurig wenn ein Teil der politischen Welt partout keine Verantwortung übernehmen will.
Mal sehen was passiert.

Sa., 27.07.2013 - 07:34 Permalink