Kultur | Salto Afternoon

Jedermann muss einmal sterben

Auf Schloss Tirol trifft man den Tod, Gott und Teufel, die sich einen Jux daraus machen, die Seele des Jedermann in die Waagschale zu legen. Außerdem wird Golf gespielt.
Buhlschaft und Jedermann
Foto: Tiberio Sorvillo
Bevor sich Gott, Teufel und Tod auf der Bühne die Meinung sagen konnten, trat letzterer formell auf: Karl „Schaly“ Pichler, dem Ende letzten Jahres verstorbenen Präsidenten der Schlossfestspiele wurde in zwei Reden von Vizepräsident Pepi Nestl und Schlossherrn Leo Andergassen gedacht.
Opulenz und Glamour, der Jedermann (Thomas Hochkofler, text- und selbstsicher) kann es sich leisten, wenn er auf der Bühne für den Abend zum Schlossherren wird. Das erste Wort gehört aber den höheren Mächten, welche die Schlossarchitektur nutzen, um über den Dingen zu stehen: Ein leicht hölzerner Gott (Joseph Holzknecht), eine verspielte Teufelin (Julia Augscheller) und ein Tod mit Gravitas und Weltverdruss (Markus Westphal, die beste Darbietung des Abends, oft auch einfach als Schatten im Hintergrund des Bühnenbilds präsent) wollen sehen, in welche Richtung die Seele des Jedermanns auf- oder absteigt, wenn er um Mitternacht alles Irdische hinter sich lässt. Mit den göttlichen Gestalten tritt auch die fünfköpfige Band auf, welche für emotionale Akzente, aber auch eine Prise Jazzchaos zur Auflockerung sorgt und den kurzen Gesangspassagen, die fast immer in der Gruppe stattfinden eine Unterlage schafft (Michael Lösch Komposition und musikalische Leitung). Manchmal hat die Band auch die Aufgabe, entstehende Leerläufe bei Kostümwechseln und weiten Wegen für die Schauspieler zu überbrücken, was diese allerdings nicht unsichtbar macht.
 
 
Von seinem nahen Ende weiß der Turbokapitalist, Lebemann und Golfspieler noch nichts, wodurch wir ein ungeschöntes Bild von Jedermann zu sehen bekommen, welches die Mehrheit der Todsünden umfasst. Arrogant und mit Luxus-Bäuchlein ist die Hauptrolle kein Sympathieträger, verteilt seinen Wohlstand - als Ersatz für Goldstücke gibt’s in dieser Fassung Goldene Bällchen, die im Golftrolley Platz finden - nur an die wenigen, die ihm dienlich sind. Alles ist dem Jedermann käuflich und sein nahender Niedergang ist genüsslich, wenngleich ein wenig schleppend anzusehen. Man entscheidet sich das Stück, gerade gegen Ende, humorvoll zu kürzen: Man verweist das Publikum, welches sich auch noch den Auftritt der Allegorien wünscht nach Salzburg und kürzt dem Schöpfer ein paar Sätze in dem man ihn für nicht mehr „systemrelevant“ erklärt. Diese Eingriffe sind gut und richtig, Regisseur Torsten Schilling bleibt allerdings auf halber Strecke stehen: Der betagt lyrische Text von Hofmannsthal hätte einer größeren ironischen Spannung zum Heute oder einer leichten Modernisierung bestimmt standgehalten. So spielt man zwar Golf, sagt aber auch „nit“ statt „nicht“.
Jedenfalls sind die Mehrfachbesetzungen von Gott und Teufel als Richter und Stadträtin auch schon wieder Teil der großen „Jedermann“-Allegorie: Augscheller fügt sich als graue Stadträtin mit Österreichischer Mundart schlechter ins Stück ein, Holzknecht als vergeistigter Richter besser. Patrizia Pfeifer ist als Figur der Köchin eher in der Kategorie Nebendarstellerin anzusiedeln, tut als Comic Relief ihr Möglichstes die wenigen Pointen, die sie auf der Bühne in Wiederholung aufsagen darf, unterhaltsam zu gestalten.
Erstaunlich wenig Platz gibt das Stück auch der Buhlschaft, Jasmin Mayrhofer, die verknappt zu wenig mehr als Hochkoflers letztem Sargnagel in Sachen Sündhaftigkeit werden kann, weil ihr wenig Raum auf der Bühne gegeben wird. Beim einzigen Sologesang des Abends zeigt Sie sich nicht besonders singbegabt, was ins Stück aufgenommen wird und überraschend gut passt, wenn niemand der Dinner-Gäste auf Jedermanns letztem Fest wirklich etwas sagen kann, da im Stück nur der Tod ehrlich mit dem Jedermann ist.
 
 
Innovativ an dem Stück die Bühne, welche für den Wechsel vom Golfplatz zur Abendtafel einen einfachen Umbau ermöglicht (Kerstin Kahl). Die Kostüme (Martine Mairhofer) sind zweigestalt: Gerade Gott und Tod hätten in Roben aus Naturstoffen besser ausgesehen als in Synthetikfasern, aber Hochkoflers Outfit ist auf den Punkt genau so, wie es sein sollte und verbindet sich mit seiner gut gespielten Arroganz zu einem Jedermann, den man in die Hölle fahren sehen möchte, bis im Schluss die Abwendung aller falschen Freunde einen doch nachdenklich stimmt, genau wie der vielleicht wichtigste Satz des Abends: Das letzte Hemd hat keine Taschen.
Der „Jedermann“ auf Schloss traut sich im kleinen, Akzente zu setzen, ist allerdings so treu gegenüber dem Originaltext, dass es gerne mehr und größere Akzente hätten sein dürfen. Man spielte den „Jedermann“ nicht ganz neu, nicht ganz originalgetreu.