Chronik | Im Gespräch mit Gerhard Mumelter

Mumelter: „Berlusconi wird fallen"

Gerhard Mumelter schätzt die aktuelle Situation in Rom ein. Berlusconi und seine Falken - „eine Horrorshow“.
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Foto: Studio Calas / Gemeinde Bozen

Gerhard Mumelter aus Bozen lebt als freier Jounalist in Rom. Er berichtet für den ORF, die Deutsche Welle, die Süddeutsche Zeitung, das Portal Internationale.it und ist Korrespondent der Wiener Tageszeitung Der Standard aber auch für Salto.bz.


Herr Mumelter, es brodelt wieder in Rom. Drohungen von Regierungskrise und Neuwahlen tauchen auf, wie ist die Stimmung in der italienischen Hauptstadt?

Bis gestern war Rom noch halb leer, irgendwie ist alles noch ein bisschen in diesem Ferragosto Schlaf. Heute wird es sicher ernster werden. Letta ist erst gestern Abend aus Afghanistan gekommen und leiert seine Beschwörungsformel herunter, dass es keine Regierungskrise geben darf.

Italien steuert auf eine entscheidende Woche zu. Die IMU-Abstimmung im Ministerrat steht an.

Ja, die erste große Kraftprobe für die Regierung wird es am Mittwoch Nachmittag geben. Dazu paaren sich zwei Ultimaten, die Berlusconi ausgesprochen hat: Einmal soll ihm das politische Mandat nicht aberkannt werden und zum anderen fordern Berlusconi und der PDL, dass die IMU auf Erstwohnungen ersatzlos gestrichen wird.

Was bedeutet ersatzlos?
Berlusconi bedient hier natürlich seine Wählerschaft. Bei der ersatzlosen Streichung geht es vor allem um die IMU auf Luxuswohnungen, die dem PDL ein Dorn im Auge sind.

Wie ernst ist die Lage? Heiße Luft in Rom, das übliche institutionelle Theater?

Die italienische Politik hängt an diesem Theater, an dieser ganzen Inszenierung. Eher ist es eine Horrorshow, würde ich sagen. Zu 90 Prozent sind die Journalisten in Italien schuld an der ganzen Sache. Sie geben Personen, wie einer Daniela Santanché Raum, die eigentlich keine Bedeutung haben. Ins Fernsehen werden die eingeladen, die am lautesten schreiben, die die anderen unterbrechen. All diese Figuren schillern nur deshalb, weil sie von Berlusconi angeleuchtet werden.

Die PDL-Hardliner, die Falken, schreien, weil sie den Fall ihres Herrn befürchten?

Sie scharen sich um Berlusconi, weil sie wissen, dass sie ohne ihn nichts sind. Eine Biancofiore existiert nicht ohne Berlusconi.

Und wie lang existiert Berlusconi noch?

Die gefährlichen Sachen für Berlusconi sind alle erst im Kommen. Sergio De Gregorio, ein geständiger Senator, wird beispielsweise Mitte September gegen Berlusconi aussagen. Für den Wechsel der Fronten hat De Gregorio zwei Millionen Euro von Berlusconi bekommen, das war noch zu Zeiten Prodis. Diese zwei Millionen Euro sind aktenkundig. Dann der Prozess Ruby, der weitergeht. Und natürlich der Senatsausschuss (giunta), der am 9. September tagt und über Berlusconis Immunität abstimmt.

Was hat Berlusconi vor? Es wird ja allemal eng für ihn.
Die Szenarien sind verschieden. Es kann sein, dass Berlusconi schnell vorgehen will, noch diese Woche den Sturz der Regierung mit der IMU-Abstimmung verknüpfen möchte. Denn schon im November wird ihm das Parlament den Senatssitz entziehen, dann ist es für ihn zu Ende, dann darf er nicht mehr kandidieren. Wenn die Regierung diese Woche übersteht, hat sie viel geschafft.

Wann kommt Giorgio Napolitano ins Spiel?
Sollte diese Regierung stürzen, dann hat Napolitano mehrmals wiederholt, dass er nicht die Absicht hat, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen mit diesem Wahlgesetz durchführen zu lassen. Dann liegt es daran, ob Letta eine neue Allianz findet, zum Beispiel unter den Grillini oder unter den ausgetretenen PDL Leuten. Letta braucht etwa 20 Personen, die ihn dann stärken. Neuwahlen wird es in diesem Jahr nicht mehr geben.

Schlupflöcher sucht Berlusconi immer wieder. Gerhard Mumelter berichtete Mitte August.

Anderes Szenario?

Wenn Letta diese Leute nicht findet, oder der PDL geschlossen aus der Regierung zurück tritt, dann kann Napolitano gar nichts mehr tun.

Im PDL gibt es ja nicht nur die Hardliner, es gibt ja auch die „Tauben“.

Ja, der dialogbereite Flügel exisitiert, und einige sind darunter, die ganz klar sagen: „Die Regierung muss weiterbestehen.“

Und wo steht Letta?

Letta verhält sich weiterhin zurück haltend, argumentiert klar und sachlich. Ja, er ist ein sehr asketischer Ministerpräsident. Er versucht sich in diesem ganzen Spiel so wenig wie möglich zu verlieren und seine Umfragewerte beweisen: Er bekommt viel Zustimmung durch seine Art Politik zu machen.

Das Spiel ist trotz allem ernst.

Auf jeden Fall, es ist ernst. Und der PD wird in irgendeiner Form einlenken müssen. Hinter den Kulissen muss etwas passieren. Der PD wird seine Spieltaktik anpassen müssen, das könnte etwa die Verlängerung der Arbeit in der Giunta sein. Die Immunität würde Berlusconi dann nicht gleich im September sondern erst im November verlieren, verlieren wird er sie in jedem Fall.